Wehrbeauftragter kritisiert erneut den Ausrüstungsmangel in der Bundeswehr
Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Dr. Hans-Peter Bartels, hat erneut den Mangel an Ausrüstung in der Bundeswehr kritisiert. Das Fehlen von Großgerät und persönlicher Ausrüstung der Soldaten führe zu Defiziten in der Ausbildung. Dies könne im Einsatz gefährlich werden, monierte Bartels am Donnerstag, 19. April 2018, in der Beratung des Parlaments über seine Jahresberichte für die Jahre 2016 (18/10900) und 2017 (19/700).
Bartels: Beschaffungswesen passt nicht zu Erfordernissen
Es sei zwar nachvollziehbar, dass die Probleme bei der Beschaffung von Hauptwaffensystemen nicht kurzfristig zu lösen seien, räumte Bartels ein, aber bei der persönlichen Ausrüstung der Soldaten, wie zum Beispiel Schutzwesten oder Bekleidung, sei dies nicht akzeptabel. Das Beschaffungswesen der Bundeswehr passe nicht mehr zu den aktuellen Erfordernissen der Truppe, sagte der Wehrbeauftragte.
Bartels forderte zudem, dass der Dienst in den Streitkräften attraktiver werden muss – nicht nur für neue Freiwillige, sondern auch für das Bestandspersonal. Zeit- und Berufssoldaten seien schließlich die besten Multiplikatoren bei der Gewinnung von Nachwuchs für die Truppe. Der Wehrbeauftragte begrüßte, dass bis 2014 rund 12.000 neue Dienstposten geschaffen werden sollen, um die personellen Engpässe zu überwinden.
Ministerin will Ausbildung mehr Aufmerksamkeit widmen
Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen (CDU) wies darauf hin, dass die Bundeswehr in den vergangenen 25 Jahren einem Spar- und Verkleinerungskurs sowie etlichen Reformen unterworfen gewesen sei. Dies sei nach dem Ende des Kalten Krieges zwar verständlich und richtig gewesen, der Sparkurs im Zuge der Finanzkrise jedoch sei an die Substanz der Streitkräfte gegangen. Heute sei die historisch kleinste Bundeswehr mit dem bislang größten Aufgabenspektrum konfrontiert. Es reiche von der Landes- und Bündnisverteidigung über die Auslandseinsätze bis hin zu den Aufgaben zur Bewältigung der Migration über das Mittelmeer.
Deshalb seien bei den Finanzen, der Ausrüstung und beim Personal entsprechende „Trendwenden“ eingeleitet worden. So sei das Volumen der Beschaffungen in den vergangenen Jahren verfünffacht worden und es würden wieder mehr Zeit- und Berufssoldaten eingestellt. In den kommenden Jahren werde sie dem Thema Ausbildung verstärkte Aufmerksamkeit widmen, versprach die Ministerin.
AfD: Trendwenden machen sich im Alltag nicht bemerkbar
Heftige Kritik an von der Leyen und ihren Amtsvorgängern übte der AfD-Abgeordnete Gerold Otten. Die Verteidigungsminister in der Merkel-Ära – Franz Josef Jung (CDU), Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), Thomas de Maizière und von der Leyen – erweckten den Eindruck von Inkompetenz.
Kritisch bewertete er auch die Berichte des Wehrbeauftragten. Formulierungen wie „der Zustand der Verteidigungsbereitschaft“ habe „sich verstetigt“, seien „Schönfärberei“. In Wirklichkeit bedeute dies, dass nichts besser geworden sei. Die von der Verteidigungsministerin ausgerufenen Trendwenden würden sich im Dienstalltag der Soldaten nicht bemerkbar machen.
FDP: Attraktivität sieht anders aus
Auch die FDP-Parlamentarierin Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann äußerte sich kritisch. Die Mängel in der Bundeswehr würden jetzt bereits seit vielen Jahren angemahnt. In etlichen Bereichen sei es jedoch nicht zu Verbesserungen, in einigen sogar zu Verschlechterungen gekommen. So würde sich die Beschaffung mit neuen Schutzwesten für die Soldaten voraussichtlich weitere acht Jahre hinziehen. „Attraktivität sieht anders aus“, sagte Strack-Zimmermann.
Die Abgeordnete warnte zudem vor fehlenden Unterkünften, wenn die Truppe jetzt wieder vergrößert werden soll. Dieses Problem müsse in enger Zusammenarbeit mit den Kommunen an den Standorten gelöst werden.
SPD: Handlungsbedarf bei Ausstattung und Ausbildung
Martin Gerster (SPD) beklagte das Erscheinungsbild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit. Dies sei oftmals von medialer Skandalisierung geprägt. Die Soldaten seien aber nicht pauschal „verweichlicht“ oder politisch eher rechts eingestellt. Dieses undifferenzierte Bild „nerve“ die Soldaten.
Auch Gerster mahnte erhöhten Handlungsbedarf bei der personellen und materiellen Ausstattung der Bundeswehr und der Ausbildung an. Die eingeleiteten Trendwenden seien richtig, müssten sich aber auch endlich im Alltag der Soldaten auszahlen.
CDU/CSU: Verteidigungsausgaben deutlich erhöhen
Florian Hahn (CDU/CSU) forderte eine deutliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben an. Deutschland gebe mit 1,2 Prozent seines Bruttoinlandsprodukt zu wenig für die Landes- und Bündnisverteidigung aus. Überschüssige Finanzmittel im Bundeshaushalt müssten deshalb wie im Koalitionsvertrag vereinbart in den Wehretat umgeleitet werden.
Er appellierte an die SPD, diese Vereinbarung bei den anstehenden Haushaltsverhandlungen einzuhalten. Hahn warnte zugleich davor, den Zustand der Streitkräfte schlechterzureden als er ist. Die Bundeswehr sei keine „Schrott-Truppe“ und die Soldaten in den Auslandseinsätzen gut ausgerüstet.
Linke: Bartels redet der Aufrüstung das Wort
Der Forderung nach einer Erhöhung der Verteidigungsausgaben widersprach die Linken-Abgeordnete Christine Buchholz vehement. Sie kritisierte zudem den Wehrbeauftragten: Bartels rede in seinen Jahresberichten der Aufrüstung das Wort. Die Regierungskoalition entsende gleichzeitig die Bundeswehr in immer mehr Einsätze und rechtfertige damit höhere Ausgaben.
Die Belastung für die Soldaten in den Auslandseinsätzen lasse sich auch an der steigenden Zahl von Selbstmorden und Suizidversuchen sowie von Posttraumatischen Belastungsstörungen ablesen, sagte Buchholz.
Grüne: Auf Heterogenität der Bundeswehr-Bewerber eingehen
Dr. Tobias Lindner (Bündnis 90/Die Grünen) mahnte, dass die Bundeswehr verstärkt auf die Heterogenität ihrer Bewerber eingehen müsse. Mit dem unterschiedlichen körperlichen Leistungsvermögen der Soldaten müssten die Ausbilder unterschiedlich umgehen. Lindner spielte damit auf den sogenannten „Todesmarsch“ im Ausbildungszentrum Munster an.
Scharfe Kritik übte Lindner an der AfD. Deren Verteidigungspolitiker Jan Nolte beschäftige einen ehemaligen Bundeswehroffizier, gegen den die Bundesanwaltschaft wegen des Verdachts der Vorbereitung staatsgefährdender Gewalttaten ermittle und dem von der Verwaltung des Bundestages deshalb keine Hausausweise für den Zutritt zu den Bundestagsliegenschaften ausgestellt worden sei.
Beschluss zum Wehrbericht 2016
Den Wehrbericht 2017 überwies der Bundestag zur federführenden Beratung an den Verteidigungsausschuss. Zum Wehrbericht 2016 fasste er auf Empfehlung des Verteidigungsausschusses (19/847) bei Enthaltung der Linken folgenden Beschluss:
„Die in dem Bericht enthaltenen Empfehlungen werden – soweit sie nicht bereits erledigt sind – der Bundesregierung zur Prüfung, Erwägung und Beachtung zur Kenntnis gebracht. Die Bundesregierung wird ferner gebeten, den Jahresbericht des Wehrbeauftragten, die Stellungnahme des Bundesministeriums der Verteidigung dazu und die Ergebnisse der Beratung des Deutschen Bundestages der Truppe zugänglich zu machen. Der Deutsche Bundestag dankt dem Wehrbeauftragten und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Arbeit im Berichtsjahr. Die Bundesregierung wird gebeten, bis zum 21. Juni 2018 dem Verteidigungsausschuss über Ergebnisse und vollzogene Maßnahmen zu berichten.“ (aw/19.04.2018)