Klimaschutz

Experten befürworten Ergänzung des Energie­sicherungsgesetzes

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Mit einer Änderung des Energiesicherungsgesetzes soll der Bund für Treuhandfälle mehr Handlungsspielraum bekommen. (picture alliance / Flashpic | Jens Krick)

Zeit: Montag, 27. März 2023, 14.30 Uhr bis 15.45 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E.800

Sachverständige haben den Gesetzentwurf von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes und des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (20/5993) grundsätzlich positiv bewertet, in Detailfragen aber ergänzende Präzisierungen angeregt. In der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie ging es am Montag, 27. März 2023, um die rechtssichere Erweiterung des Handlungsspielraums des Bundes zur Sicherung der Energieversorgung.

Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen

Der Gesetzentwurf sieht vor, das Energiesicherungsgesetz um einen Paragrafen 17b zu erweitern, der die Übertragung von Vermögensgegenständen von Unternehmen der kritischen Infrastruktur, die unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur stehen, ermöglicht, was ein milderer Eingriff wäre als die Enteignung, die im Paragrafen 18 geregelt ist. Das Bundeswirtschaftsministerium hat die Treuhandverwaltung der beiden russischen Rosneft-Unternehmen, die Mehrheitseigentümer der Ölraffinerie PCK Schwedt sind und die seit September 2022 unter Treuhandverwaltung stehen, am 15. März um weitere sechs Monate verlängert, nachdem das Bundesverwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit der Treuhandanordnung bestätigt hatte.

Der Koalitionsentwurf begründet das Erfordernis der Neuregelung damit, dass nach dem geltenden Energiesicherungsgesetz eine Übertragung von Vermögensgegenständen nur zulässig ist, wenn dies zum Werterhalt des Unternehmens erforderlich ist. Die dem Gemeinwohl dienende Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit bliebe dabei jedoch unberücksichtigt.

„Völkerrechtlichen Investitionsschutz beachten“

Prof. Dr. Till Patrik Holterhus von der Leuphana-Universität Lüneburg machte insbesondere darauf aufmerksam, dass Eigentumseingriffe des Staates sich nicht nur am Maßstab des Grundgesetzes bemessen, sondern auch am völkerrechtlichen Investitionsschutz. Paragraf 17b schließe eine Enteignungsentschädigung für die staatlich angewiesene Übertragung von Vermögensgegenständen aus, wenn es sich um eine ausländische oder von fremden Staaten beherrschte inländische juristische Person handele. Holterhus sah darin einen Konflikt mit Artikel 25 des Grundgesetzes und der allgemeinen Regel des Völkerrechts, nach der Ausländern bei Enteignung Entschädigung zu gewähren ist.

Ähnlich argumentierte Prof. Dr. Patrick Abel von der Universität Passau, der es für verfassungsrechtlich problematisch hielt, dass das Energiesicherungsgesetz erlaube, von einer Anhörung der betroffenen Unternehmen abzusehen, wenn dies einen unverhältnismäßigen Aufwand verursacht. Angesichts erheblicher wirtschaftlicher Folgen für die Unternehmen sei diese Ausnahmeregel unverhältnismäßig und sollte nach Ansicht Abels gestrichen werden. Dabei gehe es nicht nur um die Verfassungsmäßigkeit, sondern auch um die Vorbeugung von Rechtsanwendungsfehlern.

„Gütesiegel für den Gesetzgeber“

Dr. Hermann Müller von der Anwaltskanzlei CMS Hasche Sigle bezeichnete das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts als „Gütesiegel für den Gesetzgeber“. Nach dem neuen Paragrafen 17b werde die Entschädigungshöhe in der Regel durch ein Bieterverfahren ermittelt. Dies ermögliche die Übertragung eines Vermögensgegenstandes zu Marktbedingungen, ohne dass eine weitere Entschädigung zu leisten wäre. Müller bezeichnete dies als „sinnvoll und zweckmäßig“.

Die Erweiterung des staatlichen Handlungsspielraums werde durch die Gesetzesänderung „nachvollziehbar umgesetzt“, sagte Dr. Maximilian Rinck, Abteilungsleiter Handel und Beschaffung beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. Allerdings sah er Risiken für Vermögensschäden bei den sogenannten Bilanzkreisverantwortlichen, das können Energieversorgungsunternehmen, Kraftwerksbetreiber oder auch Gasimporteure sein. Beschaffungskosten am Markt, denen keine Erlöse gegenüberstehen, könnten für diese Unternehmen „insolvenzbedrohliche Ausmaße“ annehmen. Rinck empfahl, den Gesetzeswortlaut um eine Reihe von Klarstellungen zu ergänzen.

„Rückzug des Staates regeln“

Prof. Dr. Henning Vöpel vom Centrum für Europäische Politik der Stiftung Ordnungspolitik hielt die Gesetzesänderungen ebenfalls für „begründet und sachgerecht“. Er empfahl jedoch, auch die Rückführung von übertragenen Vermögensgegenständen an den privaten Kapitalmarkt zu regeln. Andernfalls könne dies zu negativen Auswirkungen auf private Investoren führen. Die marktwirtschaftliche Ordnung sollte nicht leiden, so Vöpel. Im Vorhinein sollte seiner Ansicht nach geregelt sein, wie der Staat sich wieder zurückzieht und was mit den unter Treuhandverwaltung gestellten Unternehmen passiert.

Ines Schwerdtner, Gründerin der Bewegung „Genug ist Genug“ und Chefredakteurin des gleichnamigen Jacobin-Magazins, wies auf die geringere Eingriffstiefe des Paragrafen 17b im Vergleich zur Enteignungsregelung im Paragrafen 18 hin. Es sei eine politische Entscheidung, ob Unternehmen in öffentlicher Hand verbleiben oder an Private verkauft werden. Die Energieversorgung könne nur durch Unternehmen in öffentlicher Hand oder in Gemeineigentum sichergestellt werden. Aus ihrer Sicht ist nicht ersichtlich, warum der Bund nicht weiterhin zuständig sein sollte. Das Allgemeinwohl stehe über dem privaten Interesse, auch jenseits russischer Akteure, sagte Schwerdtner. (vom/27.03.2023)

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