Bewaffnete deutscher Streitkräfte werden sich auch weiterhin am EU-Militäreinsatz im Mittelmeer (EUNAVFOR MED Operation Sophia) beteiligen. Der Bundestag stimmte am Donnerstag, 29. Juni 2017, einem dahingehenden Antrag der Bundesregierung (18/12491) zu. Bei der namentlichen Abstimmung über eine Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses (18/12868) votierten 467 Abgeordnete mit Ja, 116 mit Nein bei drei Enthaltungen.
Ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/12967) in dem die Bundesregierung unter anderem aufgefordert wurde, die Seenotrettung als oberste Priorität des Einsatzes deutscher Soldaten im Mittelmeer festzuschreiben, damit das Sterben unzähliger Schutzsuchender an den EU-Außengrenzen beendet wird, erhielt keine Mehrheit. Zudem hatte der Haushaltsausschuss einen Bericht nach Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages (18/12869) vorgelegt.
Bekämpfung von Menschenschmuggel und -handel
Seit Juni 2015 beteiligt sich Deutschland durchgehend an der EU-geführten Operation Sophia. Laut Regierung zielt sie in erster Linie darauf, Menschenschmuggel und Menschenhandel im südlichen und zentralen Mittelmeer zu bekämpfen. Zusätzlich würden die libysche Küstenwache und Marine durch Informationsaustausch, Ausbildung und auch durch Kapazitätsaufbau unterstützt. Die Rettung von in Seenot geratenen Flüchtlingen sei als völkerrechtliche Verpflichtung Teil des Gesamtauftrages, heißt es in den Antrag.
An der Operation Sophia beteiligen sich 25 europäische Nationen mit durchschnittlich 1.200 Soldaten und Zivilpersonal. Neben Schiffen werden auch Flugzeuge und Helikopter eingesetzt. Das aktuelle Mandat des Bundestages für die Beteiligung der Bundeswehr an der Operation im Mittelmeer endet am 31. Juli 2017.
Redner der Koalitionsfraktionen wiesen während der Debatte auf die hohe Zahl von aus Seenot geretteten Flüchtlingen durch Schiffe der Operation Sophia hin. Zudem leiste die Mission einen wichtigen Beitrag zum Aufbau der libyschen Küstenwache. Aus Sicht der Oppositionsfraktionen ist die Operation Sophia vor allem eine Maßnahme zur Abwehr von Flüchtlingen. Um das Sterben auf dem Mittelmeer zu beenden müssten legale Einreisewege in die EU geschaffen werden, forderten Linke und Grüne.
SPD: Stärkung der Zivilgesellschaft in Libyen
„Allein die Tatsache, dass die Schiffe der Operation Sophia in den letzten Monaten mehr als 36.000 Menschen vor dem Ertrinken gerettet haben, ist Grund genug, dem Antrag zuzustimmen“, befand Rainer Arnold (SPD). Das Mandat sei zudem eingebettet in ein vielfältiges Krisenenmanagement. Die Stärkung der Zivilgesellschaft in Libyen sei sehr wichtig, ebenso wie eine bessere Regierungsführung.
Auch in den Bereichen Bildung, Gesundheit und bei der Mediation zwischen den Konfliktparteien helfe Deutschland, sagte Arnold. Was den Beitrag zur Ausbildung der libyschen Küstenwache angeht, so räumte Arnold ein, dass es dabei viel zu kritisieren gebe und vieles besser werden müsse. Es sei aber zynisch, darauf zu antworten: „Nur weil es derzeit schlecht läuft, lassen wir euch das alleine machen.“
Linke: EU reagiert mit Flüchtlingsabwehr
Auf das Ertrinken von mehr als 10.000 Menschen im Mittelmeer reagiere die EU mit Flüchtlingsabwehr wozu auch die Operation Sophia gehöre, kritisierte Dr. Alexander S. Neu (Die Linke). Stattdessen, so seine Forderung, müsse über Fluchtursachen gesprochen werden. Dazu gehöre unter anderem „der von Deutschland vorangetriebene Freihandel“. Die Öffnung der Binnenmärkte in Afrika habe zur Zerstörung der ohnehin schwachen Landwirtschaft und Industrie geführt. „Deutsche Produkte überschwemmen die Märkte dort und zerstören die Wirtschaft“, sagte der Linke-Abgeordnete.
Um Fluchtursachen zu bekämpfen müsse man umdenken, forderte er. Das gelte für die Außenpolitik, die Entwicklungspolitik und die Klimapolitik. Mit Blick auf die libysche Küstenwache sagte Neu, damit finanziere die EU kriminelle Strukturen. Zivile Seenotretter würden hingegen von EU- aber auch deutschen Politikern kriminalisiert.
CDU/CSU: Bleibeperspektiven in Afrika schaffen
Der Vorwurf, die Operation Sophia sei eine Flüchtlingsabhaltepolitik, sei „völlig abstrus“, befand Roderich Kiesewetter (CDU/CSU). Richtig sei, dass die Bundesregierung Afrika stärker in die europäische Nachbarschaftspolitik einbezogen habe. Migrationspartnerschaften, Ausbildungspartnerschaften und eine gezielte Begleitung diplomatischer Prozesse im Maghreb seien die Markenzeichen dieser Politik, sagte der Unionsabgeordnete. Die Stärkung des politischen Prozesses in Libyen gehöre auch dazu, sagte er.
Die Flüchtlingslager in der libyschen Küste müssten unter internationale Aufsicht gestellt werden, forderte Kiesewetter. Zugleich plädierte er für die Anerkennung der libyschen Zentralregierung. Das sei erforderlich, weil die meisten Flüchtlinge aus Afrika über Libyen kämen, „weil das Land zerfallen ist“. Entscheidend sei also, Libyen zu stabilisieren und zugleich Bleibeperspektiven in den Ländern Afrikas zu schaffen.
Grüne: De facto keine Regierung in Libyen
Dr. Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen) zog in Zweifel, ob die Operation Sophia tatsächlich zur Bekämpfung der Schmuggler und Menschenhändler führt. „Wenn man effektiv gegen Schmuggler vorgehen will, muss man legale Wege für die Menschen schaffen“, sagte sie. Auch das im Mandat enthaltene Training der libyschen Küstenwache sah Brantner skeptisch. In Libyen gebe es derzeit de Facto keine Regierung.
„Die Küstenwache ist also eine Miliz von vielen in diesem Land“, sagte die Grünenabgeordnete. Wenn man – wie immer wieder behauptet – Libyen aufbauen möchte, „warum bilden wir dann nicht die Menschen im Justiz-, Verwaltungs- oder Sozialbereich aus, sondern nur die Küstenwachen“, fragte Brantner. Das sei eine Abschottungspolitik, „aber keine Politik für Libyen“. (hau/29.06.2017)