Geschichte

7. November 1918: Kurt Eisner ruft den Frei­staat Bayern aus

Schwarzweißfotografie von mehreren Männern, die ihre Mützen in die Höhe haltend durch eine Straße ziehen. Zwei bewaffnete Sicherheitsbeamte am linken Bildrand sehen dem Treiben zu
Leicht ausgeblichene Schwarzweißfotografie einer Menschenmenge vor einem tempelartigen Gebäude. Im Zentrum des Bildes ist eine große Statue einer antiken Figur zu sehen.
Aufsicht auf einen ausladenden herrschaftlichen Balkon an einer mittelalterlichen Fassade, auf dem mehrere Menschen versammelt stehen. Eine Fahne ist am Geländer angebracht; unterhalb des Balkons haben sich ebenfalls mehrere Menschen versammelt.
Schwarzweißaufnahme von vier uniformierten Männern hinter einem schmalen Tisch - drei sitzend, einer stehend. Im Vordergrund stehen weitere vier Männer den Sitzenden zugewandt

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Revolutionäre Soldaten vor dem Mathäuserbräu in München im November 1918. Kurt Eisner erklärte am 7. November die Wittelsbacher-Dynastie für abgesetzt und rief im Münchner Landtag den Freistaat Bayern aus. (Bundesarchiv)

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Der unabhängige Sozialdemokrat Kurt Eisner spricht am 7. November 1918 auf einer Kundgebung auf der Münchener Theresienwiese. Er fordert die Abdankung des Kaisers und den sofortigen Friedensschluss. (Bundesarchiv (SAPMO))

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Der Arbeiter- und Soldatenrat hisst am 7./8. November 1918 die Rote Fahne in Bremen. (Bundesarchiv)

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Waffenstillstandsverhandlungen vom 7. bis 11. November 1918 im Wald von Compiègne (in der Mitte der Leiter der deutschen Waffenstillstandskommission Matthias Erzberger; ihm gegenüber der französische Marschall Ferdinand Foch). (dpa-Bildarchiv)

Donnerstag, 7. November 1918

Im Interfraktionellen Ausschuss, der die Politik der Mehrheitsparteien im Reichstag koordiniert, fordert der Mehrheitssozialdemokrat Philipp Scheidemann, das Amt der politischen (parlamentarischen) Staatssekretäre und die kollegiale Beratung der Staatssekretäre im sogenannten Kriegskabinett dauerhaft institutionell zu verankern.

Verbot von Arbeiter- und Soldatenräten 

Der Oberbefehlshaber in den Marken, Generaloberst Alexander von Linsingen, gibt bekannt, dass er auf Grund des Gesetzes über den Belagerungszustand die Bildung von „Arbeiter- und Soldatenräten nach russischem Muster“ verbietet. Derartige Einrichtungen stünden im Widerspruch zur bestehenden Staatsordnung und gefährdeten die öffentliche Ordnung. 

Intensivierung von Sicherheitsmaßnahmen in Berlin

Angesichts der wachsenden revolutionären Stimmung kommt es in Berlin zu einer Intensivierung der Sicherheitsmaßnahmen: Bewaffnete Polizeipatrouillen werden verstärkt, kaisertreue Truppen an strategisch wichtige Orte der Stadt beordert. In den Großbetrieben werden Militärwachen installiert, die Zufahrtsstraßen zum Schloss durch Militär besetzt und zahlreiche revolutionär gesinnte Matrosen schon bei ihrer Ankunft in der Stadt interniert.

Ultimative Forderungen an den Reichskanzler

Reichstagsfraktion und Parteivorstände der Mehrheitssozialdemokratischen Partei beschließen in einer gemeinsamen Sitzung, den Reichskanzler ultimativ zur Erfüllung folgender Forderungen aufzufordern: Freigabe der am Vortag verbotenen Versammlungen der Unabhängigen Sozialdemokraten, Anweisung an Polizei und Militär zur äußersten Besonnenheit, Rücktritt des Kaisers und des Kronprinzen bis Freitag, den 8. November, mittags, Verstärkung des sozialdemokratischen Einflusses auf die Regierung, Umgestaltung des preußischen Ministeriums im Sinne der Mehrheitsparteien des Reichstages. 

Sozialdemokraten drohen mit Austritt aus Regierung

Für den Fall, dass die Forderungen nicht bis zum Mittag des nächsten Tages erfüllt werden, kündigen die Sozialdemokraten ihren Austritt aus der Reichsregierung an. Das Ultimatum wird dem Reichskanzler nachmittags um 17 Uhr von den Vorsitzenden der Mehrheitssozialdemokratie Friedrich Ebert und Philipp Scheidemann übergeben. Anschließend stellt Scheidemann das sozialdemokratische Ultimatum im Kriegskabinett vor. 

Als bekannt wird, dass Reichskanzler Max von Baden aufgrund des Ultimatums seine Demission eingereicht hat, willigt Scheidemann ein, den Ablauf des Ultimatums und den möglichen Austritt der Mehrheitssozialdemokratischen Partei aus der Regierung bis nach dem Abschluss der Waffenstillstandsverhandlungen zu verschieben. 

Gefahr einer Militärdiktatur

Am Abend unterrichtet Max von Baden Wilhelm II. in einem Telegramm über die politische Lage nach Abgabe des sozialdemokratischen Ultimatums. In diesem unterstreicht er, dass er einen unter dem Druck des Ultimatums erfolgenden Thronverzicht für eine „schwere Gefährdung der Dynastie und des Reichsgedankens“ halte. 

Allerdings erachte er eine Regierung ohne oder gar gegen die Sozialdemokratie als eine noch größere Gefahr. Denn diese sei nur in „Form einer Militärdiktatur möglich, die unvermeidlich in blutigem Bürgerkrieg und in der Zerstörung des Volkskörpers durch den Bolschewismus enden müsste“.

Aufstandsbewegung erfasst weitere Städte

Die Aufstandsbewegung erfasst weitere Regionen des Deutschen Reichs. Revolutionäre Unruhen gibt es nun auch in Lüneburg, Frankfurt am Main und Bremerhaven. Überall werden Arbeiter- und Soldatenräte gebildet. Sie übernehmen Aufgaben der kommunalen Verwaltung und üben im lokalen Bereich militärische und polizeiliche Funktionen aus.

Massenkundgebung in München

Auf einer von den sozialdemokratischen Parteien und Gewerkschaften einberufenen Massenkundgebung auf der Münchner Theresienwiese fordern der Unabhängige Sozialdemokrat Kurt Eisner, der Mehrheitssozialdemokrat Erhard Auer (SPD) sowie weitere Redner unter anderem die Abdankung des Kaisers, den sofortigen Friedensschluss, die vollständige Demokratisierung Deutschlands, umfassende Sozialfürsorge und die Einführung des Achtstundentages. 

Im Anschluss daran setzt sich unter Führung Kurt Eisners ein stetig wachsender Demonstrationszug Richtung Stadtzentrum in Bewegung, dem sich auch Soldaten der in München stationierten Truppen anschließen. Es kommt zur Plünderung von Waffengeschäften, Entwaffnung von Sicherheitskräften und Befreiung von Insassen der Militärgefängnisse. 

Eisner erklärt Wittelsbacher Dynastie für abgesetzt

Zur Leitung der Bewegung wird unter dem Vorsitz Eisners ein Arbeiter-, Bauern- und Soldatenrat gebildet, der die Besetzung des Hauptbahnhofs, des Telegrafenamts sowie der übrigen staatlichen und militärischen Gebäude durch die Aufständischen veranlasst.

Eisner erklärt in der „vorläufigen konstituierenden Versammlung der Arbeiter und Soldaten Bayerns“ im Münchner Landtag die Dynastie der Wittelsbacher für abgesetzt und ruft den Freistaat Bayern aus. Angesichts der angespannten Sicherheitslage flieht König Ludwig III. von Bayern noch in der Nacht aus der Stadt. (ww/07.11.2018)

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