Streit um Mietpreisbremse und Liegenschaftspolitik
In einer Debatte über vier Anträge der Fraktion Die Linke zu Mietrecht und Immobilienmarkt am Donnerstag, 29. September 2016, zeigten sich große Gegensätze zwischen den Koalitionsfraktionen. Im Mittelpunkt stand dabei ein Referentenentwurf des sozialdemokratisch geführten Justizministeriums zur Mietrechtsreform, über den innerhalb der Bundesregierung bisher keine Einigung erzielt werden konnte. Hintergrund sind massive Mietsteigerungen in vielen Ballungsgebieten.
Linke: Lücken bei Mietpreisbremse schließen
Trotz Einführung der Mietpreisbremse seien die Mieten explodiert, beklagte Caren Lay (Die Linke), etwa in Berlin um 17 Prozent innerhalb eines Jahres. „An diesem Gesetz stimmt nur die Überschrift, und das muss sich endlich ändern“, forderte Lay. Es gebe bei dem Gesetz zur Mietpreisbremse zu viele Ausnahmen, die zu seiner Umgehung genutzt würden. Diese Lücken zu schließen „wäre der richtige Weg“, sagte Lay mit Blick auf den Referentenentwurf, der genau das vorschlägt. Ebenso brauche es „empfindliche Sanktionen“ gegen Vermieter, die gegen die Mietpreisbremse verstoßen. Aber, klagte Lay, „die zweite Mietrechtsnovelle dümpelt im Kabinett seit einem Dreivierteljahr vor sich hin“.
Scharf kritisierte Lay auch die Modernisierungsumlage, mit der die Kosten einer Erhöhung des Wohnstandards auf die Mieter umgelegt werden können. Am besten wäre deren Abschaffung, sagte Lay. Wenigstens aber solle man sie absenken, wie es Die Linke in ihrem neuen Antrag fordere. Der CDU/CSU-Fraktion warf Lay eine „Politik für Kapitalanleger“ vor und appellierte an die SPD-Fraktion: „Warten Sie nicht mehr auf den Koalitionspartner“, sonst „wird es nichts mehr in dieser Legislaturperiode“.
CDU/CSU: Bauen, bauen, bauen
Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) entgegnete, es bestehe „große Einigung im Ziel, dass wir mehr bezahlbaren Wohnraum brauchen“. Was Die Linke vorlege, seien jedoch „populistische Forderungen“. Tatsächlich gehe es um komplexe Aufgaben, zu denen unter anderem auch die energetische Sanierung und der altersgerechte Umbau gehörten. „Welche Maßnahmen zielführend sind, diskutieren wir gerade in der Koalition.“
Neben den von der Opposition angeführten Studien zur Wirkung der Mietpreisbremse gebe es auch solche, die zu anderen Ergebnissen kommen, sagte Luczak. Deshalb sei es richtig, dass das Bundesjustizministerium eine eigene, unabhängige Studie in Auftrag gegeben hat. Die Mietpreisbremse gebe den Mietern Rechte, die diese aber auch wahrnehmen müssten, um beispielsweise überhöhte Mieten zurückzuverlangen.
Luczak mache aber auch deutlich, dass es „mit uns“ keine Streichung der Ausnahmen von der Mietpreisbremse geben werde, „weil wir nicht wollen, dass sie zur Investitionsbremse wird“. Denn Kern des Problems sei, dass es „zu wenig Wohnungen in diesem Land“ gibt, und deshalb müsse man „bauen, bauen, bauen, und zwar schnell“. Die Politik müsse „alles tun, um das Investitionsklima zu verbessern“. Ein Weg sei die steuerliche Förderung des Mietwohnungsbaus, aber der sei „auf den letzten Metern an der SPD gescheitert“.
Grüne: Spekulant auf der Regierungsbank
Christian Kühn (Bündnis 90/Die Grünen) warf Luczak vor: „Sie wollen einfach nicht, dass die Mietpreisbremse funktioniert.“ Man müsse bei ihr „Schlupflöcher“ schließen, „sonst wird die Bremse nicht bremsen“. Kühn beklagte die Spekulation auf dem Wohnungsmarkt, um dann an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gerichtet anzufügen: „Einer der größten Spekulanten sitzt hier auf der Regierungsbank.“
Denn Schäuble beharre darauf, dass die ihm unterstehende Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) ihre Wohnungen und Grundstücke zu Höchstpreisen verkauft, statt sie günstig zur Verfügung zu stellen, „damit Sie da bauen, bauen, bauen können“.
Regierung: Schon viel getan
Für die Bundesregierung wies der Parlamentarische Staatssekretär im Justizministerium Ulrich Kelber (SPD) darauf hin, dass bereits viel für Verbesserungen auf dem Wohnungsmarkt getan worden sei. So habe der Bund seit 2013 die Mittel für den Wohnungsbau verdreifacht, und es werde bereits deutlich mehr gebaut. Kelber warb aber auch für Nachbesserungen bei der Mietpreisbremse sowie für eine „Kappungsgrenze für Verdrängungsmodernisierungen“.
Aus dem öffentlich gewordenen Referentenentwurf seines Hauses könne „jeder sehen, mit welcher Position wir innerhalb der Koalition werben“, sagte Kelber. Er sei sich sicher, fügte er an die CDU/CSU-Fraktion gerichtet an, „wir werden Sie auch beim Mietrechtspaket noch überzeugen können“.
„Strangulierung durch Überregulierung“
Zumindest beim nachfolgenden Redner Dr. h.c. Hans Michelbach (CDU/CSU) war das allerdings noch nicht zu erkennen. Die Vorschläge zur Verschärfung der Mietpreisbremse bedeuteten „eher eine Strangulierung des Mietwohnungsbaus durch Überregulierung“. Die Koalition habe „Gesetze verabschiedet, zu denen wir gemeinsam stehen“, sagte er mit Blick auf die geltende Mietpreisbremse.
Michelbach verteidigte auch das Vorgehen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Diese sei „verpflichtet, Bundesliegenschaften zum vollen Wert zu veräußern. Dies gelte auch für das umstrittene Dragoner-Areal in Berlin-Kreuzberg. Dieses hatte die BImA vor einem Jahr an einen Finanzinvestor verkauft, der aber bisher keinen Wohnungsbau in Angriff genommen hat.
In einem ihrer Anträge (18/9790) fordert die Linksfraktion deshalb die Rückabwicklung und den preisgünstigen Verkauf an das Land Berlin. Diese Vorschläge seien, kritisierte Michelbach, “nichts anderes als Untreue gegenüber dem deutschen Steuerzahler„. Finanzminister Schäuble dagegen sei “allein gültigen Gesetzen verpflichtet„. Gesetze könne man aber auch ändern, entgegnete Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke), da könne sich “kein Abgeordneter herausreden„.
“Populist und Gauner sind Sie!„
Genau eine solche Änderung des BImA-Gesetzes sowie der Haushaltsordnung forderte die Kreuzberger SPD-Abgeordnete Cansel Kiziltepe. Sie forderte nachdrücklich, den Verkauf des Dragoner-Areals rückgängig zu machen. Dem CDU-Abgeordneten Luczak, der Forderungen nach einer schärferen Mietpreisbremse populistisch genannt hatte, hielt Kiziltepe vor: “Der einzige Populist und Gauner sind Sie!„ Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CDU/CSU) bat sie daraufhin um eine “parlamentarische Wortwahl„.
Ulli Nissen (SPD) führte die viel beklagte Wirkungslosigkeit der Mietpreisbremse auch darauf zurück, dass viele Menschen nicht über ihre Rechte informiert seien. Sie schlug deshalb vor, Vermieter zu verpflichten, zu jedem Mietvertrag im Geltungsbereich der Mietpreisbremse ein Informationsblatt auszuhändigen.
Anträge der Linken abgelehnt
Schließlich wurden die beiden älteren, bereits in den Ausschüssen behandelten Anträge der Linken in namentlicher Abstimmung mit großer Mehrheit abgelehnt. Der Antrag “Mieterinnen und Mieter besser schützen – Zweite Mietrechtsnovelle vorlegen„ (18/8863, 18/9696) fand außer in den eigenen Reihen auch bei den Abgeordneten der Grünen Unterstützung. 467 Abgeordnete lehnten ihn ab, 114 befürworteten ihn.
Bei dem Antrag “Privatisierung von Bundesliegenschaften stoppen – Liegenschaftspolitik des Bundes nachhaltig reformieren„ (18/4419, 18/6686) enthielten sich die Grünen. 466 Abgeordnete stimmten dagegen, 57 dafür, ebenfalls 57 enthielten sich. Die beiden neuen Anträge “Mietpreisbremse wirkungsvoll ausgestalten„ (18/9123) und “Dragoner-Areal dem Land Berlin zum Kauf anbieten„ (18/9790) verwies das Plenum an die Ausschüsse. (pst/29.09.2016)