20.05.2021 Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung — Ausschuss — hib 678/2021

Expertenstreit um alternative Antriebsstoffe

Berlin: (hib/HAU) Unterschiedliche Bewertungen hinsichtlich der Eignung synthetischer Kraftstoffe (E-Fuels) als alternative Antriebsstoffe der Zukunft offenbarten die zu einem öffentlichen Fachgespräch des Parlamentarischen Beirates für nachhaltige Entwicklung am Mittwochabend geladenen Sachverständigen. Während Jekaterina Boening von der Organisation Transport & Environment die Ansicht vertrat, dass E-Fuels im Straßenverkehr keine Zukunft hätten, sagte Christopher Hebling vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, es brauche alle Lösungen, die technisch möglich seien. In E-Fuels müsse nicht zuletzt deswegen stärker investiert werden, weil es weit über eine Milliarde Verbrennungsfahrzeuge weltweit gebe, die nachhaltig auch mit auf Wasserstoff basierten E-Fuels betrieben werden könnten, sagte er.

„Ich bin mir sicher, dass wir das ganze Jahrhundert noch mit Verbrennungsmotoren unterwegs sein werden“, machte Hebling deutlich. Er halte nichts von Verboten irgendeiner Technologie. Diese stellten eine „kalte Enteignung“ von Fahrzeugen dar, die heute noch gekauft werden. Seiner Ansicht nach ist auch die immer wieder angeführte fehlende Effizienz von E-Fules nicht so stark, wie oft dargestellt. Statt sechsmal so viel Energie wie bei einem batteriebetriebenen Auto, wie oft behauptet werde, liege der Faktor bei Betrachtung der Gesamtkette bei maximal zwei. Schließlich müsse auch die Herstellung der Batterie bilanziert werden. Auch schneide der Verbrennungsmotor in der Herstellung am günstigsten ab, sagte Hebling.

Die Zulieferindustrie in Deutschland, so der Experte, bereite sich sehr gut auf den globalen Brennstoffzellenmarkt vor. Asiatische Autohersteller seien auf dem Wasserstoff-Mobilitätssektor sehr gut aufgestellt - Deutschland sei hingegen dabei, Fehler zu machen, wenn es dies nicht tue. „E-Fuels werden im künftigen Mix der Energieträger bei der Mobilität eine wichtige Rolle spielen“, sagte Hebling.

Jekaterina Boening sieht in E-Fuels hingegen nur eine „Scheinlösung“. Der Herstellungsprozess von E-Fuels sei komplex. 65 bis 90 Prozent der eingesetzten Energie gingen dabei verloren. Mit dem heutigen Strommix Deutschlands emittierten die E-Fuels drei-bis viermal mehr CO2 als fossile Kraftstoffe. E-Fuels aus grünem Wasserstoff, also durch Strom aus erneuerbaren Energien erzeugtem Kraftstoff, sei hingegen von Relevanz in der Luft- und Schifffahrt. Auch für nicht elektrifizierte Bahnstrecken sei das eine Option zum Ersatz des Diesels, befand Boening.

Die Expertin sprach sich für einen Ausstieg aus der Technik des Verbrennungsmotors aus. „Wir unterstützen dies nicht nur aus Klima- und Umweltaspekten sondern auch deshalb, weil eine solche politische Entscheidung Investitionssicherheit für die Industrie geben würde“, sagte Boening. Was die Zulieferer für die Autoherstellung angeht, so steckten diese aktuell in einer schwierigen Situation, räumte sie ein. „Ihr Geschäftsmodell läuft aus, sie brauchen neue Geschäftsmodelle.“ Das Warten auf die E-Fules werde aber nicht das sein, was die Arbeitsplätze der Zulieferindustrie sichert. Es gelte für die Zulieferindustrie, in die Software-Entwicklung zu investieren oder in die Batteriefertigung einzusteigen. „Das neue Auto erfordert ganz andere Zulieferer“, sagte die Transport & Environment-Vertreterin.

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