Eine Mehrheit der Abgeordneten im Bundestag stellt sich hinter den „Globalen Pakt für eine sichere, geordneten und reguläre Migration“ (GCM), der im Dezember im Rahmen der Vereinten Nationen beschlossen werden soll. Der Pakt sei ein Beitrag zu Ordnung, Steuerung und Begrenzung von Migration sowie zum Schutz der Rechte von Migranten, heißt es in einem Antrag der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD (19/6056), über den auf Wunsch der AfD-Fraktion am Donnerstag, 29. November 2018, namentlich abgestimmt wurde: 372 Abgeordnete votierten dafür, 153 stimmten dagegen, es gab 141 Enthaltungen.
Antrag von CDU/CSU und SPD
Im Antrag wird die Bundesregierung unter anderem aufgefordert, sicherzustellen, dass durch den Pakt „die nationale Souveränität und das Recht Deutschlands, über seine Migrationspolitik selbst zu bestimmen, nicht beeinträchtigt“ und keine nationalen Hoheitsrechte übertragen werden. „Dazu gehört, zu gewährleisten, dass durch den GCM keinerlei deutsche Regelungen eingeschränkt oder ausgeweitet werden.“
Die Bundesregierung solle dafür eintreten, „dass andere Staaten – insbesondere diejenigen, aus denen ein besonderer Migrationsdruck nach Europa und Deutschland entsteht – Mindeststandards für Migranten und Migrantinnen etablieren und gewährleisten, um hierdurch auch den Migrationsdruck nach Europa und Deutschland zu reduzieren“. Es solle zudem weiterhin „klar und stringent zwischen legaler und illegaler Migration“ unterschieden werden.
Minister setzt auf multilaterale Zusammenarbeit
Außenminister Heiko Maas (SPD) nannte den Pakt einen „mutiges und ermutigendes Zeichen“ für die multilaterale Zusammenarbeit. „Migration ist ihrem Wesen nach global. Sie steuern und regulieren zu wollen, liegt in unserem ureigenen Interesse.“ Für globale Herausforderungen seien nationale Maßnahmen nicht ausreichend. Der Pakt folge dem Leitprinzip, Fluchtursachen abzubauen und damit irreguläre Migration zu minimieren.
Maas wandte sich gegen eine Kritik, die das Gegenteil behaupte und suggeriere, der Pakt solle eine Masseneinwanderung nach Deutschland in Gang setzen. „Nationale Hoheitsrechte werden weder eingeschränkt, noch irgendwohin übertragen.“
AfD: Der Pakt spricht den Zielländern nur Pflichten zu
Dr. Gottfried Curio (AfD) bezeichnete den Pakt hingegen als „trojanisches Pferd“ und „verantwortungslose Einladung zur weltweiten Völkerwanderung nach Deutschland ohne Obergrenze“. Migration sei nicht wie im Pakt dargestellt „Quelle von Wohlstand“, sondern von „Gewalt, Chaos und Verdrängung“. „Humanitär ist an Migration nichts.“ Curio kritisierte, dass in dem Abkommen die Unterscheidung zwischen legaler Einreise und illegalem Grenzübertritt aufgelöst werde.
Der Pakt spreche den Zielländern nur Pflichten zu, den Migranten nur Rechte. Während in Deutschland der Rentensatz ins Bodenlose falle, sollen Millionen Migranten Zugang zu den Sozialsystem bekommen, ohne in diese je eingezahlt zu haben. „Wer diesen Pakt unterschreibt, gehört abgewählt.“
CDU/CSU: Souveränität steht nicht zur Disposition
Andrea Lindholz (CDU/CSU) unterstrich, dass es mit dem Pakt darum gehe, Migration zu steuern, zu ordnen und zu begrenzen. „Unsere nationale Souveränität steht nicht zur Disposition, heute nicht, morgen nicht und nicht durch diesen Pakt.“ Der Antrag der Koalitionsfraktion habe zudem eine viel weitreichendere Wirkung als eine von der AfD geforderte deutsche Protokollerklärung bei den Vereinten Nationen zur rechtlichen Unverbindlichkeit.
Der Gesetzgeber signalisiere damit, was er vom Pakt erwartet. Es sei zudem „Augenwischerei“, wenn Regierungen wie die österreichische behaupteten, aus dem Pakt auszutreten: Für das Inkrafttreten des Abkommens reiche eine einfache Mehrheit der Mitglieder der Vereinten Nationen. Austreten könne nur, wer auch aus den Vereinten Nationen austrete.
FDP: Pakt ist rechtlich nicht verbindlich
Stephan Thomae (FDP) kritisierte, dass die Bundesregierung nicht früher und umfangreicher über den Pakt informiert habe. Die Folge sei, dass „Populisten von rechts und links“ mit Halbwahrheiten und Verunglimpfungen leichte Hand hätten.
Thomae wandte sich insbesondere gegen ein Argument der AfD, mit dem Pakt solle „eine Art Völkergewohnheitsrecht“ entstehen. Dieses entstehe jedoch nur bei übereinstimmender Rechtspraxis und in der gemeinsamen Überzeugung einer rechtlichen Verbindlichkeit. Im Migrationspakt stehe ausdrücklich, dass dieser rechtlich nicht verbindlich sei. „Man kann es nicht klarer sagen.“
Linke fordert Einschränkung von Rüstungsexporten
Petra Pau (Die Linke) argumentierte, dass weltweite Herausforderungen nur global gelöst werden könnten. „Wer meint, auf globale Fragen könne man national borniert antworten, der hat entweder die Zeichen der Zeit nicht verstanden oder der schlafwandelt im Gestern.“
Kein Staat verliere durch den Pakt seine Hoheit, „keine Grenze wird abgeschafft, kein Migrant geschleust“, sagte Pau. Wer anderes behaupte, täusche die Öffentlichkeit. Die Linke setze sich dafür ein, den Pakt umfassender zu machen: Dazu gehöre etwa Einschränkung von Rüstungsexporten und Verhinderung von Missbrauch von Migranten in der Arbeitswelt.
Grüne: Menschenschmuggel unterbinden
Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen) erinnerte daran, dass in den vergangenen Jahrhunderten auch Deutsche ihr Zuhause verlassen haben, um ihr Glück anderswo zu suchen. „Es gab, es gibt und wird immer Migration geben.“ Es gehe für die Politik darum, aus dieser Realität „das Bestmögliche für alle“ zu machen. Das sei auch die Idee des Paktes, der das Ziel verfolge, Menschenschmuggel zu unterbinden und Menschenrechte von Migranten zu schützen.
Nationale Abschottung, wie sie US-Präsident Donald Trump mit Mauern, Tränengas und „Kindern in Käfigen“ an der Grenze zu Mexiko praktiziere, sei nicht nur unmenschlich, sondern zeige vor allem, dass das „null funktioniert“.
Anträge der FDP und der Grünen abgelehnt
Abgelehnt wurde mit der Mehrheit der übrigen Fraktionen auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Heimat (19/6100) ein Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Geordnete Zuwanderung erfordert mehr als den UN-Migrationspakt – Entwurf eines Einwanderungsgesetzbuches vorlegen“ (19/5534). Die FDP forderte in ihrem Antrag die Bundesregierung auf, den Entwurf eines Einwanderungsgesetzbuches vorzulegen und gegenüber allen EU-Mitgliedstaaten für eine Zustimmung zum UN-Migrationspakt zu werben.
Ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Umsetzung des Global Compact for Migration – Globale Standards für die Rechte von Migrantinen und Migranten stärken“ (19/5547) fand ebenfalls keine Mehrheit. CDU/CSU, SPD und AfD lehnten ihn bei Enthaltung der Linken und der AfD ab. Der Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses (19/6141) zugrunde. Die Grünen riefen in ihrem Antrag die Regierung dazu auf, in Marrakesch für die Annahme zu stimmen und auf dem Gipfel auf höchster politischer Ebene vertreten zu sein, um ein starkes Signal für die Wichtigkeit dieses multilateralen Prozesses zu setzen.
Antrag der Linken abgelehnt
Direkt abgelehnt wurde auch ein Antrag der Linksfraktion mit dem Titel „Völkerrechtliche Standards durch den Global Compact for Migration wahren – International Rechte für Migrantinnen und Migranten stärken“ (19/6101). Die Grünen unterstützten ihn, die übrigen Fraktionen votierten dagegen. Die Regierung sollte darin aufgefordert werden, für die Annahme des Paktes zu stimmen, sich aber gleichzeitig für die Beseitigung von Defiziten einzusetzen.
So sollten konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung von Flucht- und Migrationsursachen aufgenommen werden. Als Ziel sollte auch das Recht aufgenommen werden, nicht migrieren zu müssen. Ebenso sollte sich Migration in den Zielländern nicht einseitig an den Interessen der Konzerne und Arbeitgeberverbände ausrichten. (ahe/29.11.2018)