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Höhere Entlastungen für Energieverbraucher gefordert

Ein Gaszähler zeigt den Gasverbrauch für die Heizung und Warmwasser im Haushalt an.

Ein Gaszähler in einem Keller zeigt den Gasverbrauch für die Heizung und Warmwasser im Haushalt an. (picture alliance / Geisler-Fotopress | Christoph Hardt/Geisler-Fotopres)

Zeit: Montag, 26. September 2022, 13.15 Uhr bis 14.45 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E 700

Unternehmen und Energieversorger haben die von den Koalitionsfraktionen geplante Senkung der Mehrwertsteuer auf Gaslieferungen zwar begrüßt, aber als insgesamt nicht ausreichend bezeichnet. So wichtig die beschriebene Entlastung auch sei, so bleibe es aus Sicht der Wirtschaft dringend erforderlich, dass auch die zum Vorsteuerabzug berechtigten Gaskunden spürbar entlastet würden, erklärten die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Montag, 26. September 2022. Ein von den Koalitionsfraktionen gemeinsam eingebrachter Gesetzentwurf (20/3530) sieht eine befristete Senkung der Umsatzsteuer im Zeitraum vom 1. Oktober 2022 bis zum 31. März 2024 von 19 auf sieben Prozent vor.

Die Spitzenverbände der Wirtschaft erklärten, die steigenden Energiepreise würden zunehmend eine Vielzahl von Unternehmen am Standort Deutschland gefährden. Viele Unternehmen würden noch keinen Ausgleich zur Dämpfung der steigenden Energiepreise erhalten und oft vor erheblichen Problemen stehen. Für die Unternehmen sei diese Steuersenkung nicht relevant. Notwendig sei eine Senkung der Energiesteuern.

„Mit heißer Nadel gestrickt“

Die Situation vieler Betriebe schilderte der Zentralverband des deutschen Bäckerhandwerks als dramatisch. Mehl und Zutaten seien bis zu 200 Prozent teurer geworden, von den höheren Gaskosten seien 70 Prozent der Betriebe betroffen. Die von der Koalition geplante Möglichkeit, bis zu 3.000 Euro an die Beschäftigten steuerfrei auszahlen zu können, sei positiv zu sehen. Für die meisten Betriebe sei das jedoch nicht leistbar.

Auch die Gewerkschaft Verdi erklärte, die 3.000 Euro würden wohl zumeist von Großbetrieben realisiert werden. Niedrigverdiener würden nicht in den Genuss der Inflationsprämie kommen. Ähnlich äußerte sich der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband, der den Vorschlag als „mit heißer Nadel gestrickt“ bezeichnete.

Steuersatz von fünf Prozent prüfen

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) sprach sich für eine Prüfung aus, ob nicht nur für Gas, sondern auch für Strom- und Wärmelieferungen der ermäßigte Umsatzsteuersatz eingeführt werden könne. Es sollte geprüft werden, ob nicht in allen drei Bereichen sogar der unionsrechtlich ebenfalls zulässige Steuersatz von fünf Prozent eingeführt werden könne.

Zudem sollte der Stromsteuersatz auf das unionsrechtliche Mindestmaß vorübergehend abgesenkt werden. Jenseits der Entlastungen über Steuerentlastungen und direkte Transferzahlungen ist nach Ansicht des VKU auch eine pauschalierte, staatlich finanzierte Preisbremse für private, gewerbliche und industrielle Endverbraucher denkbar. Außerdem forderte der VKU Maßnahmen zur Vermeidung von Insolvenzen von Stadtwerken, weil mehr Zahlungsausfälle von Kunden drohten.

Entlastungen für Fernwärme- und Stromkunden

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft begrüßte die Umsatzsteuersenkung auf Gas. Da durch die Inflation in nahezu allen Bereichen auch die staatlichen Einnahmen durch die Umsatzsteuer steigen würden, sei es zu begrüßen, dass der Staat diese Zusatzeinnahmen für Entlastungen nutze. Durch eine Reduzierung des Umsatzsteuersatzes auf Gas könnte eine substanziell preisdämpfende Wirkung erreicht werden und damit eine Entlastung aller Haushalte.

Der Verband regte weitere Entlastungen, zum Beispiel für Fernwärme- und Stromkunden an. Die Stromsteuer könne auf das europäisch zulässige Mindestmaß gesenkt werden. Die Einbeziehung von Fernwärme in die Umsatzsteuersenkung forderte auch die Deutsche Steuergewerkschaft. Die Organisation sah es als kritisch an, Entlastungen immer über das Steuerrecht durchzuführen. Richtiger wären Direktzahlungen an Bedürftige.

„Steuerermäßigung ist Notmaßnahme“

Prof. David Hummel nannte die Steuerreduzierung aus unionsrechtlicher Sicht unproblematisch. Prof. Roland Ismer von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg erklärte, die Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas sollte nicht das einzige Instrument sein. Die Steuerermäßigung könne die Probleme bestenfalls teilweise lösen. Sie sei eine „Notmaßnahme“.

Die Entlastung durch die Steuerermäßigung mache etwa zehn Prozent aus, während sich die Preise ohne Marktintervention durchaus verzehnfachen könnten. Auch wirke die Senkung nicht zugunsten von vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmen. Darauf hatte bereits die Wirtschaft hingewiesen. Ähnlich äußerte sich der Hauptverband des deutschen Einzelhandels. Die Umsatzsteuer sei ein durchlaufender Kosten, und jetzt drohe zudem die Gasumlage als weitere Belastung.

Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen

Wie die Fraktionen in dem Entwurf eines Gesetzes zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen im Erdgasnetz schreiben, entspricht der Zeitraum der Absenkung der Umsatzsteuer vom 1. Oktober 2022 bis zum 31. März 2024 dem Zeitraum, in dem auch die Gasbeschaffungsumlage erhoben wird.

Damit den Kunden keine zusätzlichen Belastungen aus der obligatorischen Erhebung der Umsatzsteuer auf die Gasbeschaffungsumlage entstehen, soll jetzt die Umsatzsteuer auf den Gasbezug insgesamt gesenkt werden. Die Mindereinnahmen durch die Umsatzsteuersenkung werden bis zum Jahre 2024 auf insgesamt 11,265 Milliarden Euro veranschlagt.(hle/26.09.2022)

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