Verbraucherschutz im digitalen Zeitalter vor neuen Herausforderungen
Der Verbraucherschutz steht nach übereinstimmender Ansicht aller Fraktionen des Bundestags im digitalen Zeitalter vor ganz neuen Herausforderungen. Über die geeigneten Konzepte wird heftig gestritten, wie sich am Donnerstag, 18. Mai 2017, in der Aussprache über den verbraucherpolitischen Bericht der Bundesregierung für das Jahr 2016 (18/9495) zeigte. Während die Regierungsfraktionen die bisher schon erreichten Verbesserungen hervorhoben, monierten Redner von Linker und Grünen, es sei in dieser Wahlperiode viel zu wenig passiert und manche gut gemeinten Vorstöße hätten nicht die gewünschte Wirkung gezeigt. Auch die Frage, wann Verbraucher nur informiert und wann schon bevormundet werden, spielte in der Debatte eine Rolle.
Minister: Kleinanleger werden effektiver geschützt
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), der mit seinem Doppelressort auch für den Verbraucherschutz zuständig ist, sagte, mit der Digitalisierung werde der Zugang zu Wissen und Informationen erleichtert. Zugleich ergäben sich neue Unsicherheiten, etwa für Lehrer und Schüler, wenn es darum gehe, Daten aus dem Internet herunterzuladen. Hier sei Rechtssicherheit gefragt, Verbraucher würden vor Rechtsrisiken geschützt. In wenigen Wochen würden zudem die Roaming-Gebühren für das Surfen in fremden Netzen abgeschafft, damit habe die „Abzocke“ absehbar ein Ende.
Maas verwies auch auf Erfolge beim Mieterschutz etwa durch die Mietpreisbremse und das Bestellerprinzip für Makler. Zudem hätten alle Verbraucher das Recht auf ein Girokonto und seien besser vor der Verbraucherfalle Dispokredit geschützt. Auch der sogenannte graue Kapitalmarkt sei nun im Sinne der Verbraucher besser reguliert. So würden Kleinanleger effektiver vor intransparenten Produkten geschützt. Die Verbraucherorganisationen profitierten von einem Verbandsklagerecht. Insgesamt seien in dieser Legislaturperiode erhebliche Fortschritte erreicht worden, sagte der SPD-Politiker.
CDU/CSU: Neue Akzente durch Digitalisierung
Auch Mechthild Heil (CDU/CSU) sagte, viele drängende Fragen seien in dieser Wahlperiode bereits beantwortet worden. Das Ziel sei, die Verbraucher zu stärken und in die Lage zu versetzen, eigene Entscheidungen zu treffen. So würden die Bürger darin unterstützt, auf Augenhöhe mit den Unternehmen zu kommen. Verbote seien aber das letzte Mittel. Die Verbraucherpolitik finde heute in vielen Bereichen statt und sei eine Querschnittsaufgabe.
Mit fortschreitender Digitalisierung müssten dabei neue Akzente gesetzt werden. Das Internet biete hier große Chancen, betonte Heil und nannte einige Beispiele. Wünschenswert wäre es etwa, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Firmen maschinenlesbar und damit für Verbraucher leichter zugänglich zu machen. Gut wäre es auch, wenn Nutzer von Internetdiensten ihre Datenschutzwünsche formulieren und zentral auf einer Plattform hinterlegen könnten. Denkbar wäre zudem, dass registrierte Kunden der Bahn oder von Fluglinien automatisch eine Entschädigung bekämen, wenn Züge oder Flüge Verspätung hätten oder ausfielen. Heil betonte: „Wir schauen nach vorne und sehen die Chancen für eine innovative Verbraucherpolitik.“
Grüne: Verbraucher werden noch regelmäßig übervorteilt
Nicole Maisch (Bündnis 90/Die Grünen) reagierte hämisch und sprach von einer „putzigen Ideensammlung“. Ansonsten sehe es im Verbraucherschutz „ziemlich trübe“ aus. Zwar gebe es durchaus Fortschritte etwa durch die „Marktwächter“ oder das Kleinanlegerschutzgesetz, in anderen Bereichen falle die Bilanz aber „dünn und düster“ aus.
Verbraucher würden von Internetkonzernen, in der Wohnungswirtschaft, bei Banken oder Versicherungen noch regelmäßig übervorteilt. So würden den Verbrauchern mitunter „sinnlose und teure Versicherungen“ aufgeschwatzt.
Linke: Verbraucherschutz muss dringend gestärkt werden
Auch Karin Binder (Linke) monierte, dass große Konzerne noch eher geschützt als im Sinne der Verbraucher effektiv kontrolliert würden. Der Abgasskandal bei Volkswagen habe deutlich gemacht, dass der Verbraucherschutz dringend gestärkt werden müsse. Statt dessen bemühe sich die Politik vorrangig um die Automobilindustrie, während die Kunden auf den Kosten sitzen blieben und die Gesellschaft unter den Umweltproblemen leide.
Auch die Dispozinsen der Banken seien weiterhin skandalös hoch und die Mietpreisbremse wirke zum Teil sogar mietsteigernd. Insbesondere Menschen mit einem geringen Einkommen müssten viel effektiver geschützt werden.
SPD: Mangelnde Transparenz auf dem Lebensmittelmarkt
Wie andere Redner der Koalitionsfraktionen würdigte auch Elvira Drobinski-Weiß (SPD) die erreichten Verbesserungen. Sie räumte aber ein, dass auf dem Lebensmittelmarkt insgesamt noch nicht die für Verbraucher so wichtige Transparenz erreicht sei.
Gitta Connemann (CDU/CSU) hielt dagegen, Essen und Trinken seien in Deutschland so sicher wie nie und es gebe alles im Überfluss. Auch der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung werde auf das Notwendige beschränkt. Die CDU-Politikerin betonte zugleich, die Verbraucher bräuchten umfassende und verständliche Informationen, aber keine Maßregelung.
Mit der Digitalisierung ändere sich das Verbraucherverhalten rasant. So müsse etwa sichergestellt werden, dass beim Online-Handel die lebensmittelrechtlichen Kontrollen auch zum Einsatz kämen. Auch bei digitalen Medizinprodukten seien klare Regelungen und verbindliche Mindeststandards gefordert.
Schutz- und Rechtsdurchsetzungslücken schließen
In dem 47-seitigen Bericht, den der Bundestag zur weiteren Beratung an federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwies, werden alle verbraucherpolitischen Aktivitäten der einzelnen Ressorts zusammengefasst. In dem Bericht wird auf die aktuelle Situation im Verbraucherschutz eingegangen sowie Ziele und Rahmenbedingungen definiert.
In der Einleitung schreibt die Regierung, ihr Ziel sei ein „verbraucherfreundlicher, transparenter Markt, auf dem sichere und gute Produkte unter fairen und nachhaltigen Bedingungen hergestellt und angeboten werden“. Verbraucher sollten „selbstbestimmt entscheiden können“. Der Vorlage zufolge sind das Schließen von Schutz- und Rechtsdurchsetzungslücken, die Schaffung von Transparenz sowie die Stärkung der Teilhabechancen von Menschen jeden Alters und unabhängig von ihrer sozialen oder nationalen Herkunft einige der Kernziele der Verbrauchschutzpolitik der Bundesregierung. (pk/hau/pst/18.05.2017)