Der Bundestag hat am Donnerstag, 14. März 2019, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Novellierung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (19/6335, 19/6927) in der vom Umweltausschuss geänderten Fassung (19/8257) angenommen. In namentlicher Abstimmung votierten 458 Abgeordnete für, 118 Abgeordnete gegen die Regierungsvorlage, die darauf abzielt, Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge wegen Überschreitung der Stickstoffdioxid-Grenzwerte einzuschränken. Es gab 72 Enthaltungen. In zweiter Beratung hatten sich die Koalitionsfraktionen und die AfD dafür ausgesprochen, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen dagegen, während die FDP sich enthalten hatte.
Regierung will Fahrverbote einschränken
Mit der Novelle des Bundes-Immissionsschutzgesetzes will die Bundesregierung mögliche Fahrverbote aufgrund der Überschreitung des EU-Grenzwertes für Stickstoffdioxid einschränken. Sie sollen künftig in der Regel nur dann in Erwägung gezogen werden können, wenn in den betroffenen Gebieten ein Jahresmittelwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft überschritten wird. Der EU-Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft.
Zudem sollen Kraftfahrzeuge der Schadstoffklassen Euro 6 sowie Euro VI, bestimmte Euro- 4- und Euro-5-Fahrzeuge sowie unter bestimmten Bedingungen nachgerüstete Busse, schwere Kommunalfahrzeuge und Handwerker- und Lieferfahrzeuge (2,8 bis 7,8 Tonnen) von den Verkehrsverboten ausgenommen werden.
Änderungen am Regierungsentwurf
Die vom Umweltausschuss auf Antrag der Koalitionsfraktionen vorgeschlagenen Änderungen beziehen sich vor allem auf Klarstellungen bei den Ausnahmen. So sollen auch schwere Fahrzeuge (ab 3,5 Tonnen) der privaten Entsorgungswirtschaft bundesweit einheitlich von Verkehrsverboten ausgenommen werden, wenn sie eine Allgemeine Betriebserlaubnis für ein Stickstoffdioxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung haben und dieses die technischen Anforderungen für eine finanzielle Förderung des Bundes erfüllt. Die Ergänzung bezieht sich auf Abfallbeförderungen durch private Entsorgungsunternehmen ohne Beauftragung der Kommunen sowie die Beförderung von Verpackungsabfällen durch duale Systeme (gelbe Tonne) und Beförderungen von Bau- und Abbruchabfällen.
Schwere Kommunalfahrzeuge, die im Auftrag der Kommunen tätig werden, waren schon im Regierungsentwurf von den Ausnahmeregelungen erfasst. Erweitert wurden außerdem die Ausnahmen für Handwerkerfahrzeuge. Diese sollen nicht nur in besonders belasteten Gebieten, sondern bundesweit gelten. Neu eingefügt wurde in den Gesetzentwurf, dass lokale Behörden künftig weitere Ausnahmen von den Fahrverboten erlassen können.
Entschließungsanträge abgelehnt
Abgelehnt wurden Entschließungsanträge der AfD (19/8334), der FDP (19/8335) und der Linken (19/8336) zu dem Gesetzentwurf. Die Initiative der AfD lehnten alle übrigen Fraktionen ab. Die AfD verlangte von der Bundesregierung, die Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen so zu ändern, dass der Luftstrom um den Messeinlass bei Messstationen nicht beeinträchtigt werden darf, die Luft also frei strömen kann.Auch sollten im Umfeld des Messeinlasses keine Hindernisse vorhanden sein. Der Messeinlass müsse mindestens drei Meter von Gebäuden, Balkonen, Baumkronen und sonstigen Hindernissen entfernt sein und sich in einer Höhe von vier Metern über dem Boden befinden.
Der FDP-Initiative stimmten nur die FDP und die AfD zu. Die FDP wollte klarstellen, dass Fahrverbote nicht automatisch verhältnismäßig sind, wenn die Schadstoffkonzentration den Wert von 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresdurchschnitt überschreitet. Auch sollte bei den Messtationen unmittelbare Vergleichbarkeit hergestellt werden, indem die Vorgaben unter Berücksichtigung von Toleranzen konkretisiert werden und Messtationen entsprechend angeglichen werden.
Der Initiative der Linken stimmten neben den Antragstellern nur die Grünen zu. Die Linke hatte gefordert, eine Blaue Plakette einzuführen, mit der diejenigen Fahrzeuge gekennzeichnet werden können, die im Fahrbetrieb höchstens 200 Milligramm Stickoxid pro Kilometer ausstoßen. Die geplante Relativierung der Stickoxid-Grenzwerte sei nicht geeignet, Fahrverbote zu vermieden, heißt es zur Begründung. Die Regelung dürfte nach Einschätzung der Fraktion europarechtlich nicht haltbar sein und die Gerichte nicht binden.
Antrag der AfD abgelehnt
In namentlicher Abstimmung scheiterte die AfD-Fraktion mit einem Antrag (19/6060), zu dem der Umweltausschuss eine Beschlussempfehlung vorgelegt hatte (19/7771 Buchstabe a). Die AfD-Fraktion setzte sich darin dafür ein, einheitliche Messverfahren für Stickoxide durchzusetzen und Fahrverbote zu verhindern.
Die Bundesregierung sollte aufgefordert werden, klinische sowie toxikologische Studien zur Wirkung von Stickstoffdioxid in Auftrag zu geben und eine bundesweite Vergleichbarkeit der Messergebnisse von verkehrsnahen Stickstoffdioxid-Messstationen herzustellen. 561 Abgeordnete lehnten diesen Antrag ab, 83 stimmten ihm zu, es gab drei Enthaltungen.
Anträge der Linken abgelehnt
Ein Antrag der Linken (19/1360), Hersteller zur technischen Nachrüstung von Diesel-Pkw zu verpflichten und Fahrverbote zu vermeiden, lehnten die Koalitionsfraktionen und die AfD gegen die Stimmen der FDP, der Linken und der Grünen ab. der Verkehrsausschuss hatte dazu eine Beschlussempfehlung abgegeben (19/5768 Buchstabe d). Die Fraktion wollte, dass die Dieselfahrzeughersteller „auf ihre Kosten“ innerhalb eines Jahres bei allen Diesel-Pkw mit den Schadstoffklassen Euro 4, 5 und 6 bis 6c, die in Deutschland zugelassen sind, Hardware-Nachrüstungen vornehmen muss, sodass die im RDE-Verfahren (Real Driving Emissions) gemessenen Stickoxidemissionen den Wert von 200 Mikrogramm pro Kilometer nicht überschreiten. Im Falle von Diesel-Fahrzeugtypen ab Euro 4, bei denen sich eine Hardware-Nachrüstung als technisch nicht möglich erweist oder unverhältnismäßig ist, müsse gewährleistet werden, dass die Besitzer finanziell entschädigt werden, verlangte die Linksfraktion.
In einem weiteren Antrag (19/6195), dem neben der Linken nur noch die Grünen zustimmten, hatte die Fraktion die Bundesregierung auffordern wollen, zeitnah die Zulassungsvoraussetzungen für technisch umgerüstete Dieselfahrzeuge, die die Abgasnormen erfüllen, zu schaffen. Außerdem sollte die Regierung die Voraussetzungen dafür schaffen, dass für die betroffenen Dieselfahrzeuge eine Hardware-Nachrüstung erfolgen kann, für die die Hersteller die Kosten übernehmen. Auch dazu lag eine Beschlussempfehlung des Verkehrsausschusses vor (19/7878).
Antrag der Grünen abgelehnt
Auch der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen(19/4380) zielte darauf ab, dass die Hersteller die Kosten für die Hardware-Nachrüstung der Dieselfahrzeuge übernehmen. Außerdem sprachen sich die Grünen für die Einführung einer „Blauen Plakette“ aus. Neben den Grünen stimmte nur Die Linke für diesen Antrag, zu dem eine Beschlussempfehlung des Verkehrsausschusses vorlag (19/5768 Buchstabe e).
Die Abgeordneten verlangten darin von der Bundesregierung, besonders emissionsarme Fahrzeuge – einschließlich der Fahrzeuge mit auf Kosten der Hersteller nachgerüsteten SCR-Katalysatoren – „bundeseinheitlich mit einer neuen, blauen Plakette zu kennzeichnen und Kommunen die Möglichkeit zu geben, unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit nur noch Kraftfahrzeugen mit solchen niedrigen Emissionswerten die Einfahrt in Umweltzonen zu erlauben“. (vom/scr/14.03.2019)