Einwanderungsgesetz der Grünen stößt im Plenum auf Widerspruch
Die Debatte über die Notwendigkeit eines Einwanderungsgesetzes ist am Donnerstag, 1. Juni 2017, im Bundestag von konträren Einschätzungen der Koalitionspartner CDU/CSU und SPD geprägt worden. Ausgangspukt der Auseinandersetzung war ein Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen „zur Einführung eines Einwanderungsgesetzes“ (18/11854). Er wurde an den Innenausschuss zur federführenden Beratung überwiesen.
Grüne: Einwanderungsland ohne Einwanderungsgesetz
Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt rief dazu auf, endlich ein solches Vorhaben anzugehen: „Deutschland ist ein Einwanderungsland ohne Einwanderungsgesetz.“ Wer als Ausländer hierzulande eine Stelle suche, müsse sich mit 48 verschiedenen Regelungen auseinandersetzen und brauche deshalb einen eigenen deutschen Anwalt. „So halbherzig wird das nichts“, blickte sie auf den nötigen „Schub“ im globalen „Wettbewerb um die besten Köpfe und Fachkräfte“.
Das Punktesystem, wie es im Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen beschrieben ist, sei geeignet, diejenigen für Deutschland zu interessieren, die das Land brauche. Wobei Integrationsanstrengungen darüber bestimmten, „dass Einwanderung gelingt“.
Regierung: Aufenthaltsrecht ist nicht der Hemmschuh
Dr. Ole Schröder (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, bestritt die Notwendigkeit eines Einwanderungsgesetzes. Kein Ingenieur oder Informatiker mache seine Entscheidung, in Deutschland einen Arbeitsplatz zu suchen, von rechtlichen Regelungen abhängig. Entscheidend seien Lebensqualität, Karrierechancen, Verdienstmöglichkeiten oder auch die Höhe von Steuern und Abgaben.
Deutschland sei „eines der Länder mit den geringsten Beschränkungen für die Zuwanderung von Arbeitsmigranten“. Schröder: „Das Aufenthaltsrecht ist nicht der Hemmschuh.“ Er räumte ein, dass „mehr Marketing“ betrieben werden solle „für das, was möglich ist“. Der Gesetzentwurf beinhalte eine „ungehemmte Vermengung von Arbeits- und Asylmigration“.
Linke: Keine solide Integrationspolitik
Sevim Dağdelen (Die Linke) meinte, der Vorstoß von Bündnis 90/Die Grünen beinhalte „keine solide Integrationspolitik“ und stehe unter dem Motto „Deutschland sucht den Super-Ausländer“. Die vorgeschlagenen Kriterien für das Punktesystem gemahnten an Sozialdarwinismus: „Menschen werden als Warfe behandelt.“
Wohl auch wegen des Lohnniveaus verließen Fachkräfte das Land: „Deutschland ist zum Auswanderungsland gemacht worden.“ Den Gesetzentwurf nannte sie „eine grüne Mogelpackung, die nichts mit einem Einwanderungsgesetz zu tun hat“. Gut Ausgebildete würden „ermuntert, ihre Heimat zu verlassen“.
SPD bedauert „fehlende Gemeinsamkeit“
Sebastian Hartmann (SPD) hielt Dağdelen vor, mit dem Wort vom Sozialdarwinismus „Angst in diesem Land“ zu schüren. Damit verhalte sie sich wie Parteien „am rechten Rand“. Er machte der CDU/CSU-Fraktion klar, mit ihrer Ablehnung eines Einwanderungsgesetzes allein im Bundestag zu sein. Das werde im Bundestagswahlkampf thematisiert. Er bedauere die fehlende Gemeinsamkeit.
Das von der SPD formulierte Einwanderungsgesetz sei schlanker und insgesamt „deutlich besser“ als der Entwurf der Grünen. Es mache „Deutschland als modernen Staat attraktiv in der Welt“. Es gehe um eine „Bereicherung für den Arbeitsmarkt“. Strikt getrennt davon müsse die Gewährung von Asyl als humanitäre Verpflichtung gesehen werden.
CDU/CSU: Deutschland hat präzises Zuwanderungsrecht
Stephan Mayer (CDU/CSU) befand, die Forderung der SPD nach einem Einwanderungsgesetz beruhe auf „Irrtümern“. Deutschland habe bereits ein „sehr präzises und punktgenaues Zuwanderungsrecht“. Dies zeige sich auch daran, dass Deutschland global gesehen nach den USA die zweitgrößte Nettozuwanderung habe. Seine Formel: „Deutschland ist kein klassisches Einwanderungsland, aber ein Land, das Zuwanderung benötigt.“
Unerlässlich sei, dass die Arbeitsmigration an einen konkreten Stellen-Nachweis gebunden sein müsse. Die Grünen warnte er vor einem „Spurwechsel“ zwischen legaler Zuwanderung, bei der es sehr wohl um Nützlichkeitsüberlegungen gehe, und humanitärer Zuwanderung. Die vorgeschlagene „deutliche Ausweitung des Familiennachzugs“ kritisierte er als „absolut falsches Signal“.
Liberalisierung, Systematisierung, Vereinfachung
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen macht geltend, dass mit ihrem Vorstoß die bestehenden Regelungen der Arbeitskräfteeinwanderung durch ein Einwanderungsgesetz „liberalisiert, systematisiert und vereinfacht“ würden. Durch das vorgeschlagene Punktesystem werde „der Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit erleichtert und auch für Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie Geduldete geöffnet“.
Geeignete Kriterien für die Auswahl können laut Vorlage etwa Hochschulabschlüsse und qualifizierte Berufsausbildung, Berufserfahrung und deutsche Sprachkenntnisse sein. (fla/01.06.2017)