Grünen-Anträge zum reduzierten Einsatz von Pestiziden beraten
Den Pestizideinsatz in der Landwirtschaft hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in zwei Anträgen thematisiert, die der Bundestag am Donnerstag, 22. Juni 2017, zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft überwiesen hat. Abgelehnt wurde ein weiterer Antrag der Grünen (18/12797) zur Marktkonzentration im Agrarmarkt.
„Einsatz besonders problematischer Stoffe beenden“
Die Grünen wollen die Anwendungsmengen an Pestiziden in Deutschland reduzieren (18/12382). Sie verlangen von der Bundesregierung, den Einsatz besonders problematischer Stoffe wie der Totalherbizide Glyphosat und Glufosinat und der bienengefährdenden Neonikotinoide zu beenden. Außerdem sollen klare Reduktionsziele mit Kennzahlen und Zeitfenstern sowie die Leitlinien der „guten fachlichen Praxis“ verbindlich und rechtssicher definiert werden.
In erster Lesung beraten wurde auch die Forderung nach einem Verbot für bienengiftige Insektizide (18/12384). Die Bundesregierung soll laut der Vorlage das von der EU-Kommission geplante Verbot der Wirkstoffe Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam im Außenbereich offensiv unterstützen. Des Weiteren fordern die Grünen, unabhängig von der Entwicklung auf der EU-Ebene nach dem Vorbild Frankreichs entsprechend dem Vorsorgeprinzip die Zulassung von Pestizidformulierungen mit Neonikotinoiden sowie mit Fipronil zu widerrufen.
Marktkonzentration im Agrarmarkt
Gegen das Votum der Opposition lehnte der Bundestag einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/12797) ab, der einen Stopp der Marktkonzentration im Agrarmarkt und den Erhalt der Artenvielfalt und Ernährungssouveränität zum Ziel hatte.
Die Grünen wollten unter anderem, dass die Bundesregierung bewertet, inwiefern sich die zunehmende Marktkonzentration im Agrarchemiesektor durch die Fusionen von Dow und DuPont, Syngenta und ChemChina sowie Bayer und Monsanto auf die Ernährungssouveränität Deutschlands und die der Mitgliedstaaten der Europäischen Union auswirkt.
Grüne fordern Kehrtwende in der Agrarpolitik
Während der Debatte sprach Harald Ebner (Bündnis 90/Die Grünen) von einem „beängstigenden Rückgang“ von Vögeln, Bienen und anderen Insekten in den Agrar- und Kulturlandschaften. Eine der maßgeblichen Ursachen dafür sei der „flächendeckende Pestizideinsatz“. Die Gifte gelangten in die Böden, die Luft und „in unser Essen“. Der Grünen-Abgeordnete forderte angesichts dessen: „Wir brauchen eine Kehrtwende in der Agrarpolitik.“ Das sei im Übrigen auch im Interesse der Agrarwirtschaft, die nicht den Ast absägen dürfe, auf dem sie selber sitzt. Wenn Böden ihre Fruchtbarkeit verlören, lasse sich auch nichts mehr darauf anbauen, sagte Ebner.
Gegen diese Fehlentwicklungen unternehme die Bundesregierung jedoch nichts, was ein Armutszeugnis darstelle, befand er. Wenn im Zusammenhang mit dem Nationalen Aktionsplan Pflanzenschutz des Agrarministers Christian Schmidt (CSU) die Regierung auf Nachfrage sage, Zielquoten oder erreichte Reduzierungen des Einsatzes von Pestiziden könnten derzeit noch nicht angeben werden, sei das eine Bankrotterklärung.
Regierung: Benötigt wird ein Aufbruch in die Zukunft
Peter Bleser (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, warf den Grünen vor, nach ideologischen Vorgaben zu entscheiden und die Fakten zu ignorieren. „Wir lassen Düngemittel auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse zu oder eben auch nicht“, sagte er. Kritik übte er auch an der Forderung der Grünen nach einer Agrarwende. Benötigt werde ein „Aufbruch in die Zukunft“, um die zehn Milliarden Menschen, die die Vereinten Nationen für das Jahr 2050 prognostizierten, auch ernähren zu können, sagte Bleser.
„Die können sie nicht mit Ökoschrebergärten in den Vorgärten der Großstädte ernähren. Dafür brauchen sie eine effiziente und leistungsfähige Landwirtschaft.“ Die Grünen, so Blesers Einschätzung, seien eine Gängelungs- und Verbotspartei. Wer Strafsteuern auf Düngemittel fordere, helfe den Menschen nicht, da dies lediglich zu einer Verlagerung der Produktion führe.
Linke: Widerstand ist Pflicht
Dr. Kirsten Tackmann (Die Linke) stellte die Problematik der zunehmenden Marktkonzentration im Agrar- und Lebensmittelbereich in den Mittelpunkt ihrer Rede. Das sei eine bedenkliche Entwicklung und zugleich ein „Systemfehler“. In der „sogenannten“ freien Marktwirtschaft heiße das Erfolgsprinzip eben nicht „soziale und ökologische Verantwortung“, sondern „Maximalprofit um fast jeden Preis“. Dieser sei am leichtesten durch eine erpresserische Marktübermacht zu erreichen, sagte Tackmann.
Die Konzerne seien die Profiteure. „Verlierer des Systems sind wir alle“, so die Linke-Abgeordnete. Es dürfe nicht Konzernen überlassen werden, was auf den Tellern der Verbraucher landet. „Widerstand ist Pflicht“, sagte Tackmann.
SPD: Pflanzenschutzmittel-Einsatz dringend reduzieren
Verbraucherschutz, nachhaltige Landwirtschaft sowie gesunde und nachhaltig erzeugte Lebensmittel, die auch wettbewerbsfähig in Deutschland produziert werden könnten, seien das Ziel sozialdemokratischer Agrarpolitik, sagte Rita Hagl-Kehl (SPD). Ein wichtiger Faktor sei auch die Biodiversität. Die SPD-Abgeordnete meinte, es gebe derzeit „wirklich einen intensiven Einsatz von Pestiziden“. Die Rückstandswerte in den Gewässer stiegen, zudem gebe es immer mehr Schäden bei Bienen, deren Gesundheit nicht gefährdet werden dürfe, wolle man nicht wie in China mit Stäbchen die Pflanzten befruchten.
Hagl-Kehls Forderung lautete daher: „Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln muss dringend reduziert werden.“ Gelingen könne dies, indem vermehrt auf ackerbauliche Alternativen gesetzt werde. Zudem sollten konventionelle Pestizide nach Möglichkeit durch biologische Pflanzenschutzmittel ersetzt werden. Benötigt werde auch eine Ausweitung ökologisch bewirtschafteter Landwirtschaftsflächen, sagte die SPD-Abgeordnete.
CDU/CSU: Wir haben die sichersten Lebensmittel weltweit
Ingrid Pahlmann (CDU/CSU) warf den Grünen vor, die Verbraucher durch Horrorszenarien verunsichern zu wollen. „Wir haben die sichersten Lebensmittel weltweit“, betonte die Unionsabgeordnete.
Es sei richtig, dass Pflanzenschutzmittel ausreichend reguliert werden müssten, was in Deutschland aber auch der Fall sei. Für die Union sei jedoch klar, dass Sicherheit und Qualität in der Nahrungsmittelversorgung „ohne chemische Pflanzenschutzmittel definitiv nicht zu erreichen sind“. (hau/22.06.2017)