Drei Anträge zur Mobilität, Bahn- und Radpolitik, die Bündnis 90/Die Grünen eingebracht hat, standen am Freitag, 30. Juni 2017, im Mittelpunkt einer einstündigen Debatte im Plenum. So wollen die Grünen zum einen „mit sauberen Autos Wettbewerbsstärke, Wertschöpfung und Arbeitsplätze zu erhalten“. Eine Vorlage mit diesem Titel (18/12948) überwies der Bundestag mit Koalitionsmehrheit zur weiteren Beratung an den federführenden Verkehrsausschuss. Gegen das Votum der Opposition abgelehnt wurden zwei weitere Anträge der Grünen, mit denen die Fraktion dafür plädiert hatte, beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur Priorität auf den Schienenverkehr zu legen (18/10383) und den Radverkehr konsequent zu fördern (18/11729). Der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur hatte dazu zwei Beschlussempfehlungen vorgelegt (18/11219, 18/12816)
Grüne: Ende der Verbrennungsmotoren ist eingeleitet
Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) sagte während der Debatte, seine Partei habe bei der Forderung nach Stärkung der emissionsfreien Mobilität auch die deutsche Automobilwirtschaft und deren Zukunft im Blick. Bei dieser Schlüsselwirtschaft gehe es immerhin um 800.000 Beschäftigte. „Entscheidend für die Hersteller ist die Situation auf dem Weltmarkt“, sagte Özdemir.
Nicht zuletzt die Entwicklung in China, wo jedes zweite neu zugelassene Auto abgasfrei sei, zeige: „Das Ende der Verbrennungsmotoren ist eingeleitet.“ Während die gesamte Welt die Zukunft der Mobilität diskutiere, befasse sich Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) jedoch lieber mit seiner „unsinnigen Maut“, die mehr Bürokratiekosten als Ertrag bringe. „Die Bundesregierung tut so, als ginge sie der Strukturwandel nichts an“, sagte der Parteivorsitzende der Grünen.
CDU/CSU: Wir sind nicht in einer Planwirtschaft
Emissionsfreie Mobilität sei ein Ziel, das auch er sich wünsche, sagte Steffen Bilger (CDU/CSU). „So einfach wie die Grünen sich das vorstellen ist es aber nicht“, fügte er hinzu. Vieles von dem, was sich in dem Antrag wiederfinde sei Wunschdenken und habe mit der Realität nicht zu tun, befand er. Dazu gehört nach Ansicht Bilgers die Forderung der Grünen, ab 2030 nur noch abgasfreie Autos neu zuzulassen. „Das entbehrt jeglicher Grundlage und ist fernab der Realität“, sagte der Unionsabgeordnete.
Als Politiker sei man gefordert, die Autofahrer auf dem zu beschreitenden Weg zur Mobilität der Zukunft mitzunehmen. „Aber wir sind hier nicht in einer Planwirtschaft, in der unrealistische Parteitagsbeschlüsse umgesetzt werden, ohne geprüft zu haben, ob diese Vorstellungen überhaupt realistisch sind“, kritisierte er.
Linke kritisiert Technikgläubigkeit
Sabine Leidig (Die Linke) zeigte sich erstaunt, das die Grünen nun offenbar mit der Union darüber wetteifern wollten, „wer die Automobilindustrie am besten befriedigen kann“. Die Linksfraktion sei hingegen an den Interessen der Menschen in Deutschland, aber auch im globalen Süden interessiert, „und nicht an den Gewinnen der Automobilindustrie“. Der Antrag der Grünen sei von einer „männlichen Technikgläubigkeit“ geprägt sowie vom Wunsch, „das deutsche Auto als Exportschlager in der Welt zu behalten“, sagte Leidig. Diese Ausrichtung teilten die Grünen im Übrigen mit dem von ihnen so oft gescholtenen Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU).
Die Linken-Abgeordnete machte zudem deutlich, dass auch ein Aufschwung bei den E-Autos nichts daran ändere, dass es schon viel zu viele Autos gebe. Das Beispiel der norwegischen Hauptstadt Oslo habe sogar gezeigt, dass der mit sehr hohen Kaufprämien erreichte vermehrte Kauf von E-Autos dazu geführt habe, dass diese als Zweit- oder Drittwagen angeschafft würden und sich zugleich die Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs verringert habe.
SPD will nicht allein auf Strom setzen
Viele der Forderung aus dem Grünenantrag fänden sich im Klimaschutzplan der Bundesregierung wieder, sagte Arno Klare (SPD). „Was Sie hier verkaufen wollen ist schon längst formuliert“, sagte der SPD-Abgeordnete.
Für falsch halte er es hingegen, abgasfreie Antriebe zu fordern und damit ausschließlich auf ein Elektrikszenario zu setzen, sagte Klare. Schließlich nutze die auch von Greenpeace befürwortete Gastechnologie „Wind to Gas“ treibhausgasneutral hergestellte Antriebsstoffe, sei aber im Betrieb nicht abgasfrei.
Grüne verlangen eine verkehrspolitische Strategie
Die Grünen fordern in ihrem ersten Antrag (18/12948) eine verkehrspolitische Strategie für Deutschland vorzulegen, mit der sichergestellt wird, dass der Verkehrssektor seine Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 40 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 verringert und bis zum Jahr 2050 treibhausgasneutral wird. Dafür werde es nötig sein, ab 2030 ausschließlich Autos mit abgasfreiem Antrieb neu zuzulassen. Bis dahin müssten die notwendigen steuerlichen, fiskalischen und infrastrukturellen Voraussetzungen geschaffen werden. Für diejenigen, die dann noch ein Diesel- oder Benzinfahrzeug fahren, solle sich dadurch nichts ändern.
Auf auf europäischer Ebene solle sich die Regierung darüber hinaus für die Fortentwicklung ambitionierter Verbrauchs- und Kohlendioxidausstoß-Flottengrenzwerte für das Jahr 2025 stark machen. Eingeführt werden sollen dem Antrag zufolge Verbrauchstests im Realbetrieb und die Besteuerung von Kraftstoffen nach ihrem Kohlendioxidgehalt.
Zudem wollen die Grünen alle Subventionen für klimaschädliche Kraftstoffe im Verkehrssektor auf den Prüfstand stellen und ein Szenario für ihren schrittweisen Abbau vorlegen. Die Besteuerung von Dienstwagen in Deutschland will die Fraktion an den Kohlendioxidausstoß koppeln.
Deutschland-Takt, Knotenausbau, Engpassbeseitigung
In ihrem zweiten, abgelehnten Antrag hatten die Grünen die Bundesregierung auffordern wollen, die Bahnpolitik auf das richtige Gleis zu setzen. Dafür müsse sie beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur dem Schienenverkehr Vorrang einräumen und zielgerichtet in Maßnahmen für den Deutschland-Takt, den Knotenausbau, die Engpassbeseitigung sowie in die Streckenelektrifizierung investieren und dafür eine verlässliche Finanzierung sicherstellen. Weiter sollte die Bundesregierung unter anderem für fairen Wettbewerb unter den Verkehrsträgern sorgen, die Lkw-Maut auf alle außerörtlichen Straßen und auf Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen Gesamtgewicht ausweiten, eine Maut für Fernbusse einführen und Subventionen für Dieselkraftstoffe sozial verträglich abbauen.
Im dritten, ebenfalls abgelehnten Antrag hatten die Grünen eine stärkere Förderung des Radverkehrs verlangt. Dafür sollte die Bundesregierung den nationalen Radverkehrsplan umzusetzen und um das Ziel ergänzen, den Radverkehrsanteil in Deutschland bis 2030 auf 25 Prozent aller Wege zu erhöhen. Verlangt wurde auch die Auflage eines zeitlich befristeten Förderprogramms für E-Lastenrad-Sharing-Konzepte, das den Aufbau von bis zu 2.000 E-Lastenrad-Verleihstationen und die Anschaffung von insgesamt bis zu 10.000 E-Lastenrädern mit 1.000 Euro je E-Lastenrad unterstützt. Außerdem drangen die Grünen darauf, dass die Bundesregierung – in ihrer Rolle als Eigentümer – die Deutsche Bahn AG verpflichtet, in allen ihren Zügen die Fahrradmitnahme zu ermöglichen und darauf hinzuwirken, dass besonders an Bahnhöfen mehr sichere Abstellanlagen und Fahrradverleihsysteme entstehen. (hau/sas/30.06.2017)