Parlament

Das Jahr 2018 im Deut­schen Bundes­tag: Er­eignisse und Be­schlüsse

Blick in das Plenum

Blick in den Plenarsaal des Deutschen Bundestages (DBT/Werner Schüring)

Wichtige Beschlüsse und historische Stunden – im Jahr 2018 war der Deutsche Bundestag mit mannigfaltigen formellen und inhaltlichen Aufgaben befasst. In der ersten Jahreshälfte bestimmten die Wahl der Bundeskanzlerin, die Konstituierung der Ausschüsse oder die Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr den parlamentarischen Betrieb.

Ab dem Sommer standen vermehrt kontroverse gesetzgeberische Diskussionen im Vordergrund; etwa jene zum Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte, zur Musterfeststellungsklage, zum Digitalpakt oder zum UN-Migrationspakt. Am 9. November wurde ein ganz besonderer Jahrestag gefeiert: 100 Jahre deutsche Demokratie.

Wahl der Bundeskanzlerin

Das erste Halbjahr 2018 war aufgrund der Bundestagswahl im vorangegangenen Jahr noch stark von formellen politischen Prozessen geprägt. Nach längeren Verhandlungsphasen bereitete die Große Koalition am 12. März 2018 den Weg für die Einsetzung der neuen Bundesregierung. 

Die Parteivorsitzenden von CDU, SPD und CSU, Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, Hamburgs damaliger Erster Bürgermeister Olaf Scholz und der frühere Ministerpräsident Horst Seehofer unterzeichneten im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages den Koalitionsvertrag für die 19. Wahlperiode. Zwei Tage später wurde Dr. Angela Merkel vom Deutschen Bundestag mit 364 von 692 Stimmen im Kanzleramt bestätigt. 

Ständige Ausschüsse konstituieren sich 

Bereits zuvor, am 31. Januar, konstituierten sich 23 ständige Ausschüsse des Bundestages und lösten damit den bis zu diesem Zeitpunkt übergangsweise eingesetzten Hauptausschuss unter der Leitung des Bundestagspräsidenten Dr. Wolfgang Schäuble auf. 

Nach der Regierungsbildung konstituierte sich als 24. ständiger Ausschuss am 25. April der Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen.

Untersuchungsausschuss zum Fall Amri

Einstimmig setzte der Bundestag am 1. März zudem einen Untersuchungsausschuss zum Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 ein. 

Der Ausschuss unter Vorsitz des Abgeordneten Armin Schuster (CDU/CSU) soll den Anschlag und seine Hintergründe aufklären und sich ein Gesamtbild vom Handeln der zuständigen Behörden verschaffen. Aufbauend auf den Untersuchungsergebnissen soll er Empfehlungen für die Arbeit der im Untersuchungsauftrag benannten Behörden sowie für die Betreuung und Unterstützung von Hinterbliebenen und Opfern solcher Anschläge entwickeln.

Gedenken an die Opfer des Holocausts

Traditionell erinnerte das Parlament mit einer Gedenkstunde im Januar an die Opfer des Nationalsozialismus. Anlässlich des 73. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz durch sowjetische Truppen kam das Parlament am 31. Januar zusammen.

Die Gedenkrede hielt in diesem Jahr die deutsch-britische Cellistin und Holocaust-Überlebende Dr. h. c. Anita Lasker-Wallfisch MBE (Member of the Order of the British Empire), die im Dezember 1943 nach Auschwitz deportiert worden war. Es gebe weder Entschuldigungen noch Erklärungen für das, was damals geschehen sei, sagte Anita Lasker-Wallfisch in ihrer Rede. Was bleibe, sei die Hoffnung, „dass letzten Endes der Verstand siegt“. 

55. Jahrestag des Élysée-Vertrags 

Noch an einen zweiten Jahrestag erinnerte der Bundestag im Januar: an das 55. Jubiläum der Unterzeichnung des Élysée-Vertrages, mit der Bundeskanzler Konrad Adenauer und der französische Staatspräsident Charles de Gaulle im Januar 1963 die deutsch-französische Freundschaft besiegelten. 

„Es ist an der Zeit zu zeigen, dass Frankreich und Deutschland nicht mehr nur ein Paar sind: Unsere beiden Länder sind eine Familie“, sagte François de Rugy, Präsident der französischen Nationalversammlung (Assemblée nationale), in seiner Ansprache vor dem Deutschen Bundestag. Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble flog am Nachmittag mit einer Delegation von Bundestagsabgeordneten nach Paris, um in einer Sitzung der Assemblée nationale ebenfalls eine Ansprache zu halten.

Zwei Enquete-Kommissionen werden eingesetzt 

Im Juni wurden schließlich mit zwei Enquete-Kommissionen zu den Sachthemen „Berufliche Bildung in der digitalen Welt“ und „Künstliche Intelligenz – Gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche, soziale und ökologische Potenziale“ zwei weitere parlamentarische Gremien eingesetzt, die am 27. September erstmals zusammentraten. 

Damit reagierte der Bundestag sowohl auf die Frage danach, wo und auf welche Weise die berufliche Bildung an die Anforderungen der digitalen Arbeitswelt angepasst werden müsste als auch auf den Diskussionsbedarf hinsichtlich der Chancen und Herausforderungen der Künstlichen Intelligenz für Gesellschaft, Staat, Wirtschaft und Umwelt. 

Bundeswehrmandate werden verlängert 

Auch eine Reihe von Mandatsverlängerungen für Bundeswehreinsätze im Ausland bestimmte den parlamentarischen Abstimmungsbetrieb in der ersten Jahreshälfte mit. So wurde im April etwa für eine Fortsetzung des Einsatzes der Bundeswehr im Rahmen der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali („Minusma“) (19/1098) votiert. 

Zugleich wurde eine weitere Beteiligung an der EU-Mission „Atalanta“ (19/1596) vor der Küste Somalias beschlossen. Ziel der Mission sind die Verhinderung und Abschreckung von Piraterie-Angriffen am Horn von Afrika sowie die Absicherung von humanitären Hilfsmaßnahmen des Welternährungsprogramms und der Afrikanischen Union in Somalia. 

Im Juni wurden schließlich weitere Bundeswehrmandate verlängert: etwa die Beteiligung an der EU-Operation „Sophia“ (EUNAVFOR MED) (19/2581) im Kampf gegen Schleuser im Mittelmeer, an der Unifil-Mission (United Nations Interim Force in Lebanon) (19/2383) vor der libanesischen Küste oder an der internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo (KFOR) (19/2384).

Beschluss über Familiennachzug

Zum Ende der ersten Jahreshälfte stimmte der Bundestag im Juni dem Gesetzentwurf der Bundesregierung über den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte zu (19/243819/2702). 

Der Entwurf der Regierung sah vor, den damals ausgesetzten Nachzug ausländischer Mitglieder der Kernfamilie – Ehepartner, Eltern minderjähriger Kinder und ledige minderjährige Kinder – zu subsidiär, also eingeschränkt Schutzberechtigten aus humanitären Gründen ab Anfang August dieses Jahres für 1.000 Personen pro Monat zu gewähren. 

Musterfeststellungsklage 

Für viel Diskussion sowohl innerhalb des Parlaments als auch in der Öffentlichkeit sorgte die Einführung von Musterfeststellungsklagen im Zivilprozessrecht (19/2439, 19/2701), für die der Bundestag ebenfalls im Juni votierte. 

Durch das Gesetz soll die Rechtsdurchsetzung für Verbraucher verbessert werden. Mit dem Rechtsschutzinstrument für von Anbietern geschädigte Verbraucher sollen eingetragene Verbraucherverbände die Möglichkeit erhalten, zugunsten von mindestens zehn Verbrauchern das Vorliegen anspruchsbegründender Voraussetzungen feststellen zu lassen. 

Das Musterfeststellungsurteil soll darüber hinaus eine Bindungswirkung für nachfolgende Klagen der Verbraucher entfalten. Angesichts des erforderlichen hohen Aufwands im Einzelfall sähen Betroffene oft von einer Klage ab, und der unrechtmäßig erlangte Gewinn verbleibe bei dem Anbieter, hieß es zur Begründung im Entwurf. 

Jahrestagung der OSZE im Reichstagsgebäude

Rund 300 Abgeordnete aus 57 Mitgliedstaaten kamen vom 7. bis 11. Juli zur 27. Jahrestagung der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zusammen.

Unter dem übergeordneten Thema der Tagung „Umsetzung der OSZE-Verpflichtungen: Die Rolle der Parlamente“ beschäftigte sich die Versammlung in den drei Allgemeinen Ausschüssen mit den Schwerpunkten „politische Angelegenheiten und Sicherheit“, „Wirtschaft, Wissenschaft, Technologie und Umwelt“ sowie „Demokratie, Menschenrechte und humanitäre Fragen“.

Die Eröffnungs- sowie die Plenarsitzungen der Parlamentarischen Versammlung fanden im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes statt.

Zwei verabschiedete Haushalte 

Zu den Besonderheiten des ausklingenden Jahres gehörte, dass der Deutsche Bundestag gleich zweimal von seinem Budgetrecht Gebrauch machte und sowohl den Haushalt für das laufende als auch für das kommende Jahr verabschiedete. 

In der letzten Sitzung vor der Sommerpause verabschiedeten die Abgeordneten die Etats für 2018. In der unmittelbar folgenden Sitzungswoche nach der Sommerpause im September gingen dann die Haushaltspläne für 2019 in die erste Lesung. Beschlossen wurden die Etats für das kommende Haushaltsjahr Ende November diesen Jahres.

Aktuelle Stunde: Ausschreitungen in Chemnitz

In der zweiten Jahreshälfte bestimmten weitere prominente Debatten und Beschlüsse das parlamentarische Geschehen. Die rechtsextremistischen Ausschreitungen in Chemnitz und der Umgang der Regierungskoalition mit den umstrittenen Äußerungen des damaligen Verfassungsschutzpräsidenten Dr. Hans-Georg Maaßen zu den Vorfällen haben am 27. September im Bundestag zu einer heftigen Kontroverse geführt. 

Während der AfD-Abgeordnete Dr. Gottfried Curio in einer von seiner Fraktion beantragten Aktuellen Stunde Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel vorwarf, sie diffamiere „lieber zu Recht empörte Demonstranten, als die Gewalttaten zu verhindern, derentwegen demonstriert wird“, verurteilten Vertreter anderer Fraktionen scharf die Übergriffe in der sächsischen Stadt nach der mutmaßlich von Migranten verübten Tötung eines 35-Jährigen. 

Teilhabechancengesetz 

Im Herbst und Spätherbst spielten unter anderem arbeits- und sozialpolitische Fragen eine zentrale Rolle. So beschloss der Bundestag im November den Entwurf der Bundesregierung zum Teilhabechancengesetz (19/4725), mit dem „neue Teilhabechancen für Langzeitarbeitslose auf dem allgemeinen und dem sozialen Arbeitsmarkt geschaffen“ werden sollen.

Durch die Einführung eines neuen Instruments („Teilhabe am Arbeitsmarkt“) in das SGB II (Zweites Buch Sozialgesetzbuch) sollen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen von „sehr arbeitsmarktfernen Personen“ mit Lohnkostenzuschüssen gefördert werden.  

Gesetz zur Stabilisierung der gesetzlichen Rentenversicherung 

Ein weiterer sozialpolitischer Beschluss betraf das Thema Rente. Der Bundestag stimmte im November für einen Gesetzentwurf der Bundesregierung über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung (19/466819/5412).  

Bis 2025 soll das Rentenniveau laut dem Entwurf nicht unter 48 Prozent sinken und der Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigen. Zugleich verpflichtet sich der Bund, zusätzlich zu den ohnehin steigenden Bundesmitteln, in den Jahren 2022 bis 2025 zu Sonderzahlungen in Höhe von 500 Millionen Euro jährlich.

Reformen in der Pflege

In der Gesundheitspolitik nahm besonders das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (19/5593), das der Bundestag im November annahm, eine prominente Stellung ein. 

Durch das Gesetz sollen in der stationären Altenpflege 13.000 neue Stellen geschaffen und finanziert werden. Je nach Größe sollen die Pflegeeinrichtungen zwischen einer halben und zwei Pflegestellen zusätzlich erhalten. Zudem wird ab 2020 erstmals in Kliniken ein sogenannter Pflegepersonalquotient ermittelt, der das Verhältnis der Pflegekräfte zum Pflegeaufwand beschreibt. So soll eine Mindestpersonalausstattung erreicht werden. 

UN-Migrationspakt 

Für viel Diskussion sorgte Ende November ein besonders kontrovers debattiertes Thema: der UN-Migrationspakt. Der „Globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ (GCM) sei ein Beitrag zu Ordnung, Steuerung und Begrenzung von Migration sowie zum Schutz der Rechte von Migranten, heißt es in einem Antrag der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD (19/6056), der im Bundestag eine Mehrheit fand. 

Damit stellte sich der Bundestag auf eine Linie mit den Vereinten Nationen, die den Pakt am 10. Dezember in Marrakesch annahmen. 

Digitalpakt Schule 

Mit großer Mehrheit verabschiedete der Bundestag von der Bundesregierung eingebrachte Änderungen der Finanzverfassung des Grundgesetzes (19/3440), durch die der Bund künftig Länder und Kommunen im Bildungsbereich sowie beim sozialen Wohnungsbau umfassender mit Finanzhilfen unterstützen kann. 

Zudem wurde die Errichtung eines Sondervermögens „Digitale Infrastruktur“ des Bundes (19/4720) beschlossen. Über dieses Sondervermögen soll der „Digitalpakt Schule“ umgesetzt werden, der die Förderung von Investitionen in die digitale Infrastruktur sowie die Gewährung von Finanzhilfen an die Länder vorsieht. 

Gegenwind erfuhr der Beschluss aus der Länderkammer, die die Grundgesetzänderung ablehnte. Am 14. Dezember rief sie daher nach einstimmigem Beschluss und erstmalig in diesem Jahr den Vermittlungsausschuss an.

100 Jahre deutsche Demokratie

Am 9. November wurde im Plenarsaal des Bundestages eines ganz besonderen Datums in der deutschen Demokratiegeschichte gedacht. „Ich wünsche mir“, so sagte Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier in seiner Rede, „dass heute, an ihrem 100. Geburtstag, möglichst viele Menschen in unserem Land dem Wert der parlamentarischen Demokratie nicht nur nachspüren – sondern, dass sie daraus die Kraft schöpfen, den Mut fassen, sich in und für diese Demokratie zu engagieren“. 

Der Schauspieler Ulrich Matthes trug im Rahmen des Festakts die spontan gehaltene Ansprache Philipp Scheidemanns vom Fenster des Reichstagsgebäudes vor, in der er am 9. November 1918 die „deutsche Republik“ ausgerufen hatte. 

Befragung der Kanzlerin 

In der letzten Sitzungswoche des Jahres stand die Bundeskanzlerin zum zweiten Mal in diesem Jahr den Abgeordneten des Bundestages Rede und Antwort. Das neue parlamentarische Format, das vorsieht, dass die Kanzlerin selbst halbjährlich zur Befragung der Bundesregierung erscheint, wurde mit den Koalitionsverhandlungen im Februar eingeführt. 

Bei der zweiten Befragung im Dezember ging es vor allem um auswärtige Politik – im Speziellen um den G20-Gipfel in Buenos Aires am 30. November und 1. Dezember und den nahenden Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. (ste/17.12.2018)

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