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Raoul Dufy

Raoul Dufy, Le Concert, um 1942, Farblithographie, Expl. 6/80

Raoul Dufy, Le Concert, um 1942, Farblithographie, Expl. 6/80 (VG Bild-Kunst, Bonn 2020)

Raoul Dufy, geboren am 3. Juni 1877 in Le Havre (Normandie), gestorben am 23. März 1953 in Forcalquier (Provence)

Vor 67 Jahren, am 23. März 1953, verstarb Raoul Dufy, dessen künstlerischer Werdegang mit den großen Kunstströmungen der modernen französischen Malerei verbunden ist, ein Weg, der ihn vom Impressionismus über den Fauvismus zu ganz eigenen, geradezu musikalischen Farb- und Linienkompositionen führte.

In Dufys Geburtsstadt Le Havre schlug die Geburtsstunde des Impressionismus mit einer Morgenansicht des Hafens: Claude Monets Gemälde „Impression, Sonnenaufgang“ aus dem Jahre 1872 sollte der Bewegung den Namen geben. So waren auch Dufys erste malerische Schritte nach dem Besuch der Abendkurse der „École des Beaux-Arts“ in Le Havre sowie der „École nationale supérieure des Beaux-Arts“ in Paris noch dem Impressionismus verpflichtet. Im Jahre 1905 entdeckte er jedoch auf dem 3. Pariser Herbstsalon, dem „Salon d´Automne“, Werke der Künstlergruppe der „Fauves“ (ein Kritiker hatte die Maler als „Wilde“ verunglimpft) und insbesondere das Werk von Henri Matisse, das ihm seinen weiteren Weg weisen sollte. Die Künstlergruppe der „Fauves“ brach mit der Tradition der illusionistischen Malerei und bezog eine Gegenposition zu Impressionismus und Neoimpressionismus: An die Stelle von Tiefenillusion, Perspektive und Farbverläufen setzten sie, nicht zuletzt unter dem Einfluss japanischer und chinesischer Drucke, reine leuchtende Farbflächen mit kräftigen Umrisslinien. So entstand eine klare Bildkomposition, die der Wiedergabe der Wirklichkeit die Ausdruckskraft von Farben und Formen entgegensetzte - der Auftakt zur klassischen Moderne in der Malerei. Raoul Dufy schloss sich den „Fauves“ an und stellte bald mit ihnen im Herbstsalon aus. Sein Werk wurde schon damals in Deutschland gewürdigt, beispielsweise im Jahre 1911 auf der Ausstellung der Secession in Berlin zusammen mit Werken von Max Liebermann oder Pablo Picasso.

Von diesem Zeitpunkt an gestaltete Dufy seine Bilder allein aus dem expressiven Zusammenspiel von Farbe und Linie, ohne jedoch die existentielle Ausdruckskraft des Expressionismus in Deutschland, wie etwa die Maler der „Brücke“, anzustreben. Das vibrierende Liniengefüge, die eigenwertigen Farben und die Bildkomposition als Ganzes sind bei ihm stets in einem ausgewogenen Gleichgewicht, so dass er eine spezifische französische Tradition heiter-verspielter Lebenszugewandtheit fortführt. Sie reicht zurück in das Frankreich des 17. und 18. Jahrhunderts, zu den idyllisch-arkadischen Szenerien von Claude Lorrain, Jean-Honoré Fragonard und Antoine Watteau. Im Sinne einer ganzheitlichen künstlerischen Weltgestaltung wandte er sich auch der Buchillustration zu und illustrierte Bücher von Guillaume Apollinaire, Stéphane Mallarmé, André Gide oder Paul Claudel. Er gestaltete Keramiken und Fliesen und entwarf in langjähriger Zusammenarbeit für den Modeschöpfer Paul Poiret Stoffmuster, entwickelte Tapisserien, Wandbehänge oder Bühnenbilder. Im Jahre 1937 durfte er für die Weltausstellung in Paris mit „La Fée Electricité“ das seinerzeit größte Gemälde der Welt auf 60 mal 100 Metern ausführen.

Auch wenn sich seine Farbpalette in den 1940er Jahren eintrübte, psychisch bedingt durch eine schwere Arthritis, die ihm das Malen nahezu unmöglich machte, blieb der heitere Grundton seiner Bilder bestimmend und fand weiterhin seinen besonderen Ausdruck in einer eigenen Werkgruppe, den Bildern mit Musik-Motiven. Dufy gestaltete Stillleben von Instrumenten und Partituren als Hommage an Mozart oder Bach, Musikergruppen oder ganze Orchesteransichten. Die Ansicht eines Orchesters erlaubte ihm, das Bild als Fläche ohne tiefenräumlichen Horizont zu strukturieren. Die einzelnen Instrumentengruppen sind wie in einer Notenschrift über die Fläche verteilt, die Musiker und ihre Instrumente zu zeichnerischen Kürzeln gleich Noten reduziert. Das Orchester beginnt als Partitur zu tönen, so wie auch die ineinander übergehenden Farbflächen Tonstimmungen gleich zu schwingen beginnen: Musik und bildende Kunst werden zu einer Einheit. So schrieb Dufy auf einer seiner Lithographien in ein abgebildetes Notenblatt statt seiner Signatur: „Musik und Malerei von Raoul Dufy“ – ein Titel, der auch zu der vorliegenden Lithographie passen würde. „Suggérer c´est créer, et nommer c´est détruire“ bezeichnete Dufy als sein künstlerisches Credo: Die Lithographie „Le Concert“ beschreibt nicht ein Orchester, sie bildet es nicht ab, sondern erzeugt als „tönende Malerei“ (Raoul Dufy) im Betrachter die Suggestion, dass gleich eine Suite von Erik Satie, Maurice Ravel oder Claude Debussy erklingen wird.

Text: Andreas Kaernbach, Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages

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