Lamers: Georgien näher an die Nato heranführen
Die Nato soll die Kooperation mit Georgien ausbauen und den Dialog vertiefen, um das Land „näher an das Bündnis heranzuführen“, so der Heidelberger CDU-Abgeordnete Dr. Dr. h.c. Karl A. Lamers im Interview. Das Bündnis gab dem Land 2008 eine Beitrittszusage, ein Zeitplan existiert jedoch nicht. Lamers leitet die Bundestagsdelegation beim Frühjahrstreffen der Parlamentarischen Versammlung der Nato, das vom 26. bis 29. Mai 2017 in Tiflis und damit in Georgien stattfindet, einem Staat, der nicht der Allianz angehört und in der Nachbarschaft Russlands liegt. Lamers: „Es wäre ein falsches Signal gewesen, wenn wir aus Rücksicht auf Russland die Einladung des georgischen Parlaments nicht angenommen hätten.“ Das Interview im Wortlaut:
Herr Dr. Lamers, warum tagen die Nato-Abgeordneten in einem Staat, der gar nicht der Allianz angehört? Bislang lehnt das Bündnis die von Tiflis angestrebte Mitgliedschaft ab. Soll das Treffen gleichwohl die Integration Georgiens in die Allianz vorantreiben?
Unsere Versammlung hat im April 2014 die Einladung des georgischen Parlaments angenommen, 2017 die Frühjahrstagung in Tiflis abzuhalten. Im Parlamentarischen Nato-Georgien-Rat beschäftigen wir uns regelmäßig mit der besonderen Situation in diesem Land. Georgien ist eng in die Partnerschaftsstrukturen des Bündnisses eingebunden. Zudem engagiert sich das Land in Afghanistan mit einem fast 900-köpfigen Kontingent im Rahmen der Ausbildungsmission „Resolute Support“ so stark wie kein anderer Staat außerhalb der Allianz. Beim Nato-Gipfel in Bukarest 2008 wurde dem Land eine Beitrittszusage gegeben, allerdings ohne einen konkreten Zeitplan festzulegen. Der georgische Wunsch, eine Beitrittsperspektive aufzuzeigen, ist uns natürlich bewusst. Momentan sollten wir uns aber darauf konzentrieren, die bereits laufende praktische Kooperation auszubauen und den Dialog zu vertiefen, um Tiflis näher an das Bündnis heranzuführen.
Läuft die Versammlung nicht Gefahr, mit dem Kongress vor der Haustür Russlands das ohnehin gespannte Verhältnis zwischen der Nato und Moskau zusätzlich zu belasten?
Georgien ist ein souveränes Land. Die guten Beziehungen zwischen der Allianz und Tiflis nutzen beiden Seiten. Es wäre ein falsches Signal gewesen, wenn wir aus Rücksicht auf Russland die Einladung des georgischen Parlaments nicht angenommen hätten.
Herrscht weiterhin Eiszeit zwischen den Nato-Abgeordneten und Moskau? Oder bahnt sich eine Annäherung zwischen den Parlamentariern und der Duma an?
In unserer Versammlung sind die Beziehungen zu Moskau ein Dauerthema. Solange Russland an der völkerrechtwidrigen Annexion der Krim festhält und in der Ostukraine die Separatisten unterstützt, sehe ich keine Möglichkeit, offizielle Kontakte aufzunehmen. Dennoch kooperieren wir mit Moskau in manchen Bereichen, etwa im hohen Norden. Sorge bereiten uns die russische Aufrüstung und die vielen militärischen Übungen in der Nachbarschaft der Ostgrenze des Bündnisses.
Donald Trump provoziert mit seiner widersprüchlichen Politik gegenüber der Nato Verunsicherung und Besorgnisse. Droht die Politik des US-Präsidenten in eine Kluft zwischen den europäischen Nato-Staaten und Washington zu münden?
Nach anfänglichen Irritationen hat sich meines Erachtens auch bei Präsident Trump die Erkenntnis durchgesetzt, dass wir nur gemeinsam in einem starken Bündnis die sicherheitspolitischen Herausforderungen meistern können. Trump hat gegenüber Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg deutlich gemacht, dass die Allianz für die USA weiterhin von großer Bedeutung ist. Die amerikanischen Abgeordneten haben uns in der Parlamentarischen Versammlung die Bündnistreue der USA versichert. Wir sind uns in vielem einig, vor allem auch darin, dass die Nato etwa bei der Bekämpfung des Terrorismus mehr tun kann und soll.
Wie reagieren die Nato-Abgeordneten auf Trumps Politik gegenüber dem Bündnis? Umstritten ist etwa die Lastenverteilung bei der Finanzierung der Allianz.
Nach Trumps Wahl zum US-Präsidenten und dessen zunächst irritierenden Aussagen zum Bündnis wurden natürlich viele Gespräche mit den amerikanischen Abgeordneten geführt. Mit dem Problem der finanziellen Lastenverteilung haben wir uns bereits vor der Wahl Trumps beschäftigt. Klar ist für uns, dass die Verbündeten der USA mehr für die Verteidigung tun müssen.
Sorgt Trump auch zwischen der Nato und der EU für Unruhe? Bisher ging es darum, die Abstimmung zwischen der Allianz und der EU zu vertiefen. Ist diese Annäherung nun gefährdet?
Anfangs gab es in der Tat eine gewisse Unruhe, die sich meines Erachtens jedoch inzwischen weitgehend gelegt hat. Eine stärker auf Synergieeffekte zielende Kooperation zwischen dem Bündnis und der EU ist für beide Seiten von Vorteil. Die Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik, die vor großen Herausforderungen steht, ist wichtiger denn je. Die Kooperation zwischen der Nato und der EU wird bei unserer Tagung in Tiflis breiten Raum einnehmen.
(kos/22.05.2017)