Fraktionen positionieren sich im Kampf gegen die Kinderarmut
Im Kampf gegen die Kinderarmut wollen Bündnis 90/Die Grünen mehr Geld für arme Familien ausgeben. Darin werden sie von Die Linke unterstützt, die Union bremst. Die SPD dagegen fordert einen ganzen Systemwechsel. Diese unterschiedlichen Positionen wurden in der ersten Beratung eines Antrags von Bündnis 90/Die Grünen zur Familienpolitik mit dem Titel „Familien stärken – Kinder fördern“ (18/10473) am am Freitag, 2. Dezember 2016, deutlich.
Grüne: Regelsätze für Kinder und Erwachsene
Darin fordert die Fraktion, dass die Regelsätze für Kinder und Erwachsene in der Grundsicherung so erhöht werden, dass das Existenzminimum verlässlich und ausreichend gedeckt werde. In ihrer Rede sagte die Familienpolitikerin Dr. Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen), Familie sei immer da, wo Kinder lebten - ganz unabhängig davon, in welcher Konstellation ihre Eltern lebten. Daran müsse sich die Familienförderung orientieren.
Angesichts dessen, dass rund 3,5 Millionen Kinder in Deutschland in von Armut bedrohten Familien lebten, bestehe dringender Handlungsbedarf. Armut grenze aus, tue weh und beeinflusse das ganze Leben: dies „müssen und können wir ändern“. Das Bildungs- und Teilhabepaket der Regierung erreiche die Kinder, die darauf angewiesen seien, nicht.
Brantner forderte eine Erhöhung der Regelsätze sowie eine Erhöhung des Kinderzuschlags, der bislang nicht bei den bedürftigen Familien ankomme. Das Existenzminimum der Kinder müsse gesichert sein, „automatisch und ohne Antrag“. Zudem, so Brantner, sei eine deutliche Unterstützung der Kinder in alleinerziehenden Haushalten nötig.
Linke will über Umverteilung des Reichtums reden
Den Forderungen der Grünen schloss sich der Familienpolitiker Norbert Müller (Die Linke) an. Allein die Tatsache, dass Debatten zur Bekämpfung der Kinderarmut nur dann stattfinden würden, wenn die Opposition sie beantrage, sei Beleg dafür, dass die Große Koalition sich darum nicht kümmere. Doch wer wirklich über die Minderung von Kinderarmut reden wolle, müsse auch über die Umverteilung des „unermesslichen Reichtums“ im Land reden.
Den Grünen warf Müller vor, in ihren Forderungen zu unkonkret zu bleiben. Die Regelbedarfe von Kinder müssten bei bis zu Sechsjährigen auf 326 Euro, bei Sieben- bis 13-Jährigen auf 366 Euro und bei 14- bis 18-Jährigen auf 201 Euro erhöht werden. Dies würde „unmittelbar helfen“. Gleichzeitig müsse Schluss mit den „Manipulationen“ bei der Berechnung der Regelsätze, der Unterhaltsvorschuss müsse ausgeweitet und der Kinderzuschlag erhöht und entbürokratisiert werden.
CDU/CSU kritisiert „Wahlkampfantrag“ der Grünen
Für die Union nannte der familienpolitische Sprecher der Fraktion Marcus Weinberg (CDU/CSU) den Vorstoß der Grünen einen „Wahlkampfantrag“. Das beste Mittel gegen Kinderarmut sei es, Eltern dazu in die Lage zu versetzen, mit Arbeit für den Unterhalt ihrer Familie zu sorgen - sei die finanzielle Situation der Eltern stabil, sei es auch die der Kinder.
Weinberg sagte, er halte es für den „falschen Weg“ den sozialen Status von Kindern über eine Kindergrundsicherung von dem ihrer Eltern abzukoppeln. Beim Thema Unterhaltsvorschuss gebe es wenig Dissens: Dessen Ausweitung werde kommen, sobald die nötigen Voraussetzungen in den Ländern und Kommunen erfüllt seien. Die von den Grünen geforderte Abschaffung des Ehegattensplittings sei dagegen mit der CDU/CSU „nicht zu machen“.
SPD fordert einen kompletten Systemwechsel
Für die SPD forderte deren familienpolitische Sprecherin Susann Rüthrich (SPD) einen kompletten „Systemwechsel“, bei dem es konsequent um die Belange der Kinder gehen müsse und jedes Kind die Leistungen bekommen solle, „die es automatisch über die Armutsschwelle heben“.
Die eine Hälfte davon solle in das Einkommen der Familien gehen, die andere in die Strukturen, die Kinder bräuchten, um gesund aufzuwachsen. Dies würde „jeder Familie“ helfen. Dies werde Geld kosten, „aber Armut kostet auch“. Dann wären Kinder nicht mehr davon abhängig, dass ihre Eltern Anträge stellten und Behörden diese bewilligten, so Rüthrich. Welchen Namen das Modell schließlich trage, sei ihr „egal“. Der Antrag wurde im Anschluss zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend überwiesen.
Antrag der Grünen
Die Grünen wollen, dass die Teilhabe von allen Kindern und ihren Eltern, die von Grundsicherung leben, tatsächlich sichergestellt wird. Die Regelsätze für Kinder und Erwachsene in der Grundsicherung müssten so ermittelt werden, dass sie das Existenzminimum verlässlich und in ausreichender Höhe absichern. Die Bedarfe müssten tatsächlich gedeckt werden, auch die zur Teilhabe am sozialen Leben, an Bildung, Kultur und Mobilität. Kinder in Familien mit niedrigem Einkommen sollten nach Ansicht der Fraktion bedarfsdeckend unterstützt werden. Die Unterstützung sollte das sächliche Existenzminimum decken und aus einer Hand geleistet sowie automatisch ausgezahlt werden.
Alleinerziehende, die keinen oder zu wenig Unterhalt für ihre Kinder erhalten, sollten verlässlich materiell abgesichert werden. Ihr Kinder sollten so gestellt werden wie Kinder, die den Unterhalt direkt vom anderen Elternteil erhalten. Zudem wollen die Grünen eine vom Einkommen unabhängige Leistung für Kinder einführen, mit der die Benachteiligung von unverheirateten Paaren und Paaren, die sich Erwerbs- und Sorgearbeit partnerschaftlich teilen, beendet wird. Eltern mit kleinen und mittleren Einkommen sollten für ihre Kinder die gleiche Unterstützung erhalten wie Eltern mit hohen Einkommen, die derzeit von den Freibeträgen stärker profitierten. (suk/sas/vom/02.12.2016)