Ohne Aussprache hat der Bundestag am Donnerstag, 30. März 2017, mehrere Vorlagen in zweiter und dritter Lesung auf der Grundlage von Beschlussempfehlungen verabschiedet.
Digitalfunk BOS: Einen von der Bundesregierung eingereichten Gesetzentwurf der Bundesregierung für die geplante Änderung des sogenannten BDBOS-Gesetzes (18/11139) haben die Abgeordneten auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Innenausschusses (18/11660) und eines Berichts des Haushaltsausschusses (18/11664) bei Enthaltung der Opposition angenommen. Danach soll die öffentliche Verwaltung flexibel auf künftige Herausforderungen reagieren können, die durch den Wandel der Informationstechnik hinsichtlich staatlicher Kommunikationsinfrastrukturen verursacht werden. Die Novelle soll es ermöglichen, „die Aufgaben der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) in Bezug auf staatliche Kommunikationsinfrastrukturen flexibel anpassen zu können“. Zugleich wird klargestellt, dass der Zweck der Bundesanstalt auch nach einer möglichen Übertragung weiterer Aufgaben „insbesondere im Aufbau und Betrieb des Digitalfunk BOS besteht“.
Seilbahndurchführungsgesetz: Die Qualitätssicherung bei Seilbahnen ist Thema des Entwurfs der Bundesregierung für ein Seilbahndurchführungsgesetz (18/11258), den der Bundestag auf Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur (18/11702) einstimmig beschlossen hat. Mit dem Gesetz wird das deutsche Recht an die EU-Verordnung 2016/424 über Seilbahnen angepasst. Die EU-Verordnung sehe einen neuen Rechtsrahmen für die Vermarktung und die CE-Kennzeichnung von Teilsystemen und Sicherheitsbauteilen für Seilbahnen vor und löse zum 21. April 2018 die bisher geltende Seilbahnrichtlinie ab, schreibt die Regierung. Die in der EU-Verordnung vorgesehenen Konformitätsbewertungsverfahren für Seilbahnprodukte würden im Rahmen der Qualitätssicherung die Verpflichtung der Hersteller vorsehen, die notwendigen technischen oder formalen Produktprüfungen durch von ihnen unabhängige notifizierte Drittstellen durchführen zu lassen, heißt es in der Vorlage. Diese Stellen seien von einer durch den Mitgliedstaat einzurichtenden Behörde gegenüber der Europäischen Kommission anzuzeigen und würden von dieser Behörde überwacht. Anders als noch die EU-Seilbahnrichtlinie, sehe die Verordnung nur eine notifizierende Behörde vor, die für den gesamten Mitgliedstaat zuständig ist. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) solle dem Gesetzentwurf nach einer Landesbehörde die Aufgaben der notifizierenden Behörde übertragen. Diese Landesbehörde stehe dann unter der Rechts- und Fachaufsicht des BMVI, schreibt die Regierung.
Abgesetzt: Deutscher Wetterdienst: Der Deutsche Wetterdienst (DWD) soll künftig seine Daten entgeltfrei abgeben. Das wollten die Abgeordneten auf Grundlage eines Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst (18/11533) am 30. März beschließen. Der Bundestag hat die zweite und dritte Lesung jedoch von der Tagesordnung abgesetzt. Mit den neuen gesetzlichen Regelungen soll dem Deutschen Wetterdienst (DWD) „im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage“ eine entgeltfreie Abgabe von meteorologischen Daten und Leistungen im Kernbereich Meteorologie, insbesondere Warnungen vor Wettergefahren, sowie auf dem Feld umwelt- und klimaschutzrelevanter Informationen ermöglicht werden, heißt es in dem Entwurf. Zukünftig sollen Leistungen des DWD zur Unterstützung von Bund, Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden für die öffentliche Verbreitung über moderne Kommunikationsmittel sowie die Bereitstellung von Geodaten über Geodatendienste im Rahmen der nationalen Geodateninfrastruktur entgeltfrei sein. Mit einer solchen entgeltfreien Abgabe der Geodaten und Leistungen an die Allgemeinheit erfülle der DWD seine Aufgabe der Versorgung der Allgemeinheit im Sinne der Daseinsvorsorge, schreibt die Bundesregierung. Dies gelte insbesondere für seine Kernaufgabe, die Herausgabe von amtlichen Warnungen über Wettererscheinungen, die zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung führen können oder die in Bezug zu drohenden Wetter- und Witterungsereignissen mit hohem Schadenspotential stehen sowie bei der Unterstützung der Behörden des Katastrophenschutzes.
Abkommen mit Turkmenistan: Auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Finanzausschuss (18/11766) hat der Bundestag einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Abkommen vom 29. August 2016 zwischen Deutschland und Turkmenistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (18/11557) verabschiedet. Die Oppositionsfraktionen enthielten sich.
Europäische Agentur für Flugsicherheit: Einstimmig billigten die Abgeordneten einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Abkommen vom 8. Dezember 2016 zwischen Deutschland und der Europäischen Agentur für Flugsicherheit über den Sitz der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (18/11558) in Köln. Damit wird der Sitz auf eine gesicherte rechtliche Grundlage gestellt. Geregelt werden auch die Rechte und Befugnisse der Agentur und ihres Personals in Deutschland. Der federführende Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur hatte eine Beschlussempfehlung vorgelegt (18/11768).
Breitbandausbau: Gegen die Stimmen der Antragsteller bei Enthaltung der Linken hat der Bundestag einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/9799) abgelehnt, der die Veräußerung der Telekomanteile des Bundes forderte. Der Entscheidung lag eine Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses (18/11209) zugrunde. Dazu werden die beim Bund verbliebenen Anteile von 14,5 Prozent an der Deutschen Telekom AG im Wert von rund zehn Milliarden Euro „marktneutral“ an die staatliche KfW-Bankengruppe vekrauft und der Erlös als Kapital einer zu gründenden staatlichen Breitbandinfrastrukturgesellschaft zugeführt. Diese Gesellschaft soll in eine attraktive und möglichst flächendeckende Breitbandversorgung investieren. Anschließend sollen die Investitionen durch Verpachtung des Breitbandnetzes soweit wie möglich refinanziert werden, heißt es im Antrag. Der Ausbau von schnellem Internet lässt sich voranbringen, in dem das Vermögen des Bundes produktiver und sinnvoller eingesetzt wird, schreiben die Abgeordneten zur Begründung. Es habe wenig Sinn, dass der Bund weiterhin Großaktionär bei einem marktbeherrschenden Unternehmen wie der Telekom sei.
Ausbau der taxonomischen Forschung: Um die Biodiversität zu schützen soll die taxonomische Forschung ausgebaut werden. Die Abgeordneten bei Enthaltung der Opposition einem Antrag der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD (18/10971) zu, dem eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18/11700) zugrunde lag. Darin heißt es, die Grundlage der Erforschung und letztlich auch des Schutzes der biologischen Vielfalt sei die Kenntnis der Arten. Die Taxonomie - also die Lehre der wissenschaftlichen Erfassung, Beschreibung und systematischen Einordnung von Tieren, Pflanzen, Pilzen und Mikroorganismen - und der sogenannte integrative taxonomische Ansatz, bei dem die Ergebnisse mehrerer unabhängiger Merkmalsanalysen in einer Synthese zusammengeführt und daraus Rückschlüsse auf Artgleichheit oder Artverschiedenheit gezogen würden, sei heute jedoch mehr als nur die Grundlage des Artenschutzes. Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich zusammen mit den Ländern dafür einzusetzen, dass an geeigneten Universitätsstandorten Schwerpunktprogramme der integrativen Taxonomie und angewandten Ökologie zur Förderung von Forschung und Lehre in enger Kooperation mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen entstehen. Dabei gelte es auch Wege zu finden, wie der Sachverstand der Zivilgesellschaft besser eingebunden werden kann. Außerdem soll die Bundesregierung die Schaffung eines Kompetenznetzwerkes für integrative Taxonomie unterstützen, „welches als erster Ansprechpartner für Gesellschaft und Politik dient, Forschungsschwerpunkte koordiniert und Standardisierungsprozesse auf nationaler und internationaler Ebene mitgestaltet“.
Elektro- und Elektronikgeräte: Einstimmig billigte der Bundestag eine Verordnung der Bundesregierung zur Änderung der Elektro- und Elektronikgeräte-Stoff-Verordnung (18/11293, 18/11472 Nr.2.2) ab. Der Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zugrunde (18/11772). Die Verordnung setzt zwei Richtlinien der Europäischen Kommission (2016/1028/EU und 2016/1029/EU) zur Änderung des Anhangs IV der Richtlinie 2011/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten (RoHS-Richtlinie) um. Der Anhang IV der RoHS-Richtlinie gewährt zeitlich befristete Ausnahmen von einzelnen Stoffbeschränkungen für bestimmte Verwendungszwecke. Die beiden neuen delegierten Richtlinien gewähren weitere Ausnahmen für medizinische Geräte und Überwachungs- und Kontrollinstrumente sowie industrielle Überwachungs- und Kontrollinstrumente. Die delegierten Richtlinien sind bis zum 30. April 2017 in nationales Recht umzusetzen.
Gewerbeabfall: Der Bundestag stimmte bei Enthaltung der Opposition der Neufassung der Gewerbeabfall-Verordnung (18/11294) zu. Der Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zugrunde (18/11773). Hintergrund sind Änderungen am im Dezember 2016 beschlossenen Ursprungsentwurf (18/10345) durch den Bundesrat. Die Länderkammer hatte unter anderem Änderung zur Klarstellung einzelner Regelungen angeregt. Die Bundesregierung stimmt diesen zu. Der Bundestag muss der Verordnung gemäß Paragraf 67 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes zustimmen. Mit der Novelle wird die knapp 15 Jahre alte Verordnung an neuere europarechtliche und nationale Abfallregelungen angepasst. Ziel ist dabei laut Begründung insbesondere, die fünfstufige Abfallhierarchie auch im Umgang mit gewerblichen Siedlungs- sowie bestimmten Bau- und Abbruchabfällen anzuwenden. Die Abfallhierarchie ist in der EU-Richtlinie 2008/98/EG sowie im Kreislaufwirtschaftsgesetz verankert. Bisher gehe die Gewerbeabfallverordnung und ihr Regelungssystem noch von einem „grundsätzlichen Gleichrang“ von stofflicher und energetischer Verwertung aus, schreibt die Bundesregierung.
Petitionen: Die Abgeordneten verabschiedeten darüber hinaus die Sammelübersichten 422 bis 432 zu Petitionen, zu denen der Petitionsausschuss Beschlussempfehlungen vorgelegt hat (18/11629, 18/11630, 18/11631, 18/11632, 18/11633, 18/11634, 18/11751, 18/11752, 18/11753, 18/11754, 18/11755). Darunter befand sich auch Petition mit der Forderung, bei der Gewährung des Kinderzuschlages für Geringverdiener die Höchsteinkommensgrenze abzuschaffen.
Fortzahlung des Kinderzuschlags
Zur Begründung ihrer Eingabe führt die Petentin an, im Falle, dass das Erwerbseinkommen geringfügig unter der Höchsteinkommensgrenze liegt, bekomme man noch einen Teil des Gesamtkinderzuschlages. Läge es jedoch „nur einen Cent darüber“ bestehe kein Anspruch mehr. Dies bedeute, dass eine kleine Erhöhung des Einkommens dazu führen könne, dass man schlechter gestellt sei als zuvor. Der Kinderzuschlag müsse daher auch in diesen Fällen gezahlt werden, lautet ihre Forderung. Die Zahlung müsse erfolgen bis „der Bedarf nach SGB II gedeckt ist“.
Die in der Sitzung des Petitionsausschusses am 22. März 2017 einstimmig verabschiedete Beschlussempfehlung sieht nun vor, die Petition dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) „als Material“ zu überweisen. Den Verfahrensgrundsätzen des Petitionsausschusses zu Folge bedeutet dies, dass die Bundesregierung die Petition „in die Vorbereitung von Gesetzentwürfen, Verordnungen oder anderen Initiativen oder Untersuchungen einbeziehen soll“.
Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
Wie aus der Begründung zur Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses hervorgeht, gilt der Anspruch auf Kinderzuschlag derzeit, wenn die monatlichen Einnahmen der Eltern die Mindesteinkommensgrenze von 900 Euro für Elternpaare und 600 Euro für Alleinerziehende erreichen und das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen die Höchsteinkommensgrenze, also die Bemessungsgrenze zuzüglich des Gesamtkinderzuschlages, nicht übersteigt. Die Höchsteinkommensgrenze setzt sich der Vorlage zufolge aus dem elterlichen Bedarf im Sinne der Regelungen zum Arbeitslosengeld II und dem prozentualen Anteil an den Wohnkosten sowie dem Kinderzuschlag zusammen. „Kann der Gesamtbedarf mit dem zu berücksichtigenden Einkommen gedeckt werden, besteht kein Anspruch auf Kinderzuschlag“, schreibt der Petitionsausschuss.
In der Beschlussempfehlung heißt es weiter, der Umstand, dass der Anspruch auf Kinderzuschlag nach einer Abschmelzphase, in der Einkommen auf die Leistung angerechnet wird, schlagartig entfällt, wenn die Eltern mit ihrem Einkommen die oberen Einkommensgrenzen überschreiten, sei der Bundesregierung bekannt. Es sei zutreffend, dass als Folge von zusätzlichem Erwerbseinkommen in diesen Fällen eine wirtschaftliche Verschlechterung eintritt.
Der Petitionsausschuss weist darauf hin, dass derzeit im BMFSFJ Vorschläge zur Fortentwicklung des Kinderzuschlags intensiv geprüft würden. Auch die Abschaffung der Höchsteinkommensgrenze werde in diese Prüfung mit einbezogen. Daher halte der Petitionsausschuss die vorliegende Petition für geeignet, in die Beratungen einbezogen zu werden, heißt es in der Vorlage. (eis/hau/30.03.2017)