Der Bundestag hat Änderungen der EU-Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie in deutsches Recht übertragen. Den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung einer verschärften europäischen Richtlinie über die „Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen“ (19/19371) nahm er am Donnerstag, 18. Juni 2020, in namentlicher Abstimmung an. In zweiter Beratung hatten die Koalitionsfraktion und die Grünen dafür gestimmt, während AfD und FDP dagegen votierten und die Linksfraktion sich enthielt. Zur Abstimmung lagen eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales (19/20145) und ein Bericht dsr Haushaltsausschusses nach Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages zur Finanzierbarkeit vor (19/20146).
Änderungsanträge und Entschließungsantrag
Abgelehnt wurden in zweiter Lesung zwei Änderungsanträge von Bündnis 90/Die Grünen (19/20170, 19/20171). Die Linke stimmte in beiden Fällen mit den Grünen, die AfD enthielt sich, die Koalitionsfraktionen und die FDP lehnten sie ab.
In dritter Beratung fand ein Entschließungsantrag der FDP-Fraktion (19/20172) keine Mehrheit. Alle übrigen Fraktionen lehnten ihn ab.
Zwei Oppositionsanträge abgelehnt
Einem Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Für einen unbürokratischen Binnenmarkt – Auslandsentsendungen vereinfachen und Protektionismus bekämpfen“ (19/19259) stimmten lediglich die Antragsteller zu.
Den Antrag der Linken mit dem Titel „Ausbeutung und Lohndumping bei grenzüberschreitender Arbeitnehmerentsendung konsequent unterbinden“ (19/19231) stimmten auch die Grünen zu, während die übrigen Fraktionen dagegen votierten. Zu beiden Anträgen lag eine Beschlussempfehlung des Arbeits- und Sozialausschusses vor (19/20145).
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Durch die gesetzliche Neuregelung haben aus dem EU-Ausland entsandte Arbeitnehmer nicht mehr nur Anspruch auf den Mindestlohn, sondern auch auf den Tariflohn aus allgemeinverbindlichen Tarifverträgen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem Ausland erhalten zudem künftig Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Schmutz- und Gefahrenzulagen. Bezahlen Arbeitgeber ihren Beschäftigten eine Zulage für Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten, darf dieser Betrag nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden.
Grundsätzlich gelten für Beschäftigte aus dem Ausland nach zwölf Monaten alle in Deutschland vorgeschriebenen Arbeitsbedingungen. In begründeten Ausnahmefällen können Arbeitgeber eine Fristverlängerung um sechs Monate beantragen. Ausgenommen von den Änderungen ist der Straßenverkehrssektor. Für Fernfahrer gelten die geplanten Regelungen nicht.
Abgelehnte Änderungsanträge der Grünen
Die Grünen forderten in ihrem ersten Änderungsantrag (19/20170) eine Gesetzesänderung, die dazu führt, dass alle Entlohnungsbestandteile richtlinienkonform für allgemeinverbindlich erklärt werden können.
Im zweiten Änderungsantrag (19/20171) wolletn die Grünen erreichen, dass nicht nur bundesweit allgemeinverbindliche Tarifverträge auf entsandte Beschäftigte angewendet werden können, sondern auch regional für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge.
Abgelehnter Entschließungsantrag der FDP
Die FDP forderte die Bundesregierung in ihrem Entschließungsantrag (19/20172) unter anderem auf, die EU-Ratspräsidentschaft zu nutzen, um den Binnenmarkt weiterzuentwickeln und ein Konzept für einfache und unbürokratische Entsendungen vorzulegen.
Künftig sollten alle zur Verfügung stehenden Gesprächsforen auf europäischer Ebene genutzt werden, um Entsendungen einfach und bürokratiearm zu gestalten.
Abgelehnter Antrag der FDP
Die FDP-Fraktion forderte in ihrem abgelehnten Antrag (19/19259), Auslandsentsendungen zu vereinfachen und Protektionismus zu bekämpfen. Die Fraktion verwies auf die große Bedeutung der Entsendung von deutschen Arbeitnehmern ins europäische Ausland und kritisierte, dass mittlerweile ein uneinheitlicher und undurchschaubarer Flickenteppich an Entsenderegelungen entstanden sei. Dies widerspreche dem Grundgedanken des Binnenmarktes, schrieben die Liberalen.
Sie forderten deshalb von der Bundesregierung unter anderem, bei der Umsetzung der nationalen Entsenderichtlinie für eine Eins-zu-eins-Umsetzung zu sorgen und nicht im Nachhinein neue bürokratische Maßnahmen darin zu integrieren. Außerdem sollte sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die Entsenderichtlinie europaweit möglichst einheitlich umgesetzt wird und dass es für kurzfristige Dienstreisen und bei Kurzentsendungen Ausnahmen von der A-1-Bescheinigung von bis zu 14 Tagen geben soll. Darüber hinaus forderte die FDP, auch allgemein den Umgang mit der A-1-Bescheinigung zu entbürokratisieren. Die Europäische Arbeitsbehörde müsse zu einer zentralen Anlauf- und Informationsstelle für alle Unternehmen ausgebaut werden, hieß es in dem Antrag.
Abgelehnter Antrag der Linken
Die Linke forderte in ihrem Antrag (19/19231), Ausbeutung und Lohndumping bei grenzüberschreitender Arbeitnehmerentsendung zu unterbinden. Auf deutschen Baustellen, in Schlachtbetrieben oder in der Pflege sei die Unterschlagung von Lohnbestandteilen und Sozialversicherungsbetrug im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Entsendung von Beschäftigten, deren Arbeitgeber ihren Sitz in anderen europäischen Ländern haben, vielerorts Alltag, schrieb die Linksfraktion.
Sie forderte deshalb von der Bundesregierung unter anderem, einen Gesetzentwurf „zur unionsrechtskonformen Umsetzung der EU-Richtlinie 2018 / 957“ vorzulegen, der Beschäftigte umfassend schützt und für einen fairen Wettbewerb zwischen ausländischen und inländischen Unternehmen sorgt. Darin sollte unter anderem die Aufspaltung des Entlohnungsbegriffs in „Mindestentgeltsätze“ und „darüber hinausgehende Entlohnungsbestandteil“ im Arbeitnehmerentsendegesetz aufgegeben werden.
Ferner verlangte die Fraktion einen Gesetzentwurf, mit dem im Tarifvertragsgesetz die Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen erleichtert werden. Auch müsse die Kontrolle und Überwachung der Entsenderichtlinie durch entsprechende Gesetzentwürfe besser umgesetzt und garantiert werden, schrieben die Abgeordneten. (fla/che/hau/sas/18.06.2020)