Klimaschutz

Energieeffizienzgesetz der Regierung stößt auf Lob und Kritik

Zeit: Montag, 12. Juni 2023, 14 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E.200

Industrieverbände stehen dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur „Steigerung der Energieeffizienz und zur Änderung des Energiedienstleistungsgesetzes“ (20/6872) ablehnend gegenüber. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie am Montag, 12. Juni 2023, deutlich. Zuspruch erfuhr die Regelung von Umweltverbänden, wobei teils das Fehlen verbindlicher Vorgaben kritisiert wurde.

Das Energieeffizienzgesetz verpflichtet Behörden, Unternehmen und Rechenzentren entsprechend der EU-Vorgaben ab 2024 Energieeinsparmaßnahmen zu ergreifen, um mehr Energie einzusparen. Mit ihm wird laut Bundesregierung erstmals ein sektorübergreifender Rahmen für mehr Energieeffizienz geschaffen. Für Unternehmen mit einem Jahresenergieverbrauch von mehr als 15 Gigawattstunden soll künftig die Pflicht gelten, Energie- oder Umweltmanagementsysteme einzuführen und ihre Energieeffizienzmaßnahmen in konkreten Plänen zu erfassen und zu veröffentlichen. Zudem müssen Unternehmen zukünftig vermeiden, dass bei Produktionsprozessen Abwärme entsteht. Falls das nicht möglich ist, müssen sie die Abwärme sinnvoll verwerten. Für Rechenzentren soll es zukünftig Energieeffizienzstandards geben.

Umsetzungspläne erzeugen „unnötige Bürokratie“

Sebastian Bolay vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sah in den erweiterten Vorgaben für Energie- und Umweltmanagementsysteme sowie zur Erstellung und Veröffentlichung von Umsetzungsplänen eine „unnötige Bürokratie“, die in weiten Teilen ohnehin Bestandteil der einschlägigen Normenanforderungen sei. Der DIHK plädiere dafür, die EU-Energieeffizienzrichtlinie 1:1 umzusetzen, sagte er. Aus den Vorgaben ergebe sich keine Verpflichtung, dass sich Deutschland ein verbindliches Endenergieeinsparziel setzt.

Aus Sicht des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) muss „Qualität vor Tempo gehen“. Ein „Augen zu und durch, egal wie“ zum Abschluss des Gesetzes in ein oder zwei Wochen dürfe es nicht geben, sagte BDI-Vertreter Eberhard von Rottenburg. Das Gesetz gehe an verschiedenen Stellen teils sehr deutlich über die Vorgaben der EU-Richtlinie hinaus. „Bei sehr vielen Unternehmen stößt dies gerade zum jetzigen Zeitpunkt auf blankes Unverständnis“, sagte Rottenburg. Die deutsche Industrie sei schon jetzt hocheffizient und dafür auch international bekannt. Durch die Energiepreise werde sie zu weiteren Effizienzanstrengungen angereizt, „ganz ohne staatliches Handeln“.

Die pauschale Nutzung von Abwärme, wie sie das Gesetz vorschreibe, ist nach Einschätzung von Martin Kaspar vom Verband der Chemischen Industrie (VCI) „wenig hilfreich“, weil die Abwärmenutzung im Zielkonflikt mit anderen investiven Maßnahmen stehe. Sinnvoll sei eine Betrachtung der Abwärme im Gesamtkontext, statt deren Herauslösung. Kritisch sieht der VCI seiner Aussage nach auch die geplanten Veröffentlichungspflichten. Dort schlummerten auch viele Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.

Stärkung der Effizienz

Tatjana Ruhl von der Deutschen Unternehmensinitiative für Energieeffizienz sieht hingegen durch den Entwurf die Wirtschaft und den Standort durch höhere Energieproduktivität gestärkt. Das sei auch notwendig, „denn Deutschland ist kein Vorreiter der Energieeffizienz und wird gegenüber vielen Ländern mit günstigeren Standortbedingungen absehbar höhere Energiepreise haben“. Nur eine höhere Energieeffizienz führe dann zu wettbewerbsfähigen Energiekosten.

Leonard Burtscher vom Umweltinstitut München bemängelte, dass der Entwurf keine verbindlichen Maßnahmen zur Erreichung der Effizienzziele enthalte. So werde es nicht gelingen, die vorhandenen Potenziale zu heben, sagte er. Dabei sei aus allen erdenklichen Politikbereichen bekannt, „dass freundliche Einladungen und freiwillige Selbstverpflichtungen nicht zu den gewünschten Ergebnissen geführt haben“. Selbst hochwirtschaftliche Effizienzmaßnahmen würden bisher nicht umgesetzt.

Nutzung von Abwärme aus Rechenzentren

Zum Thema Abwärmenutzung von Rechenzentren äußerte sich Günter Eggers vom Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche (Bitkom). Unausgewogen und inkonsequent sei der Entwurf, so Eggers. Er verkenne die Potenziale der Digitalisierung zur Erreichung der Klimaziele, indem die dafür notwendigen Rechenzentren als infrastrukturelle Basis mit nicht erfüllbaren Vorgaben belastet würden. Bitkom unterstütze die Nutzung von Abwärme aus Rechenzentren, „wo immer dies heute und zukünftig sinnvoll möglich ist“, sagte er. Rechenzentren sollten daher konzeptionell die Nutzung von Abwärme vorsehen. Über die konkrete Nutzung müsse jedoch im lokalen Einzelfall entschieden werden.

Der Strombedarf von Rechenzentren steige sehr stark an, sagte Jens Gröger vom Öko-Institut. Der Strom, der dort hineingeht, verlasse das Rechenzentrum später als Wärme wieder. „Diese Wärme sollten wir als Grundlast in Wärmenetze einspeisen“, forderte er. Rechenzentrum könnten also trotz hohem Energieverbrauch auch Teil der Lösung sein. Durch das geplante Energieeffizienzregister für Rechenzentren werde erstmalig eine umfassende Übersicht darüber geschaffen, wie hoch der Energieverbrauch von Rechenzentren in Deutschland ist und welche Treibhausgasemissionen auf diese Branche entfallen. Damit könne Deutschland international eine Vorbildrolle einnehmen.

Ähnlich sah das Marina Köhn vom Umweltbundesamt. Bei Rechenzentren gebe es große Effizienzpotenziale. Daher sei es richtig, dass der Gesetzgeber die IT-Betreiber zwinge, „die Auslastung ihrer Rechner zu monitoren und darüber Bericht zu erstatten“. So könne es endlich einen fairen Wettbewerb zu mehr Energieeffizienz geben, der derzeit nicht stattfinde. „Das Gesetzt stärkt den Standort Deutschland, weil die Rechenzentren effizienter werden“, sagte Köhn. So komme man einer nachhaltigen Digitalisierung immer näher.

Verfügbare Energieeffizienz-Technologien

Marius Madsen, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Niederrhein und Koautoren der „Kurzstudie Energieeffizienzmaßnahmen in der Industrie“ sagte, die deutsche Industrie sei in der Lage, rund 44 Prozent ihres Endenergiebedarfs des Jahres 2021, also 410 von 940 TWh/a, durch wirtschaftliche und standardmäßig verfügbare Energieeffizienz-Technologien zu erschließen. Dies könne ohne Produktionsbeschränkungen erfolgen und gleichzeitig zu einer hohen wirtschaftlichen Zusatzrendite führen, betonte er. Allerdings würden derzeit 60 Prozent dieser Energieeffizienzpotenziale nicht erschlossen. Obwohl sie wirtschaftlich attraktiv seien, erfüllten sie nicht die Kriterien der „Marktnähe“, weil sie zwar eine sehr attraktive Rendite hätten, „sich aber nicht innerhalb von drei Jahren amortisieren“.

Als Vertreterin des Deutschen Städte- und Gemeindebundes begrüßte Marianna Roscher, dass die im Referentenentwurf noch enthaltenen „explizit kommunalen Verpflichtungen“ herausgenommen worden seien, „um Raum für die Kommunen und Länder in einem Konsens zu schaffen, so dass hier landesgesetzliche Regelungen genug Spielraum haben“. Wichtig sei die Stärkung von Quartiers- und Portfolioansätzen, sagte Roscher. Die Möglichkeiten zur Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen seien oft sehr unterschiedlich und teilweise eingeschränkt, insbesondere bei denkmalgeschützten Gebäuden. Vorab geklärt werden müsse die Finanzierungsfrage der Effizienzmaßnahmen. Bund und Länder sollten den Kommunen allgemein keine Pflichten auferlegen, ohne eine entsprechende Finanzierung sicherzustellen, um auch die Akzeptanz vor Ort zu gewährleisten.

Zertifizierung und Warnung vor Abwanderung

Für die Einführung eines zertifizierten Energiemanagements warb Gregor Hillebrand-Kandzia von der Sächsischen Energieagentur SAENA GmbH. Die Projektergebnisse der SAENA mit sächsischen Kommunen hätten nachgewiesen, dass als Folge der Einführung eines zertifizierten Energiemanagements durchschnittlich 15 Prozent der Wärme- und Stromverbräuche in kommunalen Gebäuden „durch rein organisatorische Maßnahmen und ohne größere Investitionen eingespart werden konnten“. Einen wesentlichen Erfolgsfaktor stelle dabei die Energieverbrauchsdatenerfassung dar.

Frank Hennig, Diplomingenieur für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung, befürchtet, dass als Folge der Regelung Investitionen in Rechenzentren in Deutschland nicht mehr realisiert werden. Hohe Energiekosten und ausufernde Bürokratie würden auch in dieser Branche zur Abwanderung führen, sagte er. Die Verlagerung von Datenverarbeitung ins Ausland sei aber für die weitere Digitalisierung kontraproduktiv und der Datensicherheit abträglich.

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Mit dem Entwurf will die Bundesregierung Energieeffizienzziele sowohl für den Primärenergieverbrauch als auch für den Endenergieverbrauch in Deutschland festlegen. Das Ambitionsniveau der Ziele des Gesetzentwurfes trage dem hohen Ambitionsniveau des EU-Richtlinienvorschlages für Deutschland Rechnung, heißt es. Auch würden sowohl eine allgemeine Energieeinsparverpflichtung für Deutschland insgesamt als auch spezifische Energieeinsparverpflichtungen für die öffentlichen Stellen bestimmt. Neben einer Erfassung der Energieverbräuche solle auch die Umsetzung der Energieeffizienzmaßnahmen für die öffentlichen Stellen durch eine digitale Datenerfassung ermöglicht werden. Den Ländern werde aufgegeben, ihrerseits Energieeinsparverpflichtungen gegenüber den Kommunen zu erlassen. Konkret werden Bund und Länder verpflichtet, Energieeinsparmaßnahmen zu ergreifen, die bis 2030 jährlich Endenergie-Einsparungen in Höhe von 50 Terrawattstunden erbringen.

Würden nach Inkrafttreten der zukünftigen EU-Richtlinie Abweichungen festgestellt, so werde das Energieeffizienzgesetz in einem nachfolgenden Änderungsgesetz angepasst werden, schreibt die Bundesregierung. Eile sei geboten: Um das Ziel zu erreichen und den Ländern Zeit zur Vorbereitung zu lassen, könne für die Umsetzung der Richtlinie nicht deren zukünftiges Inkrafttreten abgewartet werden, heißt es in dem Entwurf.

Regierung: Kohlendioxid-Preissignal reicht nicht aus

Für den Bereich der Industrieanlagen stellt der Entwurf fest, dass bisher nur ein gewisser Anteil des wirtschaftlich realisierbaren Energieeinsparpotentials umgesetzt worden sei. Durch Instrumente wie Förderprogramme oder die Kopplung des Vorhandenseins von Energiemanagementsystemen an Steuererleichterungen und Abgabenbefreiungen sei lediglich auf freiwilliger Ebene versucht worden, Anreize zur Energieeffizienz zu schaffen. Dies führe in der Regel dazu, dass nur solche Maßnahmen umgesetzt würden, die kurz- und mittelfristig wirtschaftlich sind. Das Kohlendioxid-Preissignal durch den Emissionshandel reiche bei vielen Unternehmen allein nicht aus, die bestehenden Effizienzpotenziale zu realisieren. Der Gesetzentwurf sieht eine Pflicht für Unternehmen mit Energieverbrauch von mehr als 15 Gigawattstunden vor, Energie- oder Umweltmanagementsysteme einzuführen und konkrete Pläne zur Umsetzung von wirtschaftlichen Energieeffizienzmaßnahmen zu erstellen.

Für den Bund ergäben sich einmalige Kosten in Höhe von acht Millionen Euro und laufende Kosten in Höhe von 5,85 Millionen Euro pro Jahr. Für die Länder betrage der einmalige Erfüllungsaufwand 47,9 Millionen Euro und die laufenden Kosten 34,26 Millionen Euro pro Jahr. Der Wirtschaft entstünden durch die Einführung und den Betrieb von Energie- oder Umweltmanagementsystemen in der Umsetzung dieses Gesetzes einmalige Kosten in Höhe von 262,1 Millionen Euro - allein durch die durch Managementsysteme ausgelösten unmittelbaren Effekte (Verhaltensänderungen und Betriebsoptimierungen) ergäben sich auf der anderen Seite aber Einsparungen an Energiekosten in Höhe von 581,7 Millionen Euro pro Jahr, so die Rechnung der Bundesregierung.

Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme den Bund aufgefordert, die aus dem Gesetzesvorhaben zu erwartenden erheblichen finanziellen Mehraufwendungen der Länder und Kommunen angemessen auszugleichen. Dies gelte insbesondere auch für die sich aus der angestrebten Verpflichtung der Kommunen durch entsprechende Regelungen auf Landesebene ergebenden finanziellen Aufwände. Das lehnte die Bundesregierung in ihrer Antwort ab: „Die Pflichten der Länder resultieren aus der Umsetzung der EED-Novelle. Die Länder sind hierbei - wie der Bund - durch die EED unmittelbar verpflichtet diese umzusetzen. Ein Anspruch auf den Ausgleich etwaiger Mehraufwände durch den Bund besteht insofern nicht. Im Übrigen ist eine Verpflichtung der Kommunen im Gesetz nicht vorgesehen.“ (hau/mis/12.06.2023)

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