Ohne Aussprache hat der Bundestag am Donnerstag, 27. April 2017, mehrere Vorlagen in zweiter und dritter Lesung auf der Grundlage von Beschlussempfehlungen verabschiedet.
Einheitliches Patentgericht: Einstimmig votiert hat der Bundestag für die Annahme des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (18/11238 neu, 18/11746, 18/11822 Nr. 12) zur Sicherung der Vorrechte und Immunitäten von Mitarbeitern des europäischen, vor der Gründung stehenden Einheitlichen Patentgerichtes. Die Abgeordneten folgten damit einer Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (18/12147). Bei dem Einheitlichen Patentgericht handelt es sich laut Bundesregierung um eine neue internationale Organisation mit Völkerrechtspersönlichkeit handeln. Die daraus folgenden, dem Gericht und seinen Mitarbeitern (Richterinnen und Richtern, der Kanzlerin oder dem Kanzler, der Hilfskanzlerin oder dem Hilfskanzler sowie den Bediensteten) zukommenden Vorrechte und Befreiungen regelt ein Protokoll vom 29. Juni 2016 über die Vorrechte und Immunitäten des Einheitlichen Patentgerichts. Mit dem Gesetzentwurf soll die Zustimmung der Bundesrepublik zu diesem Protokoll festgestellt werden.
Beamte bei Bahn und Post: Mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke hat der Bundestag die Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der personellen Struktur beim Bundeseisenbahnvermögen und in den Postnachfolgeunternehmen sowie zur Änderung weiterer Vorschriften des Postdienstrechts (18/11559) beschlossen. Der Entscheidung lag eine Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses (18/12134) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zugrunde. Die bisherige Möglichkeit für die bei den Postnachfolgeunternehmen im Personalüberhang beschäftigten Beamtinnen und Beamten, mit 55 Jahren ohne Abschlag in Pension gehen zu können, ist zum Jahresende 2016 ausgelaufen. Mit dem Gesetz sollen die Betroffenen auch weiterhin die Möglichkeit erhalten, vorzeitig in den Ruhestand zu treten, sofern sie im Rahmen eines „engagierten Ruhestandes“ für mindestens zwölf Monate eine Tätigkeit im Bundesfreiwilligendienst ableisten oder eine vergleichbare Tätigkeit ausüben wollen.
Regelungen über Funkanlagen: Der Bundestag hat für die Annahme eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Neufassung der Regelungen über Funkanlagen und zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes sowie zur Aufhebung des Gesetzes über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen (18/11625) in geänderter Fassung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gestimmt. Dazu hatte der Wirtschaftsausschuss eine Beschlussempfehlung (18/12139) vorgelegt. Unter anderem sollen dadurch die Anforderungen an die Mindestleistung der Empfangsgeräte klarer gefasst werden, damit das Funkfrequenzspektrum effizienter genutzt wird. Die Verpflichtungen der Hersteller, Einführer und Händler sollen am Rechtsrahmen für Produkte ausgerichtet und harmonisiert werden. Der Schutz personenbezogener Daten und der Privatsphäre soll durch besondere Funktionen der Anlagen verbessert werden. Zudem sei von besonderer Bedeutung, dass die Europäische Kommission die Möglichkeit erhält, auch für Zubehörteile von Funkanlagen Vorgaben zu erlassen, heißt es in dem Gesetzentwurf.
Abgesetzt: Erstellung gesamtwirtschaftlicher Vorausschätzungen: Die Erstellung gesamtwirtschaftlicher Vorausschätzungen der Bundesregierung soll in Zukunft von einer unabhängigen Einrichtung überprüft werden. Dieses Ziel verfolgt die Regierung mit ihrem Gesetzentwurf zur Erstellung gesamtwirtschaftlicher Vorausschätzungen (18/11257), über den der Bundestag am 27. April abstimmen wollte. Das Thema wurde jedoch am 26. April von der Tagesordnung genommen. Der auch als Vorausschätzungsgesetz bezeichnete Entwurf betrifft die regelmäßig erstellten Jahresprojektionen sowie die Frühjahrs- und Herbstprojektionen. Diese Vorausschätzungen sind Grundlage der Haushalts- und Finanzplanung. Mit dem Gesetz soll das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ermächtigt werden, in einer Rechtsverordnung die unabhängige Einrichtung zu benennen, falls erforderlich ihre Zusammensetzung zu regeln und Einzelheiten des Überprüfungsverfahrens festzulegen.
Sicherheitsüberprüfungsgesetz soll geändert werden: Der Bundestag hat beschlossen, die Effektivität und Qualität des Geheimschutzes zu steigern. Für einen dazu vorgelegten Gesetzentwurf (18/11281, 18/11407) haben die Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen gestimmt auf Empfehlung des Innenausschusses (18/12081, 18/12126). Ziel der Regelung ist es laut Bundesregierung, mehr Transparenz für Betroffene zu schaffen und das Verfahren der Sicherheitsüberprüfung zu vereinfachen. Mit dem Gesetz werde die Möglichkeit geschaffen, auf Informationen aus dem zentralen staatsanwaltlichen Verfahrensregister und in besonderen Fällen aus dem Ausländerzentralregister zuzugreifen, heißt es in der Vorlage. Da immer mehr Menschen einen Teil ihres Lebens im Ausland verbringen würden, regle der Gesetzentwurf zudem erstmals die Zusammenarbeit mit ausländischen Stellen bei Sicherheitsüberprüfungen. Zudem würden regelmäßige Wiederholungsüberprüfungen eingeführt und die Verpflichtung aufgenommen, in der Sicherheitserklärung die Adressen eigener Internetseiten und die Mitgliedschaften in sozialen Netzwerken anzugeben.
Ohne Sachgrund befristete Arbeitsverträge: Mehrere Anträge der Opposition zu Arbeitsverträgen, die befristet sind, ohne dass es dafür einen sachlichen Grund gibt, wurden vom Bundestag abgelehnt. Der Antrag der Linken mit dem Titel „Keine Befristung von Arbeitsverträgen ohne Sachgrund“ (18/11598) wurde mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt, der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Kein Sachgrund - keine Befristung“ (18/11608) wurde mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linken und Grüne abgelehnt. Die Linke hat von der Bundesregierung gefordert, die Möglichkeit von Befristungen ohne Sachgrund aus dem Teilzeit- und Befristungsgesetz zu streichen. Im Antrag kritisierte die Fraktion, befristete Arbeitsverträge seien in den vergangenen Jahren „nahezu die Regel“ geworden. Die Zahl befristeter Arbeitsverträge habe sich seit 1994 verdreifacht. Dies verhindere jedoch, dass Beschäftigte ihre Zukunft auf einer sicheren Grundlage planen können. Befristete Verträge höhlten zudem den Kündigungsschutz aus, schreiben die Abgeordneten. Die Grünen forderten ebenfalls, die sachgrundlose Befristung aus dem Teilzeit- und Befristungsgesetz zu streichen. Prinzipiell könnten Befristungen ein geeigneter Weg sein, um kurzfristig Spitzen im Arbeitsaufkommen abzufedern. Allerdings müssten diesem Instrument Schranken gesetzt werden. Es sei nicht hinnehmbar, wenn Befristungen systematisch eingesetzt werden, um den Beschäftigten unternehmerische Risiken aufzubürden oder den Kündigungsschutz zu umgehen, schreiben die Grünen. Der Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales (18/11802) zugrunde.
Abgesetzt: Tierschutzgesetzgebung in Deutschland: Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kritisiert die derzeit gültige Tierschutzgesetzgebung in Deutschland als unzureichend. Die Abgeordneten fordern in einem Antrag (18/9798) von der Bundesregierung eine grundlegende Novellierung des Tierschutzgesetzes, um die „Missstände und den Stillstand beim Tierschutz“ zu beenden. Der Bundestag wollte ursprünglich über diesen Antrag auf der Grundlage einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (18/11824) abstimmen. Das Thema wurde allerdings am 26. April von der Tagesordnung des Bundestasges abgesetzt. In dem Antrag wird der Bund aufgefordert, gemeinsam mit Ländern und Kommunen auf effektivere Kontrollen hinzuarbeiten und wirkungsvollere Sanktionen bei Tierschutzvergehen im Tierschutzgesetz zu verankern. Darüber hinaus solle das Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzorganisationen eingeführt werden. Dadurch könnte die Einhaltung von Tierschutzrechten gerichtlich einklagt werden. Die Kontrolle der für den Tierschutz zuständigen Behörden des Bundes solle zudem durch die Ernennung eines Bundesbeauftragten für den Tierschutz gewährleistet werden, der über Auskunfts- und Akteneinsichtsrechte verfügen müsse. Des Weiteren solle die Bundesregierung die Vorlagen und Beschlüsse der Agrar- und Verbraucherministerkonferenzen umsetzen. Danach müsse eine Überprüfung der Haltung von Sauen in Kastenständen vorgenommen werden, zudem sollen die Betäubungsmethoden bei der Schlachtung von Schweinen verbessert werden. Verbindliche Regelungen werden auch zur Schlachtung hochträchtiger Säugetiere im letzten Drittel der Trächtigkeit verlangt.
Forschung gegen Infektionskrankheiten: Der Bundestag hat einen Antrag von CDU/CSU und SPD mit dem Titel „Pharmazeutische Forschung gegen Infektionskrankheiten stärken – Nationale Wirkstoffoffensive starten“ (18/10972) mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen, zu dem der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung eine Beschlussempfehlung (18/12075) vorgelegt hatte. Um die medizinische Versorgung in Deutschland und weltweit auf dem Gebiet der Infektionskrankheiten sicherstellen und weiter verbessern zu können, seien neue Wirkstoffkandidaten aus der Forschung erforderlich, aus denen erfolgreich neue Arzneimittel entwickelt werden können, schreiben die Abgeordneten. Da das Risiko des Scheiterns im Laufe eines solchen Entwicklungsprozesses gerade im Fall von Antiinfektiva enorm sei, werde eine gut gefüllte „Pipeline“ mit neuen Wirkstoffkandidaten und innovativen Wegen der Arzneimittelentwicklung benötigt. Wegen kostenintensiver Forschung und zu geringer Gewinnmargen hätten sich viele pharmazeutische Unternehmen aus der Wirkstoffforschung für Infektionskrankheiten und neue Antibiotika zurückgezogen. Auf diesem Gebiet liege damit ein strukturelles Marktversagen vor. Bei der Forschung und Entwicklung von neuen Antiinfektiva sei also verstärktes öffentliches Engagement auf unterschiedlichen Ebenen gefragt, um auch in Zukunft auf wirksame Arzneimittel gegen Infektionskrankheiten zurückgreifen zu können – nicht zuletzt, weil dadurch auch erst eine erfolgversprechende Behandlung anderer Erkrankungen möglich werde und Forschungserkenntnisse, etwa in der Krebstherapie, umgesetzt werden könnten.
Bildung in den MINT-Fächern: Angenommen hat der Bundestag einen Antrag von CDU/CSU und SPD (18/11164) mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, die „MINT-Bildung als Grundlage für den Wirtschaftsstandort Deutschland und für die Teilhabe an unserer von Wissenschaft und Technik geprägten Welt“ zu fördern. Unter der Abkürzung MINT werden die Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik verstanden. Union und SPD fordern die Förderung von naturwissenschaftlicher Kompetenz von der frühkindlichen Bildung über die Schule, die berufliche Bildung sowie die Hochschule bis hin zur berufsbegleitenden Weiterbildung, denn „kein Talent soll verloren gehen“. MINT-Bildung lege einen Grundstein für einen reflektierten Umgang mit technologischen und gesellschaftlichen Veränderungen. Derzeit fehlt aus Sicht der Koalition ein strategisches Gesamtkonzept zum Thema MINT-Bildung. Die Fraktionen fordern Bund und Länder auf, sich mit den maßgeblichen Akteuren im MINT-Bereich an einen Tisch zu setzen mit dem Ziel, im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit nach zuverlässigen und nachhaltigen Wegen zu suchen, um die MINT-Bildung flächendeckend, systematisch und nachhaltig im Lebenslauf der Heranwachsenden zu adressieren. Dabei sollten institutionelle und außerinstitutionelle Angebote sinnvoller miteinander verzahnt werden, heißt es in dem Antrag. Es gelte, einmal gewecktes Interesse wachzuhalten und weitere Optionen aufzuzeigen. Abgelehnt wurde mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Grünen bei Enthaltung der Linksfraktion ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Für ein gerechtes und innovatives Deutschland 2030 - Aus den Ergebnissen von PISA 2015 endlich die richtige Bildungsoffensive erarbeiten“ (18/11179). Solange die Verfassung eine echte Kooperation von Bund und Ländern in Bildungsfragen noch nicht ermögliche, heißt es darin, solle die Regierung die Qualitätsoffensive Lehrerbildung in der zweiten Förderrunde stärker auf individuelles Fördern und produktives Umgehen mit Verschiedenheit ausrichten. Dazu müsse auch das Vermitteln von Selbstlernkompetenzen gestärkt werden, da das lebensbegleitende Lernen in der digitalen Welt zukünftig immer stärker zeit- und ortsunabhängig stattfinden werde. Die Länder sollten dabei unterstützt werden, heißt es weiter, mit multiprofessionellen Teams an allen Schulen auf die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Kinder und Jugendlichen und ihre individuellen Lern- und Lebensbedürfnisse besser eingehen zu können. Den Abstimmungen lag eine Beschlussempfehlung des Bildungs- und Forschungsausschusses (18/12063) zugrunde.
Garten- und Landschaftsbau: Für einen Antrag der Koalitionsfraktionen zur Stärkung des Wirtschaftszweiges „Garten- und Landschaftsbau“ (18/10018) votierten die Fraktionen CDU/CSU und SPD bei Enthaltung der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/die Grünen. Die Entscheidung erfolgte auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (18/12150). CDU/CSU und SPD fordern die Bundesregierung im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel auf, im Bereich der Züchtung sicherzustellen, dass Erzeugnisse aus konventioneller Zucht und alle im Wesentlichen biologischen Verfahren von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind. Die EU soll in ihrem Patentrecht für Pflanzen- und Tierzucht nach wie vor ein umfassendes Züchterprivileg anwenden sowie den Zugang zu den Märkten von kaufkräftigen Nicht-EU-Staaten für die Erzeuger vereinfachen, indem die Unterstützung der Exporteure von Obst und Gemüse sowie von Blumen und Zierpflanzen auf EU-Ebene intensiviert wird und Handelshemmnisse abgebaut werden. Darüber hinaus sollen die Diskussion über ein eigenes Förderprogramm Stadtgrün geführt und finanzielle Mittel für die Nachfolgeforschung zum Forschungsprojekt Zukunftsinitiative Niedrigenergiegewächshaus bereitgestellt werden.
(vom/27.04.2017)