Parlament

Andrzej Skiba spricht sich für mehr Solidarität in Polen und der EU aus

Ein junger Mann mit roten Haaren steht in einem Anzug vor einem Geländer

Andrzej Skiba, IPS-Sitpendiat aus Polen (DBT/photothek.net)

Aller guten Dinge sind drei. Dieses deutsche Sprichwort kennt auch Andrzej Skiba – nicht zuletzt im Zusammenhang mit seiner Bewerbung für eine Teilnahme am Programm des Internationalen Parlamentsstipendiums (IPS) des Deutschen Bundestages. „Beim dritten Versuch hat es endlich geklappt“, freut sich der 28-jährige Pole, der stolz und froh ist, ein Praktikum bei dem SPD-Abgeordneten Dr. Matthias Bartke machen zu dürfen.

„Die Zukunft Polens liegt in der EU“

Deutschland ist für den Juristen und Politikwissenschaftler eine Herzensangelegenheit und auch ein Vorbild, etwa in Sachen Rechtsstaatlichkeit und Demokratie wie er sagt. „Für mich ist es wichtig zu schauen, wie die Mechanismen hier aussehen und wie die Arbeit im Bundestag organisiert wird.“ Wichtig auch für seine persönliche Zukunft. Am Institut für Politologie der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Gdańsk (Danzig) schreibt Andrzej Skiba derzeit an seiner Dissertation. Thema ist: Die deutsch-polnischen Beziehungen ab dem Zeitpunkt der deutschen Wiedervereinigung 1990.

Seine Heimatstadt Danzig mit ihrer wechselvollen Vergangenheit empfindet der 28-Jährige als „gutes Symbol für die deutsch-polnische Geschichte, die nicht immer einfach war“. Doch er will den Blick nicht zurück, sondern in die Zukunft richten. „Die Zukunft Polens liegt in der EU“, macht er deutlich. Daran würden auch manch eurokritische Töne aus der polnischen Politik nichts ändern. „80 Prozent der Polen sagen, wir wollen in der EU bleiben“, betont er. Zu diesen 80 Prozent gehörten auch Anhänger der rechtskonservativen PiS-Partei. Ein Grund dafür: „Viele Leute in Polen haben Angst vor Russland“, sagt Andrzej Skiba.

Wahrnehmung Europas ist unterschiedlich

Pro Europa sind die Polen also mehrheitlich – aber welches Europa ist gemeint? Die national-konservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) sei eher für ein Europa der Nationen – die liberal-konservative Bürgerplattform (PO) unterstütze eher den föderalen Charakter Europas. Und wie gruppiert sich Andrzej Skiba selbst ein? Eine schwierige Frage sei das, gibt er sich abwartend. „Mein Herz schlägt links“, macht er dann aber deutlich. Soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit für alle – das seien Themen, die er unterstützt. Und wie sieht es mit Europa aus? „Für mich bedeutet Europa Freizügigkeit, Binnenmarkt – also Europa ohne Grenzen.“ Aber auf der anderen Seite gebe es auch Probleme, räumt er ein. „Es gibt auch junge Leute, die mit ihrem Lebensniveau nicht zufrieden sind.“ Daher hätten viele Leute Angst. „Ich bin für Europa – aber man muss klarstellen, was Europa bedeutet, wie Europa organisiert werden soll.“

Manchmal, so sagte er, können man den Eindruck gewinnen, es gebe zwei Welten: die sogenannten europäischen Eliten und die Nationen. „Viele haben den Eindruck, keinen Einfluss auf Europäischen Rat und EU-Kommission zu haben“, sagt Andrzej Skiba.

Gräben durch Dialog überwinden

Zwei Welten – die scheint es auch in Polen zu geben. „Unser Land ist tief gespalten“, sagt er. Es gebe aber nicht nur zwei politische Lager. „Wir haben die rechtskonservative PiS-Partei, die derzeit die Regierung stellt.“ 40 Prozent der Polen unterstützten die Opposition, die aber nicht einig sei. Da gebe es die PO und die „Modern“, eine liberale Partei. „Die beiden könnten zusammen bis 35 Prozent bekommen“ schätzt er ein. Dann gebe es aber noch das dritte Lager mit jenen, die etwas Neues suchen. Dazu gehöre die Kukiz-Bewegung, aber auch die neue linke Partei, Razem. „Die Frage ist, wie sehen die politischen Lager in Polen in ein oder zwei Jahren aus“, sagt der Politikwissenschaftler. Benötigt werde ein Dialog zwischen den Parteien. „Derzeit gibt es aber tiefe Gräben. Es fehlt an Bereitschaft zum Dialog“, stellt er fest.

Einen politischen Dialog führen, miteinander reden – diesem Ziel hat sich Andrzej Skiba sozusagen ehrenamtlich verpflichtet. Vor den Parlamentswahlen 2015 gründete er das Institut für Öffentliche Debatten, dessen Vorsitzender er ist. Ziel des Gazen: Jungen Leuten zu zeigen, dass es wichtig ist über Werte und Ideen zu reden und zu streiten. „Wir machen das mit einer Art Rollenspiel. Jeder muss auch mal die andere Seite einnehmen und dafür argumentieren“, erläutert er. Das Institut – aufgebaut als eine Stiftung – will er auch in Zukunft leiten. „Ich möchte einerseits an der Uni als wissenschaftlicher Mitarbeiter arbeiten und gleichzeitig auch meine Stiftung weiter voranbringen, um zu einem besseren Dialog zu kommen“, wagt er einen Blick in seine persönliche Zukunft.

Umgang mit Gerichten und Presse

Was die Situation in seinem Heimatland angeht, so hat der 28-Jährige natürlich mitbekommen, dass es – auch aus Deutschland – viel Kritik an der neuen polnischen Regierung gab und gibt. Stichwort Einschränkung der Rechte des Verfassungsgerichts. Schwierig zu bewerten sei dies, sagt Andrzej Skiba, der auch einen juristischen Abschluss hat. Bei aller berechtigten Kritik an der derzeitigen Regierung dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass auch die Vorgängerregierung am Verfassungsgericht manipuliert hat. „Die PO hat es schlecht gemacht – PiS hat es dann noch schlechter gemacht“, sagt er.

Ein anderer Vorwurf aus dem Ausland in Richtung der polnischen Regierung lautet, sie schränke die Pressefreiheit ein. Das staatliche Fernsehen sei sehr stark unter Kontrolle der regierenden Partei, sagt Andrzej Skiba. Das sei schon immer so gewesen, werde aber seit ein paar Jahren „stärker und stärker“. Sein Vorschlag: „Wir sollten nach Deutschland schauen, wie ein unabhängiges staatliches Fernsehen garantiert werden kann.“ Abseits vom staatlichen Fernsehen, so erzählt er, würden zwei große private Medienhäuser den Zeitungsmarkt dominieren. „Meiner Meinung nach haben wir derzeit aber keine Gefahr für die Pressefreiheit. Man sollte die Situation in Ruhe weiter beobachten“ empfiehlt er.

Soziale Gerechtigkeit in Polen und Europa

Das größte Problem in Polen sind aber aus seiner Sicht nicht die Schwierigkeiten mit Gerichten oder der Pressefreiheit. „Wir haben in Polen viele soziale Ungerechtigkeiten“, sagt er. PiS etwa habe so viele Stimmen bekommen, weil einerseits viele mit der Regierung davor nicht zufrieden waren. „Aber auch weil PiS ein Sozialprogramm vorbereitet und umsetzt hat.“ Jede polnische Familie bekomme nun ab dem zweiten Kind 125 Euro. „Das ist bei einem Durchschnittslohn von brutto 1.000 Euro ziemlich viel.“ Die Linken in Polen hingegen hätten nicht so viele Stimmen bekommen, „weil sie kein gutes Sozialprogramm hatten“.

Zwar gebe es in Polen viele, die sehr zufrieden sind mit der Entwicklung seit 1990. Das seien meist die Menschen in den großen Städten. „Auf dem Land haben aber nicht so viele von der Transformation profitiert.“ Dort bekomme PiS die meisten Stimmen – in den Städten sei es die PO. „Wir brauchen mehr Solidarität – in Polen aber auch in Europa“, fordert der jungen Pole. „Das ist notwendig, wenn wir aus Europa etwas machen wollen.“ (hau/18.04.2017)

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