5. Untersuchungsausschuss

Er­geb­nisse des Abgas-Aus­schus­ses gegen­sätz­lich bewertet

Die Mitglieder des Abgas-Untersuchungsausschusses haben ein gegensätzliches Fazit der Arbeit des Gremiums gezogen. Die Opposition von Linken und Grünen sieht ihren Verdacht des Staatsversagens für die Dieselaffäre bestätigt. Union und SPD wiesen den Vorwurf in der abschließenden Debatte zum Abschlussbericht des Ausschusses (18/12900) am Freitag, 30. Juni 2017, im Bundestag zurück. 

Manipulierte Abgasreinigung

Auslöser für den Ausschuss war das Eingeständnis des VW-Konzerns in den USA im September 2015, bei Dieselautos die Abgasreinigung mit einer speziellen Software manipuliert zu haben. In den USA betraf der Betrug rund 500.000 Fahrzeuge, weltweit waren es etwa elf Millionen. Der Untersuchungsausschuss, der fünfte dieser Legislaturperiode sollte die Ursachen für das Auseinanderklaffen von Stickoxidwerten bei Diesel-Fahrzeugen zwischen dem Prüfstand und dem realen Betrieb auf der Straße sowie die Verantwortlichkeit des Staates klären.

Sechs Monate lang vernahm der Ausschuss unter Vorsitz von Herbert Behrens (Die Linke) 57 Zeugen und 13 Sachverständige. Letzte Zeugin war Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) am 8. März 2017. Der rund 700 Seiten starke, von der Koalitionsmehrheit beschlossene Abschlussbericht, enthält zwei Sondervoten von Linken und Grünen. Der Bundestag nahm in einstimmig zur Kenntnis.

Linke: Das darf es auf keinen Fall weiter geben 

Der Ausschussvorsitzende Herbert Behrens sagte in der Debatte, die Autoindustrie nehme durch manipulierte Stickoxid- und Kohlendioxid-Werte gesundheitliche Schäden von Menschen in Kauf. „Das darf es auf keinen Fall weiter geben“, sagte Behrens in seiner letzten Rede im Parlament. 

Ministerien und Behörden wie das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hätten frühe Hinweise auf Manipulationen ignoriert nach dem „Verhalten der drei Affen - nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“. Den Dieselskandal hätte man schon 2011 aufdecken können, wenn man Hinweise aus einer Felduntersuchung der Bundesanstalt für das Straßenwesen aufgenommen hätte, sagte Behrens.

Behrens bezeichnete die Arbeit des Ausschusses als wichtig. Es seien Schwachstellen bei den Behörden aufgedeckt worden. Auch sei deutlich geworden, welch besonderen Zugang die Autoindustrie zum politischen Spitzenpersonal habe. So habe die Branche bei der Gesetzgebung zu den RDE-Straßentests höhere Grenzwertüberschreitungen durchgesetzt als die EU-Kommission es wollte. Die RDE-Tests (Real Driving Emissions) sollen ab September gelten und die Laboruntersuchungen ergänzen. Behrens forderte eine sofortige Offenlegung der Lobbykontakte zur Regierung.

CDU/CSU: Staatsversagen hat sich nicht bestätigt 

Der Obmann der CDU/CSU-Fraktion, Ulrich Lange, widersprach. Die Bundesregierung und ihre Behörden hätten keine Kenntnis von Manipulationen gehabt. In keiner Akte und bei keiner Vernehmung seien Beweise aufgetaucht. „Eines hat sich nicht bestätigt: Das Oppositionsgeheul vom Staatsversagen“, erklärte der CSU-Abgeordnete. Nicht einmal die US-Umweltbehörde EPA habe die Manipulationssoftware von VW gefunden. Die habe der Konzern selbst eingeräumt. Dass der Labortestzyklus NEFZ Schwachstellen habe, wisse jeder. Deshalb sei ja das RDE-Verfahren in langwierigen Verhandlungen erarbeitet worden.

Lange betonte, Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) habe schnell gehandelt. So sei VW zu Rückrufen verpflichtet worden. Auch werde die Messung am Endrohr wieder eingeführt. Zudem müssten die Hersteller nun die Motorensoftware beim KBA hinterlegen. Für lange war die Affäre „in erster Linie in Skandal VW“. Als respektlos gegenüber dem Parlament bezeichnete er den Auftritt des früheren Konzernchefs Martin Winterkorn im Januar.

Grüne: Schönreden und Wegdrücken

Der Obmann der Grünen, Oliver Krischer, warf der Regierung „Schönreden und Wegdrücken“ vor. Das sei ein „Skandal im Skandal“. Die Regierung bestreite sogar, dass Stickoxide eine Gesundheitsgefahr darstellen und stelle somit die Wissenschaft auf den Kopf. Auch sei der Skandal nicht nur auf VW begrenzt, auch wenn es der Wolfsburger Konzern „besonders doll getrieben“ habe. Auch andere Hersteller riegelten die Abgasreinigung ab, zum Teil schon ab 17 oder 20 Grad Celsius.

Es könne nicht sein, dass eine Abgasreinigung in Mitteleuropa in neun Monaten nicht funktioniere und dies akzeptiert werde. Krischer sprach von Staatsversagen und nannte es einen „Hohn“, dass es am 2. August ein Diesel-Forum geben soll, dass sich mit der Nachrüstung von Dieselfahrzeugen befasst. Das sei „Show für den Wahlkampf“.

SPD: Von Wegschauen kann keine Rede sein

SPD-Obfrau Kirsten Lühmann sagte hingegen, in keiner Sitzung und von keinem Zeugen habe es Hinweise auf illegale Manipulationen durch VW gegeben. Das Auseinanderfallen der Labor- von realen Werten sei „absolut nichts Neues“ gewesen. Deshalb gebe es ab September die RDE-Tests. Die Verantwortlichen hätten nach rechtlichen Vorgaben gehandelt, von Wegschauen könne keine Rede sein. Vielmehr müssten das Recht angepasst werden, was etwa mit der Endrohrmessung und der Hinterlegung der Software beim KBA geschehe.

Den europäischen Richtlinien müsse man „Zähne verschaffen“ sowie wirksame Sanktionen einführen. Lehmann bedauerte, dass das Projekt einer Musterfeststellungsklage, damit Verbraucher kollektiv Rechte einklagen können, in dieser Legislaturperiode nicht mehr zustande kam. (stu/30.06.2017)





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