Wirtschaft und Kommunen sind unterschiedlicher Auffassung bei der Bewertung des Gesetzentwurfs der Regierung zu einem neuen Verpackungsgesetz (18/11274). Während sich die Vertreter der Industrie in der Anhörung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit unter Leitung von Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen) zu dem Entwurf am Montag, 20. März 2017, zufrieden zeigten, forderten die Sachverständigen von den Städten, Kommunen und Landkreisen deutliche Nachbesserungen.
Kommunen: Verpackungsrecht anpacken
So sagte Detlef Raphael vom Deutschen Städtetag. Man habe lange nach einem Weg gesucht, wie die Kommunen die volle Sammlungsverantwortung innehaben könnten. Da sich in Gesprächen mit der Wirtschaft abgezeichnet habe, dass es dafür keine Zustimmung geben würde, sei es tatsächlich nötig, das Verpackungsrecht anzupacken.
Allerdings seien in dem Entwurf die Vorschläge aus dem Verbändepapier nicht enthalten – er sei daher „so nicht zustimmungsfähig“. Bisher sei etwa nicht hinreichend verankert, dass die kommunale Seite über den Abholrhythmus bestimmen könne. Gleichzeitig könnten die bisherigen Festlegungen zu den Informationspflichten dazu führen, dass es „doppelte Informationsrechte und –pflichten“ geben könnte.
Internationale Vorreiterrolle Deutschlands
Für den Handelsverband Deutschland (HDE) sagte Kai Falk, man unterstütze den Entwurf und befinde sich dabei „im Boot“ mit den anderen Inverkehrbringern. Der Entwurf schaffe die Voraussetzungen dafür, dass Deutschland seine „internationale Vorreiterrolle“ halten und ausbauen könne. So werde das duale Wertstoffsystem zukunftsfähig gemacht. Die geplante Schaffung einer „Zentralen Stelle“ für die Marktüberwachung und den Vollzug sei der richtige Schritt. Dass die Mehrwegquote nicht angehoben werden soll, sei angesichts des vorgesehenen dauerhaften Pflichtpfands folgerichtig.
Auch Peter Kurth vom Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft lobte den Entwurf. Sowohl die Erhöhung der Recyclingquote als auch die Einführung der „Zentralen Stelle“ seien Schritte nach vorn. Er würde es begrüßen, wenn der Entwurf in seiner jetzigen Form verabschiedet würde. Vorschläge des Bundesrates etwa zu den Regelungen beim Altglas umzusetzen, wäre dagegen „ein schwerer Fehler“. Hier gebe es bereits eine „etablierte und gute Sammelstruktur“.
Kampf für ein Wertstoffgesetz
Der Kritik des Städtetags schloss sich dagegen Dr. Kay Ruge vom Deutschen Landkreistag an. Er hätte „lieber ein Wertstoffgesetz“ diskutiert, so der Experte, und bedauere, dass dies nicht zustande gekommen sei. Er erwarte, dass die Kritik des Bundesrats aufgegriffen werde. Bisher sorge die Frage der Abstimmung zwischen dem dualen System und den Kommunen in der Praxis immer wieder für Streit.
Für die Remondis Assets & Services GmbH sagte Herwart Wilms, auch er habe eigentlich für ein Wertstoffgesetz gekämpft, sei nun aber „dankbar“ für die höhere Quote, die das Verpackungsgesetz vorsehe. Bisher habe ihm noch niemand erklären können, warum es von der Flüssigkeit in einer Flasche abhängig sei, ob darauf Pfand erhoben werde. Grundsätzlich seien die Einwände des Bunderates „nicht geeignet“, das Gesetz aufzuhalten.
Experten monieren Fehler im System
Für eine grundsätzlich andere Diskussion plädierte Dr. Tanja Wielgoß von der Berliner Stadtreinigung. Zahlen zeigten, dass inzwischen 25 Prozent der Deutschen nicht mehr an die Abfalltrennung glaubten – und das „aus gutem Grund“. Die bisherigen Probleme seien im System „nicht kurierbar“.
Für die Deutsche Umwelthilfe sagte Jürgen Resch, der Entwurf für ein Verpackungsgesetz müsse in wesentlichen Punkten nachgebessert werden. So solle etwa die Pfandpflicht auf Säfte und Nektare ausgeweitet werden, außerdem müsse es eine Kennzeichnung auf den Produkten geben.
Bewertungen der Fraktionen
Aus den Reihen von CDU/CSU hieß es, man wolle ambitionierte und gleichzeitig machbare Recyclingquoten und freue sich über die grundsätzliche Zustimmung der Experten – auch wenn man wie viele von ihnen eigentlich ein Wertstoffgesetz begrüßt hätte. Dass es dies nicht gebe, sei nicht die Schuld der Union. Das Gesetz bringe Planungssicherheit für die Branche und die Kommunen, stellten Abgeordnete der SPD fest. Man werde aber das Thema Mehrwegquote „nochmal aufnehmen“.
Kritik äußerte dagegen Die Linke: Man habe hinsichtlich der Informationspflichten den Eindruck, es gehe darum, Kosten zu reduzieren und Nutzungsentgelte zu senken. Von den Grünen hieß es, es sei fraglich, woher Mehrheiten für ein Wertstoffgesetz kommen sollten, wenn nicht von den Mehrheitsfraktionen.
Investitionen in technische Innovationen und neue Anlagen
Ziel des Regierungsentwurfs ist es unter anderem, Anreize zum einen für „Investitionen in technische Innovationen und neue Anlagen zu fördern“. Dazu ist geplant, die „bestehenden Verwertungsanforderungen für Verpackungsabfälle spürbar“ anzuheben. Die bisherigen Vorgaben zur Recyclingquote würden „in aller Regel deutlich übererfüllt“, schreibt die Bundesregierung zur Begründung.
Zum anderen will die Regierung auch Anreize in der Verpackungsproduktion setzen. Künftig sollen sich die Beteiligungsentgelte an den jeweiligen Systemen nicht mehr überwiegend an der Masse orientieren, sondern an der späteren Verwertbarkeit. Festgehalten wird weiterhin an der grundsätzlich getrennten Erfassung von Verpackungsabfällen durch die jeweiligen Systeme und stoffgleichen Nichtverpackungen, die in kommunaler Verantwortung liegen. Nach Darstellung der Regierung ist es nicht gelungen, diese Erfassung durch ein Wertstoffgesetz zusammenzuführen.
„Zentrale Stelle“ geplant
Mit dem Gesetzentwurf soll den Kommunen aber die Möglichkeit gegeben werden, gemeinsam mit den dualen Systemen entscheiden zu können, eine einheitliche Wertstoffsammlung „von Verpackungen und stoffgleichen Nichtverpackungen aus Metall und Kunststoff“ durchzuführen. Bestehende Kooperationen sollen damit laut Bundesregierung fortgeführt und neue ermöglicht werden. Die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger sollen zudem gegenüber den dualen Systemen bei Abstimmungen untereinander gestärkt werden.
Der Entwurf sieht zudem Änderungen bei der Marktüberwachung und im Vollzug vor. Dazu soll eine „Zentrale Stelle“, die als eine rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts ausgestaltet werden soll, mit entsprechenden hoheitlichen Befugnissen beliehen werden. Zu deren Aufgaben gehören demnach „die Registrierung der Hersteller und Sachverständigen, die Überwachung der Branchenlösungen, die Entgegennahme und Prüfung der Mengenmeldungen der Hersteller ... und der Systeme, die Entgegennahme und Prüfung der Mengenstromnachweise der Systeme, die Berechnung der Marktanteile der Systeme sowie Einzelfallentscheidungen zu bestimmten Verpackungsarten“. Die Zentrale Stelle soll vor allem für die Marktüberwachung zuständig sein und damit die Landesvollzugsbehörden überwachen.
Stellungnahme des Bundesrates
Der Bundesrat kritisiert in seiner Stellungnahme unter anderem die Regelung zur Pfand- und Rücknahmepflichten für die Einwegverpackungen. Dies würde den „unbefriedigenden Status quo der Verpackungsverordnung im Wesentlichen fortschreiben“. Die Pfandpflicht soll sich nach Auffassung der Länderkammer nicht an „sachfremden Kriterien“ wie Größe oder Inhalt bemessen, sondern sich „an der Art des Materials der Verpackung“ orientieren.
In ihrer Gegenäußerung weist die Bundesregierung die Kritik zurück und lehnt entsprechende Änderungen ab. Die Kriterien seien nicht „sachfremd“, sondern orientierten sich unter anderem an der verfassungsrechtlich gebotenen Verhältnismäßigkeit. Auch die übrigen vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen an dem Entwurf lehnt die Bundesregierung mit einer Ausnahme ab. (suk/scr/20.03.2017)
Liste der geladenen Sachverständigen
- Detlef Raphael, Deutscher Städtetag, Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände
- Kai Falk, Handelsverband Deutschland e.V. (HDE)
- Peter Kurth, Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V. (BDE)
- Dr. Kay Ruge, Deutscher Landkreistag
- Herwart Wilms, Remondis Assets & Services GmbH & Co. KG
- Dr. Tanja Wielgoß, Berliner Stadtreinigung (BSR)
- Jürgen Resch, Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH)