Besuch

Sabine Hornig

Es genügt nicht, Inkjet auf archivechtem Büttenpapier, 2018, Unter Verwendung eines Fotos von Achim Melde und von Textpassagen aus Sebastian Bukow und Fabian Voß: „Frauen in der Politik: Der weite Weg zur geschlechtergerechten Repräsentation“ (Böll-Stiftung, 2018)

Die Künstlerin Sabine Hornig (geb. 1964 in Pforzheim), die nicht nur Bildende Kunst sondern auch Bildhauerei studierte, ist nicht nur für ihre Skulpturen und Fotografien, sondern auch für ihre ortsspezifischen Installationen international bekannt. Der Gegenstand ihrer Arbeiten sind oft urbane Räume, deren Formen und Wirkungen auf die darin lebenden Menschen sie beobachtet, verfremdet, in überraschender Weise nachbaut und mit Fotografien von Räumen kombiniert. Auf diese Weise überschreitet Hornig die Grenzen der Kunstgattungen und nutzt deren künstlerische Möglichkeiten für visuelle und inhaltliche Untersuchungen, deren Wirkungen den Raum für den Betrachter unmittelbar verändern. Von besonderem Interesse sind Sabine Hornig dabei Fenster, die sie wie Spiegel- oder Projektionsflächen und als gerahmte Blicke einsetzt, um das Leben davor mit dem dahinter zu überlagern, während sie dabei verschiedene  Perspektiven des Hinein-, Hindurch- und Zurückblickens ins Werk integriert.

Das Hereinschauen ist auch ein leitendes Motiv der Auftragsarbeit, die im Rahmen des Ausstellungsprojekts zu 100 Jahren Frauenwahlrecht entstand und direkt auf das Parlament Bezug nimmt. Sabine Hornig verwendete dafür eine Fotografie aus dem Plenarsaal des  Deutschen Bundestages während einer Abstimmung der Abgeordneten. Dabei verfremdet sie den gewählten Ausschnitt durch einen Eingriff in den fototechnischen Umkehr-Entwicklungsprozess des Negativs: Positiv erscheinen nur die weiblichen  Abgeordneten, alle männlichen Abgeordneten sind wie die Architektur und die Möblierung negativ dargestellt. Auf diese Weise wird der Blick des Betrachtenden automatisch auf die Frauen – und damit auf das Thema des Werks gelenkt: „Über das Bild ist ein Text gelegt, der sich farblich mit dem Untergrund vermischt. Der Textausschnitt behandelt das Thema  Unterrepräsentation der Anzahl der Frauen im Parlament und untersucht die paritätische Ungleichheit. Die Passagen ‚weniger als ein Drittel der Gewählten‘, ‚paritätisch‘ und ‚es genügt nicht‘ sind farblich hervorgehoben. Die Arbeit benutzt die Umkehrung der Farben und des Lichts in der analogen Fotografie und wendet diese inhaltlich an, indem sie Abschnitte invertiert. Die Analoge zum technischen Begriff ‚Entwicklung‘ oder ‚es entwickelt sich‘, kommen hier buchstäblich und thematisch in Bezug auf die paritätische Repräsentation von Frauen im Parlament zum Tragen.“

Sabine Hornig studierte an der Hochschule der Künste Berlin und absolvierte dort auch ihr Meisterschülerstudium. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und Stipendien gefördert, darunter 2015 als Artist in Residence im Museo Nivola, Orani, Italien, 2014 mit einem Stipendium des Goethe Institutes, Bangalore, 2009 mit dem Stipendium des Goethe-Instituts an der Villa Aurora, Los Angeles und dem PS1-Stipendium der Stadt Berlin in New York 2000. Ihre Werke sind in zahlreichen privaten und öffentlichen Sammlungen, unter anderen im Malmö Konstmuseet, in der Pinakothek der Moderne München, in der Bundeskunstsammlung Bonn, in der Sammlung der Deutschen Bundesbank, in der Hamburger Kunsthalle, im Museum of Modern Art (MOMA) New York, in der Guggenheim Collection, New York, im Hirshhorn Museum of Art Washington und dem LACMA Los Angeles. (kvo)

Marginalspalte