Bildung

Anträge der Linken zur inklusiven Bildung abgelehnt

Inklusive Bildung soll grundsätzlich gestärkt werden. Darin waren sich alle Redner in der Debatte am Donnerstag, 22. Juni 2017, einig. Gleichwohl sprach Xaver Jung (CDU/CSU) von „Aktionismus“ bei der Einführung der inklusiven Bildung. Das empörte die Opposition. Özcan Mutlu (Bündnis 90/Die Grünen) sagte: „Inklusion ist ungeeignet für ideologische Grabenkämpfe.“ Der Debatte lagen die Beschlussempfehlung  des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu Anträgen der Fraktion Die Linke (18/8420), (18/8421), (18/8889), (18/9127), (18/12409) sowie die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (18/11803)zu einem weiteren Antrag der Fraktion Die Linke (18/2013).  

CDU/CSU: Gut gemeint ist nicht gut gemacht

Der CDU-Abgeordnete Xaver Jung lobte zwar eingangs die Fortschritte in der Inklusion. Allerdings machte er auch deutlich, dass Inklusion mittlerweile ein sehr emotionsgeladenes Thema bei Schülern, Eltern und Lehrern sei. Leider mache sich ein unseliger Aktionismus auf Kosten der betroffenen Kinder und Jugendlichen breit. Oft sei die Beschulung in Regelschulen zwanghaft und übereilt. Es gebe mittlerweile viele negative Berichte aus den Ländern, sagte er und machte klar: „Das Schlimme ist, das alles war vorhersehbar.“

Kinder mit starken Verhaltensauffälligkeiten hätten keine Rückzugsräume mehr und belasteten mit extremen Verhaltensweisen ihre Mitschüler und Lehrer. Kinder, die mit ihren Mitschülern nur begrenzt kommunizieren könnten, würden ausgegrenzt und müssten die Pause alleine verbringen. „Kurzum: gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht“, sagte Jung. „Hier wird ein ideologischer Ansatz, der in der Theorie sehr schön erscheint, durch mangelnde Ressourcen in der Praxis zu einem negativen Szenario.“ Da müsse man sich über mangelnde Akzeptanz nicht wundern.

Linke betont hohen Wert inklusiver Bildung 

Dr. Rosemarie Hein (Die Linke) betonte den hohen Wert von inklusiver Bildung. Sie könne nur gelingen, wenn die Größe der Lern- und Betreuungsgruppen stimme und die Schulklassen nicht zu groß seien. Grundlage seien zudem nicht nur gut ausgebildete und vorbereitete Lehrer, sondern auch Schulsozialarbeit, Schulpsychologie, pädagogische Fachkräfte für die Ganztagsbetreuung oder auch Therapieangebote.

„In der Bildung nennen wir das Multiprofessionalität. Davon sind die meisten Schulen noch weit entfernt“, kritisierte Hein. Zudem müsse jedem Menschen die Möglichkeit gegeben werden, berufliche Bildung zu erwerben. Deshalb müsse man sich komplett von dem Begriff Ausbildungsreife verabschieden. Ferner forderte sie die Stärkung der Schulsozialarbeit. Er solle als eigenständiger Paragraf ins Kinder-Jugendhilferecht geschrieben werden.

SPD: Über Inklusion lässt sich nicht verhandeln

Auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Selfi Scho-Antwerpes warb für die Inklusion. „Über Inklusion lässt sich nicht verhandeln. Inklusion ist etwas wie die Seele einer Gesellschaft und sollte die Seele unserer Gesellschaft sein.“ Das schließe die inklusive Bildung ein. Jedes Kind sei einzigartig und müsse die Förderung erhalten, die es benötige. Sicher sei der Weg hin zur Inklusion eine Mammutaufgabe, den aber Kinder, Eltern und pädagogisches Personal zusammen gehen sollten. Nur so könne man Ängste abbauen, damit der Lernort Schule zu einem Lebensort werde.

„Es ist nicht hinnehmbar, dass es bei der inklusiven Bildung ideologische Grabenkämpfe gibt“, mahnte sie und nannte es „skandalös“, dass die neue nordrhein-westfälische Landesregierung aus CDU und FDP bei der inklusiven Bildung auf der „Bremse stehe“. Nach den schwarz-gelben Plänen solle die Anzahl der Sonderpädagogen an Regelschulen verringert werden, kritisierte sie. Dabei bräuchte man gerade mehr gut ausgebildetes Personal.

Grüne: Inklusive Bildung gibt es nicht zum Nulltarif

Özcan Mutlu (Bündnis 90/Die Grünen), erinnerte daran, dass die UN-Behindertenrechtskonvention schon vor acht Jahren von Deutschland unterschrieben worden sei. Mit der Ratifizierung habe sich Deutschland dazu verpflichtet, alle Schülerinnen und Schüler gemeinsam zu unterrichten. Die Konvention sei eine Selbstverpflichtung, die Deutschland im Bund und den Bundesländern nun umsetzen müsse. Inklusion sei ein Menschenrecht, „dass wir nicht einfach nach Belieben und nach parteipolitischer Couleur aushebeln können“.

Kinder, die inklusiv unterrichtet würden, würden besser lernen und mehr erreichen als Kinder in Förderschulen. Jeder zweiter ohne Schulabschluss komme von einer Förderschule. Mutlu fragte: „Was solle aus diesen Menschen werden?“ Er forderte, dass die Union endlich begreifen müsste, dass es inklusive Bildung nicht zum Nulltarif gebe und die Rahmenbedingungen stimmen müssten. 

Linke sieht „Exklusionsrisiken im deutschen Bildungssystem“

Die Forderung nach Ausbau der Inklusion im Schulsystem (18/8420) begründete die Fraktion mit „erheblichen Exklusionsrisiken im deutschen Bildungssystem“. Diese würden von unterschiedlichen körperlichen, geistigen, seelischen und Sinnesbehinderungen über soziale Benachteiligungen, Geschlecht bis zur Herkunft reichen. So hätten zum Beispiel auch junge Menschen mit Migrationshintergrund trotz großer individueller Potenziale immer noch deutlich schlechtere Bildungschancen. In ihrem Antrag unterstreicht die Linksfraktion, dass das Schulsystem tiefgreifend verändert werden müsse. Inklusion dürfe nicht zum Sparangebot deutscher Bildungspolitik werden.

Inklusion in der Berufsausbildung müsse zum Ziel haben, dass junge Menschen mit und ohne Behinderungen und ungeachtet anderer Benachteiligungen das gleiche Recht auf berufliche Aus- und Weiterbildung haben, heißt es in einem weiteren Antrag (18/8421). Die Abgeordneten forderten die Bundesregierung unter anderem auf, in Zusammenarbeit mit den Ländern und Kommunen ein Investitionsprogramm „inklusive Bildung“ auf den Weg zu bringen, um schnellstmöglich bestehende Bildungseinrichtungen umzubauen, sodass sie barrierefrei sind. Ferner sollten barrierefreie Kommunikationsformen bereitgestellt und vernetzte Beratungsangebote geschaffen werden.

Beide Anträge wurden mit Koalitionsmehrheit gegen das Votum der Opposition abgelehnt.

Inklusion in der Kindertagesbetreuung

Ein weiterer Antrag befasste sich mit dem Thema Inklusion in der Kindertagesbetreuung (18/8889). Darin wurde die Bundesregierung aufgefordert, in Zusammenarbeit mit den Ländern und Kommunen ein Investitionsprogramm „Inklusive Bildung“ auf den Weg zu bringen. Unter anderem forderte die Fraktion, dass schnellstmöglich bestehende Bildungseinrichtungen zu barrierefreien Gebäuden um- und ausgebaut werden sollen. Neubauten sollten von Beginn an barrierefrei sein, und auch barrierefreie Kommunikationsformen sollten zur Verfügung gestellt werden.

Ferner forderte Die Linke die Gewährleistung umfassender Barrierefreiheit im Bereich der Verkehrswegeplanung sowie beim öffentlichen Nahverkehr. Außerdem sollte sich der Bund gemeinsam mit dem Bundesrat und der Kultusministerkonferenz dazu verpflichten, dass der Umbau zu einem inklusiven Bildungssystem umgehend in allen Ländern durchgesetzt wird.

Der Antrag wurde mit Koalitionsmehrheit gegen das Votum der Opposition abgelehnt.

Ausbau inklusiver Hochschulen

Den Ausbau inklusiver Hochschulen forderte die Linksfraktion ebenfalls. In dem entsprechenden Antrag (18/9127) heißt es, Inklusion müsse als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe begriffen werden. Politischen Vorgaben und Maßnahmen müssten darauf ausgerichtet und in Zusammenarbeit mit Ländern, Kommunen und Studentenwerken ein Investitionsprogramm „Inklusive Bildung“ auf den Weg gebracht werden, so die Abgeordneten, um schnellstmöglich bestehende Bildungseinrichtungen barrierefrei umzubauen und Neubauten von Beginn an barrierefrei zu gestalten.

Darüber hinaus müsse umfassende Barrierefreiheit im Bereich der Verkehrswegplanung sowie beim öffentlichen Nahverkehr gewährleistet werden. Der Bund solle sich gemeinsam mit Bundesrat und Kultusministerkonferenz dazu verpflichten, den Umbau zu einem inklusiven Bildungssystem umgehend in allen Ländern durchzusetzen.

Der Antrag wurde mit Koalitionsmehrheit bei Enthaltung der Grünen abgelehnt.

Schulsozialarbeit an allen Schulen

Schließlich forderte die Linksfraktion in einem weiteren Antrag (18/2013), Schulsozialarbeit an allen Schulen sicherzustellen.

Dazu sollte nach den Vorstellungen der Abgeordneten Schulsozialarbeit im Jugendhilferecht des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) als Regelleistung angeboten werden. Der Antrag wurde mit Koalitionsmehrheit bei Enthaltung der Grünen abgelehnt. (rol/hau/22.06.2017)

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