Parlament

Abschließende Beratungen ohne Aussprache

Ohne Debatte hat der Bundestag am Donnerstag, 20. Oktober 2022, über eine Reihe von Vorlagen abgestimmt: 

Elektronikgeräte: Mit der breiten Mehrheit von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke bei Stimmenthaltung der AfD wurde der Entwurf der Bundesregierung zur Änderung des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes (20/3821) angenommen, zu dem der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz eine Beschlussempfehlung abgegeben hat (20/4082). Der Ausschuss hatte zuvor noch Änderungen am Gesetz vorgenommen. Die Übergangsfrist für die nach dem Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) ab 1. Januar 2023 geltende Prüfpflicht für Onlinemarktplätze und Fulfilment-Dienstleister soll um sechs Monate bis zum 1. Juni 2023 verlängert werden. Die Anpassungen, die der Ausschuss auf Antrag der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP mit Koalitionsmehrheit annahm, betreffen nicht nur das ElektroG, sondern auch die Entsorgungsfachbetriebeverordnung sowie das Bundesnaturschutzgesetz. Somit ändert sich der Titel des Gesetzentwurfes der Bundesregierung. Er lautet nun: Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes, der Entsorgungsfachbetriebeverordnung und des Bundesnaturschutzgesetzes. Hintergrund der Gesetzesänderung sind der Bundesregierung zufolge Kapazitätsengpässe bei der zuständigen Behörde, der „stiftung elektro-altgeräte register“. Sie ist Ansprechpartnerin für Onlinemarktplätze und Fulfilment-Dienstleister, die eigentlich nach dem ElektroG die ordnungsgemäße Registrierung von Elektro- und Elektronikgeräte-Herstellern überprüfen müssen. Letztere hatten sich bereits seit Inkrafttreten des neuen ElektroG bei der ear zu registrieren, bevor sie Geräte in Verkehr bringen. Im Vorfeld des Inkrafttretens der Prüfpflicht war es dann zu einem starken Anstieg der Benennungen und Registrierungen gekommen, schreibt die Bundesregierung zur Begründung der geplanten verlängerten Übergangsfrist.

Abgesetzt: Finanzausgleich: Von der Tagesordnung abgesetzt wurde die Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes, des Stabilitätsratsgesetzes sowie weiterer Gesetze (20/3446, 20/3711, 20/3785 Nr. 3). Hierzu wurde eine Beschlussempfehlung und ein Bericht des Haushaltsausschusses erwartet. Der Gesetzentwurf sieht vor, im Rahmen des Paktes für den Rechtsstaat den Ländern durch den Bund über eine Verringerung des Umsatzsteueranteils des Bundes im Jahr 2022 weitere 110 Millionen Euro zukommen zu lassen. 2019 waren den Ländern bereits 110 Millionen Euro zur Verfügung gestellt worden, um rund 2.000 Stellen für Richter und Staatsanwälte zu schaffen. Inzwischen seien 2715,85 Stellen besetzt worden. Weitere 350 Millionen Euro werden über eine Verringerung des Bundesanteils an der Umsatzsteuer den Ländern im Rahmen des Pakts für öffentlichen Gesundheitsdienst zur Verfügung gestellt. Die vereinbarten Voraussetzungen seien durch die Länder geschaffen worden. Änderungen im Rahmen dieses Gesetzes betreffen außerdem flüchtlingsbezogene Kosten der Länder sowie eine Teilkompensation der Mindereinnahmen der Länder durch den Kinderbonus im Steuerentlastungsgesetz 2022. Änderungen erfolgen auch im Rahmen der sogenannten Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen. Der Bundesrat bittet in seiner Stellungnahme unter anderem um zügige Anschlussregelungen für die kommenden Jahre. 

Migration: Der Bundestag auf der Grundlage einer Beschlussempfehlung und eines Berichts des Ausschusses für Inneres und Heimat (20/1320) einen Antrag der AfD mit dem Titel „Massenmigration über Polen mit grenzpolizeilichen Maßnahmen rechtzeitig verhindern und nachhaltige Abwehrmaßnahmen sicherstellen“ (20/86) abgelehnt. Die Vorlage fand gegen die Stimmen von SPD, CDU/CSU, Grüne, FDP und Linke bei Zustimmung durch die AfD keine Mehrheit. Die Fraktion fordert die Bundesregierung auf, weitergehende Verhandlungen mit der polnischen Regierung aufzunehmen, um bei Bedarf logistische Unterstützung zur Errichtung oder Verstärkung von Grenzschutzanlagen „an den gefährdeten Grenzabschnitten Polens zu Belarus anzubieten“. Ferner soll die Bundesregierung nach dem Willen der Fraktion solche Unterstützungsleistungen auch Litauen und Lettland anbieten. Auch wird die Bundesregierung in der Vorlage aufgefordert, zur Lagestabilisierung und Verhinderung weiterer illegaler Grenzübertritte nach Deutschland temporäre Grenzkontrollen zur Sicherung der deutsch-polnischen Grenze einzuführen. Zudem soll sie dem Antrag zufolge „durch Erklärungen und deren gezielter Verbreitung unter den von Belarus über Polen einreisenden Migranten in deren Landessprachen“ deutlich machen, „dass keine illegale Einwanderung zugelassen wird und dass Asylanträge aufgrund der gewählten Einreiseroute über Belarus und Polen keine Aussicht auf Erfolg haben“. Des weiteren fordert die Fraktion, bis zur Entspannung der Lage an der deutsch-polnischen Grenze auf der Internetseite des Bundesinnenministeriums tägliche Lageberichte zur Entwicklung der illegal Einreisenden von Polen nach Deutschland zu veröffentlichen. Darüber hinaus dringt sie unter anderem darauf, innerhalb der Bundespolizei eine europaweit einsetzbare und mit modernster Technik ausgestattete „Spezialgrenzsicherungseinheit“ aufzubauen, um andere europäische Mitgliedstaaten ohne langwierige Entscheidungsprozesse auf EU-Ebene schneller in einem bilateralen Prozess kurzfristig besser unterstützen zu können.

Schweinehaltung: Keine Mehrheit auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (20/1099) fand ein Antrag der AfD mit dem Titel „Deutsche Schweinehaltung retten“ (20/702). Die Vorlage wurde mit den Stimmen von SPD, CDU/CDU, Grüne, FDP und Linke gegen das Votum der AfD abgelehnt. Darin hat die Fraktion gefordert, dass die Corona-Überbrückungshilfen „unverzüglich und unbürokratisch“ bei den Betrieben ankommen und den Betrieben weiterhin den Zugang zu Corona-Hilfen ermöglicht wird. Außerdem solle die Regierung sich mit Nachdruck bei der Europäischen Kommission dafür einsetzen, dass schweinehaltende Betriebe, die von der Afrikanischen Schweinepest (ASP) betroffen sind, beihilfekonform finanziell unterstützt werden dürfen. 

Afrikanische Schweinepest: Ebenfalls auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (20/3770) mit breiter Mehrheit der Fraktionen des Bundestages gegen die Antragsteller abgelehnt hat das Parlament einen Antrag der AfD, in dem die Fraktion die Bundesregierung dazu auffordert, „ganzheitliche Ansätze zur Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest zusammenführen“ (20/3270). Die Fraktion verlangt, die Bundesregierung solle den „Zentralen Krisenstab Tierseuchen“ unterstützen, damit die ständig zu erweiternde Umzäunung der Gefährdungszonen zur Afrikanischen Schweinepest (ASP) mit ausreichend Material und mehr Personal ausgebaut werden könne. Zudem solle der Bund die entstehenden Kosten für Zaunbau, Instandhaltung sowie die Bejagung im Rahmen der Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest kofinanzieren. Außerdem seien die Bundesländer mit Bundesmitteln zur Bekämpfung der ASP stärker zu unterstützen.

Petitionen: Darüber hinaus hat das Parlament über 17 Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses zu Petitionen abgestimmt, die beim Bundestag eingegangen und vom Petitionsausschuss beraten worden sind. Es handelt sich um die Sammelübersichten 176 bis 192 (20/3956, 20/3957, 20/3958, 20/3959, 20/3960, 20/3961, 20/3962, 20/3963, 20/3964, 20/3965, 20/3966, 20/3967, 20/3968, 20/3969, 20/3970, 20/3971, 20/3972). 

Reform des Wahlprüfungsverfahrens 

Darunter befindet sich auch eine Petition mit der Forderung nach einer Reform des Wahlprüfungsverfahrens bei Bundestagswahlen.

Verlangt wird, dass die erste Stufe der Wahlprüfung durch den Bundestag durch ein unabhängiges Wahlprüfungsgericht ersetzt wird, dieses bereits im Vorfeld der Wahl angerufen werden kann und kurze Entscheidungsfristen für das Wahlprüfungsverfahren eingeführt werden. 

Petent: Derzeitiges Wahlprüfungsrecht mangelhaft

Das derzeitige Wahlprüfungsrecht bei Bundestagswahlen sei mit Mängeln behaftet und werde dem Erfordernis einer möglichst effektiven Wahlprüfung nicht gerecht, heißt es in der Eingabe. Unter dem Gesichtspunkt einer Interessenkollision erscheine bereits der Umstand problematisch, dass in der ersten Stufe der Bundestag, dessen Wahl angefochten werde, zur Entscheidung berufen sei.

Außerdem sei das derzeitige Wahlprüfungsrecht als Recht der nachträglichen Kontrolle ausgestaltet. Das führe dazu, „dass die Wahl erst mit Mängeln durchgeführt worden sein muss, statt durch vorbeugenden Rechtsschutz solche Mängel im vorhinein zu vermeiden“.

Zweithöchstes Überweisungsvotum „zur Erwägung“

Die vom Petitionsausschuss vorgelegte Beschlussempfehlung sieht nun vor, die Petition dem Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) mit dem zweithöchsten Votum „zur Erwägung“ zu überweisen.

Gleichzeitig solle sie den Fraktionen des Bundestages zur Kenntnis gegeben und dem Abgeordnetenhaus von Berlin zugeleitet werden. Den Verfahrensgrundsätzen des Petitionsausschusses zu Folge bedeutet die Erwägungsüberweisung, dass die Petition „Anlass zu einem Ersuchen an die Bundesregierung gibt, das Anliegen noch einmal zu überprüfen und nach Möglichkeiten der Abhilfe zu suchen“. 

Bundesinnenministerium lehnt Vorschläge ab

In der Begründung zur Beschlussempfehlung des Ausschusses wird auf eine Stellungnahme des BMI verwiesen, in der das Ministerium die Vorschläge überwiegend ablehnt. Aus Sicht des BMI wird beispielsweise die in der Petition in Frage gestellte Unabhängigkeit des Wahlprüfungsverfahrens dadurch gewährleistet, dass die Entscheidung des Bundestages über einen Wahleinspruch der Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht unterliege. Dessen Entscheidung sei letztverbindlich auch für den Bundestag, sodass garantiert sei, dass die Wahlprüfung unabhängig von aktuellen politischen Mehrheiten ergehe. Für die Einrichtung eines Wahlprüfungsgerichtes anstelle des Wahlprüfungsausschusses bestehe daher nach dem Dafürhalten des BMI kein Bedürfnis. 

Auch dem Vorschlag, Entscheidungsfristen im Wahlprüfungsverfahren einzuführen, um die Verfahrensdauer zu begrenzen, sei nicht zuzustimmen, teilt das Ministerium mit. Die Verfahren hätten in der Vergangenheit nicht derart lange gedauert haben, dass dies in Betracht gezogen werden müsse.

Petitionsausschuss sieht Reformbedarf 

Der Petitionsausschuss macht jedoch darauf aufmerksam, dass die Ereignisse und schwerwiegenden Fehler, die bei der Bundestagswahl 2021 im Land Berlin aufgetreten seien, gezeigt hätten, „wie dysfunktional und mit Interessenkonflikten behaftet das derzeit bestehende Wahlprüfungsverfahren ist“.

Angesichts des hohen Stellenwertes, den der Ausschuss den Bundestagswahlen im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat beimisst, hält er die derzeit geltende Rechtslage für nicht angemessen und sieht Reformbedarf im Hinblick auf das Wahlprüfungsverfahren bei Bundestagswahlen – „auch, um das Vertrauen in die Demokratie wiederherzustellen“, heißt es in der Beschlussempfehlung. 

(ste/hau/irs/20.10.2022)