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Strom, Wärme, Kälte: das Energiekonzept des Deutschen Bundestages

Das Energieerzeugungs- und -versorgungskonzept für die Liegenschaften des Deutschen Bundestages gibt ein Beispiel für ökologisch und ökonomisch kombinierbare Maschinen, Anlagen und Übertragungssysteme der Energieerzeugung und Energieverwendung.

1. Konzeptionelle Vorgaben für die Energieversorgung der Neubauten des Deutschen Bundestages

Zu den Vorgaben für die Herrichtung des Reichstagsgebäudes für Zwecke des Deutschen Bundestages gehörte u. a. auch die Forderung nach weitgehender Verwendung von regenerativer Primärenergie und hoher Verfügbarkeit. Für die Parlamentsbauten im Spreebogen (Reichstagsgebäude, Jakob-Kaiser-Haus, Paul-Löbe-Haus und Marie-Elisabeth-Lüders-Haus) wurde deshalb ein Energiekonzept erarbeitet, das eine eindeutige Prämisse für die dezentrale Energieerzeugung hatte und einen Energieverbund der Gebäude beinhaltet.

2. Maschinelle Umsetzung des Energiekonzeptes

Die Vorgaben wurden im Reichstagsgebäude und Paul-Löbe-Haus mit je vier Dieselmotoren, die Stromgeneratoren antreiben, realisiert. Da entsprechend der Energiekonzeptvorgabe eine nachwachsende Primärenergie in den Bundestagsgebäuden eingesetzt werden sollte, fiel die Entscheidung für den Einsatz des Kraftstoffes Biodiesel. Dazu wurden Standardmotoren aufgebaut, die der Hersteller für die Verwendung von Biodiesel in einigen Bauteilen umrüsten musste. Die Abgase der Dieselmotoren werden in einer aufwändigen Abgasreinigungsanlage durch Russfilter, Reduktionskatalysatoren und nachgeschaltete Oxydationskatalysatoren soweit gereinigt, dass die gesetzlich vorgegebenen Grenzwerte deutlich unterschritten werden.

Die Wärme aus den Motoren und ihren Abgasen genügt für eine Mindestwärmeversorgung der Gebäude des Deutschen Bundestages. Um den Wärmebedarf in der winterlichen Heizperiode zu decken, stehen vier Heißwasserkessel zur Verfügung, die für die Spitzenlastversorgung und als vollständiger Ersatz bei Ausfall der Motoren berechnet wurden. Während des Sommers kann die Abwärme aus den Motoren zum Antrieb von drei Absorptionskältemaschinen verwendet werden. Die dabei erzeugte Kälte dient der Kühlung der Parlamentsbauten. Besteht im Frühjahr und Herbst weder Wärme- noch Kältebedarf, wird die Überschusswärme in einen geothermischen Speicher gepumpt. Bei Bedarf - vorwiegend im Winter - wird die gespeicherte Wärme wieder abgerufen.

Neben den Absorptionskältemaschinen steht Kühlwasser aus Grundwasserbrunnen als regeneratives System zur Kühlung der Parlamentsbauten zur Verfügung. In Spitzenlastphasen bzw. als Ergänzung gibt es sieben Kompressionskältemaschinen an verteilten Standorten.

3. Einsatz regenerativer Energien und ökologischer Gebäudebetrieb

Dem ökologischen Anspruch des Deutschen Bundestages entsprechend nimmt der Einsatz regenerativer Primärenergiequellen einen hohen Stellenwert ein.

  • Stromversorgung
    Der in den Motoren aus Biodiesel erzeugte Strom dient vollständig der Versorgung der Liegenschaften des Deutschen Bundestages. Zusätzlicher Bedarf wird aus dem öffentlichen Berliner Versorgungsnetz gedeckt und stammt zu 100 % aus erneuerbaren Energiequellen.
  • Biodiesel
    Alle Motoren und der Kessel im Reichstagsgebäude werden mit Biodiesel - die korrekte Bezeichnung ist Rapsmethylester (RME) nach DIN EN 14214 - betrieben. Aus den Körnern des Grundstoffes Raps wird das Rapsöl gepresst. In einer Biodieselfabrik entsteht durch Beimischung von Methanol der Biodiesel. Das dabei gleichzeitig entstehende Glyzerin findet in den anfallenden Mengen in der chemischen Industrie Verwendung. Es entspricht der ökologischen Zielsetzung des Deutschen Bundestages, dass das Vegetationsgebiet des Rapses sowie dessen Verarbeitung zu Biodiesel in geringer Entfernung von Berlin liegen bzw. stattfinden.
    Abgesehen von Spuren der unvermeidlichen Luftschadstoffe wird ein Großteil der Kohlenstoffdioxidemissionen aus dem Verbrennungsvorgang von nachwachsenden Rohstoffen wie z. B. Raps, regional wieder aufgenommen. Ferner ist durch die Verwendung von landwirtschaftlichen Produkten indirekt auch ein Beitrag zur Arbeitsplatzerhaltung in ländlichen Gebieten gegeben.
  • Photovoltaik
    Auf den Dächern des Reichstagsgebäudes, des Paul-Löbe-Hauses und des Jakob-Kaiser-Hauses sind insgesamt ca. 3.600 m² Photovoltaikelemente unterschiedlicher Kollektorbauarten, teilweise dem Sonnenstand nachführbar, aufgebaut. Die Errichtung erfolgte in einem Demonstrationsprogramm des Bundesbauministeriums. Der mit Hilfe der Photovoltaikanlagen gewonnene Strom wird in vollem Umfang in das hauseigene Netz eingespeist.
  • Wärmeerzeugung und -speicherung
    Überschüssige Wärme, die in den mit Biodiesel betriebenen Motoren aufgrund der gekoppelten Strom- und Wärmeerzeugung anfällt und die weder in den Parlamentsbauten zur Beheizung noch zur Kälteerzeugung mit Absorptionskältemaschinen benötigt wird, kann über zwei Bohrungen mit ca. 300 m Tiefe in eine wasserführende Gesteinsschicht vor dem Reichstagsgebäude eingeleitet werden (Wärmespeicher). Dazu wird aus der einen Bohrung das dort in porösem Gestein eingelagerte Wasser mit einer natürlichen Temperatur von ca. 20 °C hochgepumpt, über Wärmetauscher in den Bundestagsgebäuden mit der Überschusswärme aufgeheizt und durch eine ca. 280 m entfernt liegende zweite Bohrung wieder in die Tiefe eingeleitet. Das eingespeicherte Wasser wird mit einer Pumpenleistung von maximal 100 m³/h und einer Temperatur von ca. 60 °C in das Gestein verpresst und in der nächsten Heizperiode mit einer Temperatur von ca. 55 °C wieder heraufgepumpt. Mit fortschreitender Entnahme sinkt die Fördertemperatur, bis bei ca. 30 °C eine wirtschaftlich nutzbare Wärmeentnahme beendet ist.
  • Kälteerzeugung und -speicherung
    In der winterlichen Kälteperiode wird Wasser aus Grundwasserbrunnen nördlich des Reichstagsgebäudes über Wärmetauscher in den Parlamentsbauten abgekühlt und in vor dem Reichstagsgebäude liegende Brunnen in einer Tiefe von ca. 60 m wieder eingespeichert (Kältespeicher). Im Sommer bei Kältebedarf erfolgt die Entnahme des eingespeicherten kalten Wassers aus den Brunnen vor dem Reichstag zunächst mit einer Temperatur von ca. 6 °C. Im Laufe des Sommers steigt diese Temperatur je nach Nutzungsintensität bis auf die natürliche Grundwassertemperatur von 11 °C an. Wenn ein größerer gleichzeitiger Kältebedarf in den Parlamentsbauten besteht als aus den Kältespeicherbrunnen entnommen werden kann, wird dieser zunächst über konventionelle Kältemaschinen gedeckt. Steigt der Bedarf noch weiter und längerfristig an, so werden drei über die Abwärme der Motorheizkraftwerke angetriebene Absorptionskältemaschinen zugeschaltet.

4. Haustechnische Anlagen

Zum Konzept der ökologisch orientierten und am Bedarf angepassten Erzeugung von Strom, Wärme und Kälte gehört es, dass diese Energieformen in den haustechnischen Anlagen der Gebäude ebenfalls sparsam verwendet werden. Dazu sind z. B. Lüftungsanlagen mit geringen Antriebsströmen der Ventilatoren konzipiert worden. In vielen Bereichen wird der natürlichen Belüftung, wenn es die Außen- und Innentemperaturen erlauben, schaltungstechnisch der Vorrang vor einer Klimatisierung mit Hilfe von Lüftungsanlagen gegeben. Ferner trägt der passive und aktive Sonnenschutz sowie die Wärmedämmung der Wände und Fenster zur Verringerung des Wärmeeintrags von außen in Sitzungssäle und Büros entscheidend bei. Für die Beleuchtung wurden Leuchten mit hocheffizienten Lampen eingesetzt, die über ein Lichtmanagementsystem bedarfsgerecht ein- und ausgeschaltet werden. Beim notwendigen Austausch von Beleuchtungssystemen liegt der Schwerpunkt heute auf dem Einsatz von LED-Technik.

5. Optimierter Einsatz der Energien im Energieverbund

Neben einem ressourcensparenden Einsatz der Primärenergie gehört auch die bedarfsgerechte Erzeugung von Wärme, Kälte und Strom zum ökologischen Konzept. So ist es möglich, diese Energien in verschiedenen Bereichen der Bundestagsgebäude zu erzeugen und entsprechend dem Bedarf in andere Gebäude zu transportieren. Dafür gibt es ein Verbindungsnetz für Strom auf einer Spannungsebene von 10.000 Volt (10kV) mit Transformatoren in jedem Gebäude. Ebenso kann die erzeugte Wärme zwischen den Häusern auf 110 °C-Temperaturniveau übertragen werden. Alle Gebäude partizipieren an der Kältespeicherung und können teilweise auch das in den Kältemaschinen erzeugte Kaltwasser zum Nachbargebäude bedarfsgerecht transportieren. Dieses Energieverbundsystem wird von einer übergeordneten Automationsanlage gesteuert, die auch manuelle Eingriffe zulässt.

6. Betriebserfahrungen

Der Energieerzeugungsbetrieb wurde in den ersten Betriebsjahren permanent optimiert. Die Kältespeicher arbeiten sehr zufriedenstellend. Die im Wärmespeicher eingelagerte Überschusswärme aus dem Betrieb der Motorheizkraftwerke kann zu ca. 60 % wieder entnommen werden. Insbesondere in den ersten Betriebsjahren wurde der Betrieb der Kälte- und Wärmespeicher durch wissenschaftliche Untersuchungen begleitet.

7. Übertragbarkeit des Energiekonzeptes

Das dargestellte Energieerzeugungssystem für die Bundestagsgebäude erscheint auf andere Gebäude und Verbraucher nur übertragbar, wenn eine ähnliche Verbrauchscharakteristik von Wärme und Strom oder Kälte und Strom vorliegt. Darüber hinaus ist die Speicherung im Untergrund vor dem Reichstagsgebäude nur aufgrund der günstigen örtlichen geologischen Gegebenheiten möglich und kann so nicht überall in Deutschland in dieser Leistungsfähigkeit erwartet werden.

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