Große Probleme, kleine Erfolge: Griechische Abgeordnete im Bundestag
Griechenland befindet sich weiterhin im Krisenmodus, auch wenn die Berichterstattung darüber in den Medien zurückgegangen ist. Die Verhandlungen zwischen Athen und seinen internationalen Gläubigern nach dem Muster „Kredite gegen Reformen“ setzen sich fort. Bereits im Juli benötigt die griechische Regierung neues Geld aus dem dritten Rettungsprogramm, um fällige Schulden zu begleichen. Insgesamt hat der griechische Staat mittlerweile einen Schuldenberg von mehr als 300 Milliarden Euro angehäuft.
Annette Groth (Die Linke), Vorsitzende der Deutsch-Griechischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag, vom 24. bis 27. April 2017 Gastgeberin einer Delegation der Griechisch-Deutschen Parlamentariergruppe des Athener Parlaments mit dem Vorsitzenden Athanasios Athanasiou und seinem Stellvertreter Christos Staikouras, zeichnet ein düsteres Bild der wirtschaftlichen und sozialen Lage in dem Land.
„Die Leute sind erschöpft und depressiv“
Gerade erst haben sich Griechenland und die internationalen Geber auf neue Sparanstrengungen Athens in den Bereichen Renten und Steuern geeinigt. Wenn am 22. Mai die Finanzminister der Eurogruppe dem jetzt erreichten Deal ihren Segen geben, kann Athen frisches Kapital bekommen. Die mittlerweile zwölfte Rentenkürzung innerhalb weniger Jahre stehe demnächst an. Warum aber hört man nun nicht mehr viel von Massenprotesten, woher die relative gesellschaftliche Ruhe? „Die Menschen gehen nicht mehr auf die Straße. Die Leute sind erschöpft und müde, die Stimmung ist depressiv“, sagt die Abgeordnete der Linken.
Einziger Lichtblick: Das von der Bundesrepublik Deutschland in Griechenland geförderte System der dualen Berufsausbildung trage Früchte. 80 Prozent der Absolventen des neuen dualen Ausbildungssystems in der Tourismusbranche hätten einen Job gefunden. Das Bundesbildungsministerium wolle seine Kooperation mit Griechenland im Bereich der Forschung fortsetzen und ausbauen.
Groth weiter: „Gerade Deutschland hat eine Verpflichtung, Griechenland zu helfen, ökonomisch und sozial wieder auf die Beine zu kommen. Es war ja auch die deutsche Spar- und Austeritätspolitik, die Staaten wie Griechenland wirtschaftlich geschadet haben.“
Groth: Erfolg wächst aus dem Kleinen
Diese Stimmung zwischen allseitiger Niedergeschlagenheit und vereinzelten Hoffnungsschimmern hätten auch ihre griechischen Parlamentarierkollegen in Berlin vermittelt, erzählt Groth. Der Austausch im Rahmen der parlamentarischen Zusammenarbeit sei dabei äußerst wertvoll, das persönliche Gespräch durch nichts zu ersetzen, um einander die eigenen Positionen zu erläutern und die aktuelle Lage im Partnerland besser zu verstehen. Nur so könne die Bundesrepublik ihre Unterstützung für Griechenland optimieren. An der Deutsch-Griechischen Parlamentariergruppe des Bundestages beteiligen sich etwa 20 Abgeordnete aller Fraktionen.
Ob mit Finanzhilfen oder Expertise aus der Verwaltung – Deutschland erbringe bereits seit Jahren ein breites Spektrum an Hilfsleistungen für Griechenland. Bundesregierung, Parlamentarier sowie private Unternehmen und Organisationen initiierten laufend neue Projekte, um Griechenland voranzubringen. Das reiche von der Modernisierung der Abfallwirtschaft auf den Inseln, über die Idee, die Tourismussaison mit Kurangeboten zu verlängern bis hin zu Start-up-Geschichten wie die von Green Cola. „Der Erfolg, der sich auch für Griechenland wieder einstellen muss, wächst aus dem Kleinen“, ist Groth überzeugt.
Es liege ganz klar im Interesse Deutschlands, das in die Europäische Union eingebettet sei und davon massiv profitiere, alles daran zu setzen, dass diese Union erhalten und verbessert werde. „Wir müssen Griechenland, ja alle EU-Krisenländer, wirtschaftlich konsolidieren, um die Gemeinschaft zusammenzuhalten.“
„Medien haben übertrieben“
Es war der Parlamentariergruppe bei diesem Delegationsbesuch, wie auch bei den zahlreichen anderen Treffen zwischen Abgeordneten beider Länder, ein wesentliches Anliegen, weiter an der Rückkehr zur Normalität der Beziehungen zwischen Athen und Berlin zu arbeiten und verloren gegangenes Vertrauen wiederzugewinnen – war doch seit 2010 in Medien und Öffentlichkeit beider Länder teils heftig über den richtigen Weg aus der Finanz- und Schuldenkrise gestritten worden.
Die oft unseriöse, populistische und beleidigende Berichterstattung der vergangenen Jahre ärgert Groth noch immer. Viel Porzellan sei dadurch zerschlagen worden. Das habe auch den politischen Prozess belastet. „Wir Politiker haben uns immer sofort bemüht, die Wogen zu glätten. Für die miese Berichterstattung mancher Medien haben wir uns immer wieder beim griechischen Botschafter in Berlin entschuldigt“, so die Abgeordnete. Dieser Feldzug der Medien habe nun zum Glück aufgehört. „Viele Medien haben eingesehen, dass sie übertrieben haben.“
In Europa, wo man doch in ganz vielen Bereichen laufend ganz eng zusammenarbeite, müsse man vernünftig miteinander reden, beschwört Groth einen kooperativeren Geist und einen freundlicheren und konstruktiveren Umgangston. Ihre eigenen Erfahrungen mit griechischen Kolleginnen und Kollegen seien im Übrigen durchweg positiv, auch Freunde wüssten nichts Negatives zu berichten. Klischees gehörten in die Schublade, in der Realität arbeite man gut zusammen.
Ausbau der Beziehungen
Im Programm des Delegationsbesuchs nahm die Frage, wie sich die Beziehungen verbessern ließen, ja, wie sich die Zusammenarbeit ausbauen ließe, breiten Raum ein. Zu den Gesprächsthemen gehörte auch, wie man angemessen mit dem Aufstieg populistischer, antieuropäischer Bewegungen in vielen EU-Ländern umgehen solle. Die griechischen Parlamentarier kamen dazu mit Mitgliedern des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union und dem Parlamentarischen Staatssekretär des Ministeriums für Bildung und Forschung, Thomas Rachel (CDU), zusammen, und wurden von Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert empfangen.
Sie führten außerdem Gespräche im Finanzausschuss sowie im Ausschuss für Arbeit und Soziales. Dort ging es um die in vielen EU-Ländern noch hohe Arbeitslosigkeit, die Haushaltsführung und den Schuldenstand in den Krisenländern sowie die Prioritäten der Wachstumspolitik zwischen Strukturreformen und Finanzliquidität. Die Gäste kamen zu diesen Fragen auch mit Vertretern des Auswärtigen Amtes, des Bundesfinanzministeriums und des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zusammen.
Partner in der Flüchtlingskrise
Neben dem Austausch aktueller Daten zu Wirtschaft und Staatshaushalt sprachen die Abgeordneten auch über den weiteren Umgang mit den Flüchtlingen, die vor allem in den südeuropäischen EU-Ländern Zuflucht gesucht haben. Die Athener Regierung kämpfe immer noch mit überfüllten Lagern auf den Inseln. Dies liege nicht etwa allein am organisatorischen Unvermögen der Regierung, sondern auch daran, dass der EU-Flüchtlingspakt noch immer nicht richtig funktioniere, erklärt Groth.
„Die Griechen fragen sich, warum die anderen EU-Länder nicht, wie zugesagt, ihre vereinbarten Kontingente an Geflüchteten aufnehmen.“ Zufällig an der gemeinsamen EU-Außengrenze gelegenen Ländern müsse im Geist europäischer Solidarität geholfen werden. Die deutsche Haltung in der Flüchtlingspolitik quittiere man in Griechenland mittlerweile mit Respekt. Berlin nehme Athen damit, im Gegensatz zu anderen EU-Mitgliedern, eine Last ab.
„Beschämende Situation in vielen Flüchtlingslagern“
Griechenland sei von dem Zustrom an Flüchtlingen schlicht überrollt worden, erinnert die Vorsitzende der Parlamentariergruppe an die Zeit vor zwei, drei Jahren. Die Situation in vielen Flüchtlingslagern, auch in den neu eingerichteten sogenannten Hotspots der EU, sei weiterhin beschämend und verletze die Menschenrechte. Beim Thema Flüchtlinge weiß die Bundestagsabgeordnete, die auch Mitglied des Migrationsausschusses des Europarates in Straßburg ist und in dieser Funktion seit 2011 zahlreiche Flüchtlingslager kennengelernt hat, wovon sie redet. „Ich bin wahrscheinlich die einzige Politikerin, die so viele griechische Flüchtlingslager besucht hat“, vermutet sie.
Ein Besuch im Jahr 2011 in einem griechischen Auffanglager nahe der Grenze zur Türkei geht ihr dabei nicht mehr aus dem Kopf. Die sie begleitenden griechischen Abgeordneten, die damals selbst erstmals die Lage in Augenschein genommen hätten, seien fassungslos und peinlich berührt gewesen über die dort herrschenden Zustände der Überbelegung, fehlenden Koordination und des Mangels. „Sie waren schockiert, dass so etwas in Griechenland, im Handlungsbereich ihrer Regierung, geschehen konnte.“ (ll/04.05.2017)