Parlament

Schlagabtausch über sozialen Wohnungsbau der Bundesregierung

Bundesregierung und Opposition haben sich am Donnerstag, 18. Mai 2017, im Bundestag einen Schlagabtausch über die richtigen Maßnahmen hin zu mehr bezahlbarem Wohnraum in Deutschland geliefert. Die Abgeordneten nutzten die Antwort der Bundesregierung (18/11403) auf eine Große Anfrage der Fraktion Die Linke (18/8855) zum Stand des sozialen Wohnungsbaus für eine ausholende Diskussion auch darüber, ob Sozialwohnungen grundsätzlich die Wohnungsnot in vielen Regionen lösen können.

Regierung: Die Bundesländer müssen mitziehen

Für die Bundesregierung äußerte sich Staatssekretär Florian Pronold (SPD) kritisch zu den bisher erzielten Steigerungsraten beim sozialen Wohnungsbau. Was jetzt geliefert werde, reiche noch nicht aus, um die aus der Bindung fallenden Wohnungen zu kompensieren, sagte er. Das liege zum Teil auch daran, dass Prognosen früherer Jahre zum Bedarf an Sozialwohnungen in Städten falsch gewesen seien. Er verwies darauf, dass der Bund seine Mittel verdreifacht habe, um den Mangel zu lindern. In den Jahren 2017 und 2018 erhalten die Länder somit je 1,5 Milliarden Euro für die soziale Wohnraumförderung.

Pronold warf den Ländern vor, diese Mittel in der Vergangenheit nicht zielgerichtet eingesetzt zu haben. „In manchen Bundesländern ist noch keine einzige Sozialwohnung gebaut worden“, erklärte er. Dies sei ein „Schlag ins Gesicht“ von Menschen, die sich auch mit normalen Gehältern kaum mehr eine Wohnung in Ballungsräumen leisten könnten. „Die Länder müssen mitziehen“, appellierte Pronold an die Abgeordneten, auch auf die Politik in den jeweiligen Wahlkreisen einzuwirken. Der Sozialwohnungsbau liegt in der Verantwortung der Länder. Genaue Zahlen zum bundesweiten Bestand sind auf bundesweiter Ebene daher schwierig zu erfassen. Gleiches gilt für den geschätzten Bedarf – hier verweist die Bundesregierung auf Prognosen, nach denen in den kommenden Jahren bundesweit insgesamt mehr als eine Million Wohnungen benötigt werden, „ein großer Teil davon im bezahlbaren Segment“. 

Linke: Einmal Sozialwohnung, immer Sozialwohnung

Die Abgeordnete Caren Lay (Die Linke) warf der Bundesregierung vor, zu wenig für den Bau neuer Sozialwohnungen zu tun. „Der Rückgang der Sozialwohnungen ist mitverantwortlich für die Mietpreisexplosion in deutschen Städten“, sagte sie.

Es dürfe nicht sein, dass künftig noch Sozialwohnungen aus der Bindung genommen und dem freien Markt zugeführt würden. „Einmal Sozialwohnung, immer Sozialwohnung, das muss künftig gelten.“ Lay forderte 30 Prozent Flächenanteil für Sozialwohnungen an jedem Neubauprojekt.

Grüne fordern Kompetenz im Sozialwohnungsbau ein 

Auch Christian Kühn (Bündnis 90/Die Grünen) von kritisierte die bisherigen Maßnahmen. „Wir verlieren 50.000 Sozialwohnungen pro Jahr und bauen nur 25.000“, erklärte er.

Kühn forderte die Bundesregierung auf, für eine erneute Kompetenz im Sozialwohnungsbau zu kämpfen. Es gehe auch um die Frage, ob Wohnungsbau als Daseinsvorsorge oder wirtschaftspolitisches Instrument betrachtet werde.

CDU/CSU verweist auf Wohngeld und Subjektförderung 

Für die CDU/CSU verwies die Sylvia Jörrißen darauf, dass sich die soziale Verantwortung beim Wohnungsbau mit dem Wohngeld auch auf die Subjektförderung erstrecke sowie auf Maßnahmen im Mietrecht.

„Wir müssen alle drei Wege gemeinsam im Blick haben“, sagte sie. Jörrißen spann einen Bogen bis zur Wohneigentumsförderung und der Frage nach der Umsetzung von Baugenehmigungen, um die Breite des Themas zu verdeutlichen.

SPD: Mehr kommunale Wohnungsunternehmen 

Michael Groß (SPD) sah die Notwendigkeit, Gemeinden bei einer vorausschauenden Bodenpolitik zu unterstützen. „Wir brauchen mehr kommunale Wohnungsunternehmen“, sagte er. Nach seinen Worten sind etwa 50 Prozent der Menschen davon betroffen, dass es zu wenig Wohnraum gebe.

Abgelehnt wurde mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Gemeinsam für bezahlbares Wohnen – Lebenswert und klimafreundlich“ (18/10027). Der Entscheidung lag eine Beschlussempfehlung des Bauausschusses (18/11020) zugrunde.

Antrag der Grünen

Mit einem großen Bündel an Maßnahmen wollen die Grünen bezahlbares Wohnen ermöglichen und Verdrängungstendenzen insbesondere in Ballungsräumen begegnen. In ihrem Antrag fordern sie die Bundesregierung unter anderem auf, Schritte zu ergreifen, um innerhalb der nächsten zehn Jahre eine Million dauerhaft günstige Wohnungen neu zu schaffen oder gemeinnützig zu binden. Dazu gehört nach dem Willen der Fraktion unter anderem die Wiedereinführung der 1989 abgeschafften Wohngemeinnützigkeit und ein Sofortprogramm zum Wohnungsbau mit steuerlichen Anreizen.

Um Mietsteigerungen anzugehen, soll das Instrument der Mietpreisbremse angepasst werden, etwa indem die Ausnahme für möblierte Wohnungen gestrichen wird. Reformbedürftig ist nach Ansicht der Grünen auch das Wohngeld. Die Bundesmittel dafür sollen demnach verdoppelt werden. Zusätzlich soll ein Klimawohngeld eingeführt werden, um das Wohnen in klimafreundlichen Wohnungen zu ermöglichen. Auch auf die Rechte der Mieter geht der Antrag ein. Die Grünen schlagen vor, Klagemöglichkeiten auch als Gruppenklage auszugestalten.

Regierung: Unentbehrliche Versorgungsfunktion

Aus Sicht der Regierung hat die soziale Wohnraumförderung in Deutschland „eine unentbehrliche Versorgungsfunktion für Haushalte, die sich nicht aus eigener Kraft mit angemessenem Wohnraum versorgen können und auf Unterstützung angewiesen sind“. Der soziale Aspekt des Wohnens sei der Bundesregierung ein besonders wichtiges Anliegen. Sichergestellt werden müsse, dass alle Menschen in Deutschland Zugang zu angemessenem Wohnraum haben. Eine solche Wohnung müsse für alle bezahlbar sein, „auch für untere und mittlere Einkommensgruppen“, heißt es in der Vorlage.

Versorgung aller Bevölkerungsschichten mit Wohnraum

Aufgabe der öffentlichen Hand sei es daher, angemessene Rahmenbedingungen für das Funktionieren des Wohnungsmarktes zu gewährleisten und damit die Voraussetzungen für eine ausreichende Versorgung aller Bevölkerungsschichten mit Wohnraum zu schaffen. Allerdings erfolgt nach Aussage der Bundesregierung die soziale Absicherung des Wohnens – „anders als von der Fragestellung suggeriert“ – nicht allein durch den sozialen Wohnungsbau.

Vielmehr stütze sie sich im Wesentlichen auf drei Säulen: Dazu gehöre die Förderung von Maßnahmen im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung der Länder, die soziale Absicherung einkommensschwächerer Haushalte mit Wohngeld und der Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende sowie den sozialen Schutz über Regelungen des allgemeinen Wohnraummietrechts vor willkürlichen Kündigungen und übermäßigen Mieterhöhungen. Diese drei Säulen dürfen nicht einzeln, sondern müssen immer im Zusammenspiel betrachtet werden, betont die Bundesregierung.

Entschließungsantrag der Linken abgelehnt

Mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen wurde ein Entschließungansantrag der Fraktion Die Linke (18/12387). Die Abgeordneten kritisieren, dass der Bestand an Sozialwohnungen in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch zurückgegangen sei. Von rund drei Millionen Sozialwohnungen im Jahr 1990 seien nur noch 1,2 Millionen übrig. Deshalb fordern die Abgeordneten die Bundesregierung dazu auf, gemeinsam mit den Ländern Regelungen darüber zu treffen, dass die Förderung eines sozialen, gemeinnützigen Wohnungsbaus als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern über das Jahr 2019 hinaus fortgeführt wird, und einen entsprechenden Gesetzentwurf für eine Grundgesetzänderung vorzulegen.

Darüber hinaus sollen im Entwurf für den Bundeshaushalt 2018 und in den folgenden Jahren mindestens fünf Milliarden jährlich für einen Neustart im sozialen, gemeinnützigen Wohnungsbau ausgegeben werden. Dadurch sollen jährlich 250.000 Wohnungen mit Sozialbindung durch den Neubau und Kauf von Wohnungen sowie den Ankauf von Belegungsbindungen entstehen. (pez/eis/hau/scr/18.05.2017)