Parlament

Andrea aus Kroatien: Kein Platz für die alten Ressen­timents

Ein Mann mittleren Alters und eine junge Frau gehen über die Brücke im Paul-Löbe-Haus des Bundestages.

Der CDU-Abgeordnete Christian Haase aus dem westfälischen Beverungen mit IPS-Stipendiatin Andrea Kristić aus dem kroatischen Vinkovci im Paul-Löbe-Haus des Bundestages (DBT/photothek)

Schon seit Beginn seiner Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter im Jahr 2013 engagiert sich Christian Haase (CDU/CSU) für das Internationale Parlamentsstipendium (IPS), das politisch interessierten jungen Leuten aus vielen verschiedenen Ländern die Chance gibt, den Bundestag und die parlamentarischen Abläufe in Deutschland besser kennenzulernen. Und ihm wiederum Jahr für Jahr neue Erkenntnisse über Deutschland beschert. „Ja, man lernt durch den Blick von außen viel über sein eigenes Land“, sagt der CDU-Politiker aus dem Kreis Höxter in Nordrhein-Westfalen. Einen „destruktiven Blick“ hätten die Deutschen vielfach, nach dem Motto: Morgen geht bestimmt die Welt unter. „Da tut die positive, optimistische Sicht der Stipendiaten ganz gut“, findet er. Haase sieht es als eine Ehre an, wenn junge Leute aus vielen Ländern sagen: Wir wollen zu euch kommen und etwas von euch lernen.

„Deutschland ist in vielen Sachen unser Vorbild“

Diese Ehre erfährt der Unionsabgeordnete in diesem Jahr durch Andrea Kristić aus Kroatien. Die 25-Jährige absolviert das Praktikum im Rahmen des IPS in Haases Abgeordnetenbüro. Sie schaue auf Deutschland mit dem vergleichenden Blick, sagt sie. „Ich schaue, was bei uns gut läuft und was hier vielleicht besser ist.“ Denn eines ist klar: „Deutschland ist in vielen Sachen unser Vorbild“, sagt die Kroatin, die hervorragend Deutsch spricht – nicht zuletzt weil sie Deutsch als erste Fremdsprache in der Schule gelernt und später Germanistik studiert hat.

Ihrem Heimatland, das 2013 als bislang letzter Staat der EU beigetreten ist, attestiert sie ein großes Potenzial, auch wenn noch viel zu tun sei. Viele junge Leute seien von den ausbleibenden Verbesserungen im Land zwar enttäuscht und gingen weg – „unter anderem nach Deutschland“. Es gebe aber auch in Kroatien selbst noch sehr viel Positives, „sodass es sich lohnt, dort zu leben“.

Sie selbst sieht ihre Zukunft auch in Kroatien. „Das, was ich hier gelernt und gesehen habe, möchte ich gerne auf die eine oder andere Weise für mein Land einsetzen“, sagt Andrea Kristić. Bevorzugt bei einer Tätigkeit für das Außenministerium, fügt sie hinzu.

„Leute wie Andrea sollten Führungspositionen einnehmen“

Haase macht ihr dafür Mut. „Für mich sind es Leute wie Andrea, die in Ländern wie Kroatien künftig Führungspositionen einnehmen sollten. Und nicht jene, die sich schon seit 1990 quasi die Posten weitervererben“, sagt der Abgeordnete. Seine Stipendiatin räumt ein, dass es durchaus schwierig sei, sich gegen die alten Strukturen durchzusetzen. „Man kann es aber schaffen, wenn man den richtigen Willen hat“, ist sie überzeugt.

Zurzeit hat sie den Willen, möglichst viel an Wissen anzuhäufen, neue Erfahrungen zu sammeln und spannende Menschen kennenzulernen. Gerade für Letzteres sei das IPS mit seinen 119 Teilnehmern aus 37 Ländern wie gemacht. Die Stimmung unter den Stipendiaten ist gut, erzählt sie. „Wir sind alle jung, gut ausgebildet und offen für anderes. Da ist gar kein Platz für die alten Ressentiments.“

Ein bisschen wie in der Heimat

Was die Erfahrungen angeht, so sind die in Berlin gesammelten andere als jene in Haases Wahlkreis Höxter und seiner Heimatstadt Beverungen, die von der Größe her ihrer Heimatstadt Vinkovci im Osten Kroatiens – unweit der serbischen, der bosnischen und der ungarischen Grenze – ähnelt. „Da läuft das Leben ähnlich dem bei uns zuhause“, sagt sie.

Und doch ist ihr ein Unterschied aufgefallen: Kroatien sei sehr zentralistisch. Die kleineren Städte und dörflichen Gemeinden abseits von der Hauptstadt Zagreb wirkten vielfach ein wenig abgehangen, sagt Andrea Kristić. Nicht so im Kreis Höxter. Mit einer geringen Einwohnerdichte ausgestattet und durchaus ländlich geprägt, fänden sich einige sehr gutgehende Unternehmen, „hidden champions“, in seinem Wahlkreis, betont Haase. „Das Leben bei uns läuft ganz anders als in Berlin“, sagt er, und man spürt seine Sehnsucht nach der Heimat. Nahezu familiär sei es dort: „Irgendwie kennt da jeder jeden.“

Beginnende Stadtflucht

Dennoch hat man den Eindruck, dass es nach wie vor die meisten Menschen in die Metropolen zieht. Oder etwa nicht? Haase, nicht nur Mitglied im Haushaltsausschuss, sondern auch Vorsitzender der Arbeitsgruppe Kommunalpolitik in seiner Fraktion, widerspricht. „Wir erleben eher eine beginnende Stadtflucht“, sagt er. Das habe mit der Sehnsucht nach perfekter Natur und funktionierenden Verhältnissen auf dem Land zu tun. Aber auch mit zu teuren Wohnungen und zu viel Verkehr in der Stadt. Eine bessere Vernetzung zwischen städtischen und ländlichen Räumen wünscht sich der CDU-Politiker. „Wenn es möglich ist, innerhalb von anderthalb Stunden eine Metropole zu erreichen, ist es im Grunde egal, wo ich wohne“, sagt er.

Vom Kreis Höxter nach Berlin ist und bleibt es aber ziemlich weit. Sieht so aus, als müsste Christian Haase auch zukünftig zwischen dem hektischen Berlin und der ländlichen ostwestfälischen Heimat pendeln. (hau/18.06.2019)

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