Besuch

Johannes Heisig: Porträt Wolfgang Thierse

Ein Mann im Rollstuhl sitzt vor einem Wandgemälde, flankiert von zwei stehenden Männern.
Ein Mann im Rollstuhl sitzt vor einem Wandgemälde und spricht zu Zuhörern.

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Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble mit Amtsvorgänger Wolfgang Thierse (links) und Künstler Johannes Heisig (rechts) vor Heisigs Thierse-Gemälde im Paul-Löbe-Haus (DBT/Melde)

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Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble spricht vor Heisigs Thierse-Gemälde im Paul-Löbe-Haus vor Gästen. (DBT/Melde)

Der 1953 in Leipzig geborene Künstler Johannes Heisig steht als Maler und Grafiker in der Tradition des expressiven Realismus. Neben (Stadt-) Landschaften sind dabei Menschen das zentrale Thema seines umfangreichen Werks, das auf der Suche nach „Weltgefühl“ (Johannes Heisig) Privates mit Politischem und individuelle Gefühlslage mit gesellschaftlicher Stimmung zu komplexen Bildwelten verwebt. Selbst so universelle Ereignisse wie der Mauerfall bearbeitet Heisig nicht dokumentarisch, sondern in verfremdeten Darstellungen, in denen die Zeitläufte der Geschichte mit dem Moment des Betrachtens zusammenfallen.

Ein anderes durchgehendes Thema Johannes Heisigs sind Porträts, am bekanntesten vielleicht das in zahlreichen Varianten existierende Bildnis Willy Brandts, dem Porträts von Egon Bahr, Johannes Rau, Manfred Stolpe und vieler weiterer Persönlichkeiten nachfolgten.

Der Kunstbeirat des Deutschen Bundestages beauftragte ihn 2016 zunächst mit einem Bildnis Carlo Schmids, dem langjährigen Mitglied und Vizepräsident des Deutschen Bundestages, der als einer der „Väter des Grundgesetzes“ gilt und leidenschaftlicher Europäer war.

Bundestagspräsident a.D. Wolfgang Thierse (geb. 1943 in Breslau) wählte den Künstler im Jahr 2018 für sein Porträt in der Galerie der Bundestagspräsidenten aus. Es entstand in mehreren Sitzungen im Sommer 2018 im Atelier des Malers. Wolfgang Thierse beschrieb diesen Prozess von der Wahl des Malers bis zum fertigen Gemälde so: „Natürlich kannte ich Johannes Heisig. In meinem Büro im Willy-Brandt-Haus hingen graphische Arbeiten von ihm und ich hatte auch schon einmal eine Ausstellung mit Arbeiten von ihm eröffnet. Dabei hatte ich auch Porträts von Johannes Heisig kennengelernt und war seitdem der Überzeugung, dass er ein Maler von großer Charakterisierungskunst und malerischer Raffinesse ist. Und ein Maler, der sich solche Portraits nicht leicht macht. Wir haben drei Tage lang in seinem Atelier zusammen gesessen. Das war nie langweilig, sondern sehr unterhaltsam, denn wir hatten viel gemeinsamen Gesprächsstoff: über die DDR und ihr Ende, über das, was bleibt und nicht bleibt, nicht bleiben soll, über die Künste und die Künstler in und aus der DDR, über die gegenwärtigen Zeitläufte. Johannes Heisig ist ein wacher und intelligenter Zeitgenosse, mit dem man gut diskutieren kann – und wir haben das intensiv getan, während er am Porträt arbeitete. Er hatte vorher nicht etwa viele Skizzen angefertigt, sondern sofort auf die Leinwand gemalt und daran immerfort Veränderungen vorgenommen. Dies wissend, habe ich nach dem dritten Tag gesagt: ‚Das Bild ist jetzt ganz gut. Ich bin eigentlich ziemlich zufrieden.‘ Seine Antwort war: ‚Das ist gut zu hören! Allerdings bleibt am Ende tatsächlich nur das eigene (von stets virulenten Unsicherheiten schwer gefährdete) Urteil. Und das weist mich ziemlich unnachsichtig noch auf verschiedene Schwächen unseres Bildes hin. Die liegen nicht unbedingt im ’Ähnlichen‘ und so bin ich zuversichtlich, sie beheben zu können, ohne Ihren günstigen Eindruck des Ganzen etwa noch zu gefährden. Erstmal muss das Ganze schön trocknen. Ich werde mir Ihre Aufforderung zur Beherrschung zu Herzen nehmen.‘ An  meinem Bild hat er weiter gearbeitet, er hat sogar noch erhebliche Veränderungen vorgenommen. Ich bin befangen, wie das natürlich so ist, wenn man selber das Objekt, der Dargestellte des Bildes ist. Ich bin befangen, aber ich bin ganz zufrieden mit dem Bild – und ich hoffe, die Anderen, die es gelegentlich sehen, auch. Und, dass sie den Eindruck gewinnen, es hätte etwas mit dem Porträtierten zu tun. Was will man mehr von einem Porträt sagen können. Jedenfalls der Betroffene darf nicht mehr sagen. Alles andere ist dem Urteil der Fachkundigen, der Zeitgenossen und der Nachfahren überlassen.“

Johannes Heisig
(geb. 1953)
1973 – 1977 Studium der Malerei und Grafik an der Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig, Mitarbeit in der Werkstatt des Vaters Bernhard Heisig
1978 – 1990 Meisterschüler bei Gerhard Kettner an der Hochschule für Bildende Künste Dresden
1979 – 1980 Stipendium an der F + F Schule für experimentelle Gestaltung Zürich
1980 – 1991 Lehrtätigkeit an der Dresdner Hochschule, ab 1988 als Professor für Malerei und Grafik
1989 – 1991 Rektor der Hochschule für Bildende Künste Dresden
Seit 1991 als freier Professor an verschiedenen Hochschulen und als freischaffender Künstler in Dresden und Berlin tätig.
Johannes Heisig lebt und arbeitet seit 2015 in der Ostprignitz in Brandenburg.

Text: Kristina Volke, Stellvertretende Leiterin und Kuratorin der Kunstsammlung des Deutschen Bundestags.

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