Parlament

„Ehe für alle“ - wie Jung­journalisten und Innen­politiker darüber denken

Eine Gruppe von Jugendlichen mit vier Abgeorrdneten, die in einem Sitzungssaal des Paul-Löbe-Hauses zum Gruppenfoto aufgestellt sind

Die Nachwuchsjournalisten mit den Abgeordneten Thorsten Hoffmann (links), Lars Castellucci (Mitte), Barbara Woltmann und Marian Wendt (rechts) (DBT/Melde)

Unruhe im Ausschusssaal E 300. „Gut, dass dieses Jahr Bundestagswahlen sind – dann werden die Karten neu gemischt“, geht ein Ruf in die Runde. Hinter den Mikrofonen im Hörsaal sitzen zehn Jugendliche, vor sich Schokobonbons und einen Zettel mit den Bildern der Abgeordneten. Vier Mitglieder des Innenausschusses sind gekommen, um zum Thema „Glaubensfragen? – Religion und Gesellschaft heute“ Rede und Antwort zu stehen. Das Kernthema und zugleich der Aufreger der Debatte ist schnell gefunden: Ehe für alle.

Die Fragerunde mit den Mitgliedern des Innenausschusses am Donnerstag, 8. März 2017, war Teil des Jugendmedienworkshops im Bundestag. Die Jugendpresse Deutschland, der Deutschen Bundestag und die Bundeszentrale für politische Bildung, die den Jugendmedienworkshop gemeinsam organisieren, laden junge Journalisten zwischen 16 und 20 Jahren ein, zu einem bestimmten Thema eine Woche in der Hauptstadt zu hospitieren und hinter die Kulissen des Bundestages zu schauen.

„Gleichheit für alle ist christlich“

Die Sitzung beginnt mit einer einfachen Frage: Was halten Sie persönlich von der „Ehe für alle“? Die Antwort des Abgeordneten Marian Wendt (CDU/CSU), die die Möglichkeit von Kindern und den Erhalt der Gesellschaft als Aspekt gegen die gleichgeschlechtliche Ehe anführt, stößt bei den Jugendlichen auf großes Unverständnis. „Die Gleichheit aller Menschen steht im Grundgesetz und ist eine grundchristliche Idee“, sagt eine Teilnehmerin und erntet dafür Applaus. Auch in der Diskussion über die Bedeutung des Begriffs Ehe und die Umsetzung in der Verfassung gehen die Meinungen auseinander. Das Thema sei bei Weitem nicht so trivial, betont Barbara Woltmann (CDU/CSU): „Die Ehe ist in der Verfassung verankert.“

„Wer etwas anderes will, muss anders wählen“

Fast alle rechtlichen Benachteiligungen, die es gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren gegeben habe, seien gesetzlich geändert worden, betont Barbara Woltmann. Dass die meisten Deutschen die Ehe für alle befürworten, sieht sie kritisch. „Man kann nicht einfach Begrifflichkeiten von 1949 übernehmen und sich darauf ausruhen“, meint hingegen eine Jungjournalistin.

Auch Prof. Dr. Lars Castellucci (SPD) verweist in der Diskussion auf die Vielfalt der Meinungen, positioniert sich aber inhaltlich anders als sein Kollege Wendt aus der Unionsfraktion. „Es ist in Ordnung, wenn er das sagt. Wenn man etwas anderes will, muss man aber anders wählen.“

„Als Politiker ist es doch Ihr Job, zu machen, was möglich ist“

Auch die Vorgänge in der vorletzten Kölner Silvesternacht und das Racial Profiling, die besondere Kontrolle von Menschen einer bestimmten Gruppe, beschäftigen die Runde. Die Abgeordneten des Innenausschusses betonen geschlossen den Schutz der Menschen als Priorität. „Das Wichtigste war, das Unsicherheitsgefühl zu unterdrücken“, sagte Lars Castellucci. Kontrollen seien hingegen immer mit einer gewissen Art von Auswahl verbunden, betont auch Marian Wendt. „Auch Sie sind heute in diesem Sinne diskriminiert worden. Sie mussten am Einlass zum Bundestag ihren Ausweis zeigen – ich nicht, weil ich Abgeordneter bin.“

Zwar stimmen die meisten Jugendlichen dem Aspekt zu, dass Kontrollen notwendig sind, um Straftaten zu verhindern. Dennoch zeigen sie sich weiterhin kritisch. Besonders im Hinblick auf die Frage, wie angemessen die starke Kontrolle von Menschen mit arabischer Herkunft war. „Als Politiker ist es doch ihr Job, innerhalb der Gesetze zu machen, was möglich ist“, sagt eine Teilnehmerin. Schließlich könne man sein Aussehen nicht einfach ablegen wie beispielsweise ein bestimmtes Outfit, das einen verdächtigt mache.

Jugendliche haben andere Standpunkte

Auch die Frage nach den sicheren Herkunftsstaaten und das Thema der inneren Sicherheit in Deutschland nach den Anschlägen im Dezember auf dem Berliner Breitscheidplatz bewegen die Jugendlichen. Sie verfolgten aufmerksam die Argumentation der Abgeordneten. Trotz vieler kritischer Nachfragen zeigen sie sich am Ende zuversichtlich: „Alle haben unsere Fragen ernst genommen und auch geantwortet“, findet eine andere Teilnehmerin. Es sei schließlich in Ordnung, unterschiedliche Meinungen zu haben, so sei eben Politik. Vor allem der direkte Austausch mit den Abgeordneten kam gut an. „Das war super – aber man merkt schon, dass wir Jugendlichen bei einigen Dingen andere Standpunkte haben.“ (lau/10.03.2017)

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