Wirtschaft

Gabriel: Exzellente Bilanz der wirtschaftlichen Entwicklung

Mit einer optimistischen Lagebeschreibung der deutschen Wirtschaft und einem nicht sorgenfreien Blick in deren Zukunft hat sich Sigmar Gabriel (SPD) am Donnerstag, 26. Januar 2017, im Bundestag von seinem Amt als Bundesminister für Wirtschaft und Energie verabschiedet. „Intensiv und streitbar“ habe er sich mit dem Parlament auseinandergesetzt. Er müsse jetzt wohl „diplomatischer werden“, meinte er mit Blick auf seine neue Aufgabe als Außenminister.

Gabriel sagte, er habe dreimal in den Jahreswirtschaftsberichten „gute Nachrichten verkünden“ können – „auch heute“. Die Regierung habe zu der „exzellenten Bilanz der wirtschaftlichen Entwicklung“ beigetragen. Im Kern sei es aber der Erfolg vieler Menschen, die mit harter Arbeit die Ursachen dafür gelegt hätten.

Minister: Europafeindlichkeit riesige Gefahr„

Es seien “endlich mehr, aber bei Weitem nicht alle„ Menschen, die von der guten Wirtschaftslage profitieren könnten. “Wohlstand für alle„, übersetzte er mit einem Zitat von Ludwig Erhard den Titel des Jahreswirtschaftsberichts 2017: “Für inklusives Wachstum„. Davon sei Deutschland noch “ein gutes Stück entfernt„, freilich auch “ein gutes Stück vorangekommen.

In der „Europafeindlichkeit“ sieht Gabriel eine „riesige Gefahr“. Das „Auseinanderfallen“ drohe. Je nach Ausgang der bevorstehenden Wahlen in den Niederlanden und Frankreich werde Deutschland mit seiner Europafreundlichkeit einsam. Wobei auch „unser Land nicht immun“ sei, wie „hasserfüllte Töne“ zeigten.

„Vorfahrt für Investitionen“ 

In der Diskussion um Haushaltsüberschüsse setzte sich Gabriel von denen ab, die der Schuldentilgung den Vorrang geben. Er forderte stattdessen: „Vorfahrt für Investitionen.“ Zugleich setzte er sich für Entlastungen der Bürger ein – „nicht mit der Gießkanne und für Millionäre“, sondern für Familien und Alleinerziehende. Das könne auch durch Senkung der Sozialausgaben geschehen.

Gabriel blickte auf den bevorstehenden Wahlkampf. Der sei zwar „keine Klosterschule“. Aber den Wahlkämpfern müsse klar sein, dass sie „politische Wettbewerber“ und „keine politischen Feinde“ seien. Er warnte vor nicht einzuhaltenden Wahlversprechen. Die seien „kleine Verbrechen an der Demokratie“.

Linke: Ungleiche Vermögensverteilung zentrales Problem

Klaus Ernst (Die Linke) kritisierte, aus dem ursprünglichen Titel des Jahreswirtschaftsberichts sei gestrichen worden, dass es auch um die „soziale Teilhabe“ gehe. Offenbar sei dies in der Regierung umstritten gewesen. So wäre es denn seiner Ansicht nach „das Schlimmste, was passieren könnte“, wenn die jetzige Koalition nach der nächsten Bundestagswahl weitermachen würde.

Die ungleiche Vermögensverteilung bis hin zur Armut sei ein „zentrales Problem“ in Deutschland. Ob großer Niedriglohnbereich, ob kleine Renten: „Die Realität blenden Sie aus“, hielt Ernst der Koalition vor: „Damit stärken Sie den rechten Rand.“

CDU/CSU: Energiekosten laufen aus dem Ruder

Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU) gab in seiner, wie er sagte, letzten Debatte zu einem Jahreswirtschaftsbericht der Arbeit des Regierungsbündnisses auch gute Noten: Es sei „keine Liebeshochzeit, sondern eine Arbeitskoalition“ gebildet worden.

Allerdings setzte er sich deutlich von der positiven Gabriel-Bilanz zur Energiepolitik ab. Dieser Bereich mache ihm „wirklich Sorge“, weil die Kosten „völlig aus dem Ruder“ liefen. Dadurch werde die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft gefährdet. Er beklagte, dass Deutschland im Bereich der Digitalisierung „ziemlich rückständig“ sei. Der Ausbau müsse so schnell wie möglich angegangen werden.

Grüne beklagen zu geringe Investitionen 

Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) teilte Gabriels positive Einschätzung der wirtschaftlichen Lage. Doch der Erfolg sei eher den Niedrigzinsen und dem niedrigen Ölpreis zu verdanken: „Nicht wegen, sondern trotz der Koalition geht es diesem Land gut.“ Angesichts der maroden Infrastruktur sei zu wenig investiert worden, kritisierte er die „schwarze Null, die Sie wie eine Monstranz vor sich her tragen“, wie er der Koalition vorhielt.

Er habe Aussagen von Gabriel vermisst, wie der Klimawandel bei Erhalt der Arbeitsplätze gestoppt werden könne. Für erneuerbare Energien dürfe es keinen Ausbaudeckel geben. Brexit, Protektionismus, Abschottung: Womöglich gehöre er zur letzten Genration, die das „Friedensprojekt“ Europa noch sichern könne.

Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung

Grundlage war der Jahreswirtschaftsbericht 2017, den die Bundesregierung als Unterrichtung vorgelegt hat. Dazu liegt ebenfalls als Unterrichtung das Jahresgutachten 2016/2017 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (18/10230) vor.

Gegen das Votum der Opposition abgelehnt hat der Bundestag einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen (18/7363), in dem die Bundesregierung aufgefordert worden war, zusammen mit dem Jahreswirtschaftsbericht 2017 einen Jahreswohlstandsbericht vorzulegen. Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hatte dazu eine Beschlussempfehlung (18/7599) vorgelegt.

Wachstum von 1,4 Prozent erwartet

Die Bundesregierung erwartet für das laufende Jahr eine Zunahme des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts um 1,4 Prozent. Der leichte Wachstumsrückgang sei nicht Ausdruck einer sich eintrübenden wirtschaftlichen Perspektive, sondern lasse sich zum großen Teil auf den Effekt einer geringeren Anzahl von Arbeitstagen im Vergleich zum Vorjahr zurückführen.

Die mit der Arbeitsmarktentwicklung steigenden Einkommen bildeten bei einem gemäßigten Anstieg der Verbraucherpreise günstige Rahmenbedingungen für die privaten Haushalte. Diese weiteten ihre Konsumausgaben im Vergleich zur jüngeren Vergangenheit überdurchschnittlich aus und investierten kräftig in Wohnbauten, heißt es in dem Bericht. Der Staatshaushalt habe 2016 einen Überschuss in Höhe von 0,6 Prozent in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt erzielt.

Gute Lage der öffentlichen Haushalte

Die gute Lage der öffentlichen Haushalte ermögliche steigende Ausgaben des Staates für Konsum und Investitionen. Die deutschen Unternehmen würden 2017 etwas mehr in Ausrüstungen und Maschinen investieren, um die langsam steigende Nachfrage aus dem Ausland bedienen zu können. Angesichts der leicht überdurchschnittlichen Kapazitätsauslastung in der Industrie dürften neben den Ersatzinvestitionen auch Erweiterungsinvestitionen etwas an Bedeutung gewinnen, so die Bundesregierung.

Der Welthandel bleibe dagegen verhalten und könnte zudem durch protektionistische Strömungen beeinträchtigt werden. Die Risiken, insbesondere aus dem außenwirtschaftlichen Umfeld, blieben beachtlich. Dies dämpfe die Aussichten für die Exporte und damit auch die Investitionsneigung der Unternehmen in Ausrüstungen und Bauten. Alles in allem sei derzeit jedoch kein Abbruch des stetigen Aufwärtstrends absehbar.

Grüne fordern Jahreswohlstandsbericht 

Der von den Grünen geforderte Jahreswohlstandsbericht sollte vier Dimensionen beschreiben: eine ökologische Dimension (Indikatoren zum Verbrauch natürlicher Ressourcen und zur Biodiversität), eine soziale Dimension (Indikatoren zur Einkommensverteilung sowie zum Bildungs- oder Gesundheitszustand), eine ökonomische Dimension (Indikatoren zur Wohlfahrtsentwicklung und zur ökologischen Modernisierung der Wirtschaft) sowie eine gesellschaftliche Dimension (Indikatoren zur Lebenszufriedenheit und zur Good Governance). Ein solcher Bericht ermögliche eine wissenschaftlich fundierte Diskussion der Wirkungen der Regierungsarbeit auch auf Bereiche, die im Jahreswirtschaftsbericht mit dessen Fokussierung auf das Wirtschaftswachstum ausgeblendet würden, schreibt die Fraktion zur Begründung.

In dem Jahresgutachten 2016/2017 äußert der Sachverständigenrat die Ansicht, dass sich der Aufschwung in Deutschland und im Euroraum fortsetzen wird. Der Rat erwartet einen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts von 1,9 Prozent in 2016. In diesem Jahr soll der Wert 1,3 Prozent betragen. Die gute ökonomische Entwicklung, so die Sachverständigen, sei jedoch von der Bundesregierung nicht ausreichend genug für Reformen genutzt worden. Kritisiert wird außerdem die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und anderer Zentralbanken. (fla/sas/vom/26.01.2017)

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