Kinderkommission

Experten: Leidensdruck von Trans*kindern ernst nehmen

Junger Brasilianer beteiligen sich in Sao Paulo an einem Protestmarsch der LGBT-Community (lesbian, gay, bisexual and transgender).

Trans*Jugendliche waren Thema des Expertengesprächs in der Kinderkommission. (picture-alliance/ZUMA Press)

„Viele Menschen haben Angst, etwas falsch zu machen im Umgang mit Trans*Menschen“, sagte Karoline Haufe vom Verein Trans-Kinder-Netz im Fachgespräch der Kinderkommission des Deutschen Bundestages am Mittwoch, 28. Juni 2017. In der Sitzung unter der Leitung von Beate Walter-Rosenheimer (Bündnis 90/Die Grünen) zum Thema Trans*Jugendliche forderten die Experten Fortbildungs- und Aufklärungsmaßnahmen zum Thema Trans* in der Gesellschaft. Darüber hinaus wiesen sie auf die immer noch große Diskriminierung von Trans*Kindern und Jugendlichen hin. Die Sitzung war das dritte Fachgespräch eines Themenschwerpunktes zu den Belangen von queeren, lesbischen, schwulen, trans* und intergeschlechtlichen Jugendlichen.

Individuelle Transition

Transgender, transsexuell oder kurz trans* umschreibt ein Identitätskonzept, bei dem das selbst erlebte Geschlecht im Widerspruch zu dem bei der Geburt zugeschriebenen steht. Dabei geht es jedoch nicht um sexuelle Orientierung, sondern um geschlechtliche Identität.

Die Transition von Kindern und Jugendlichen zum empfundenen Geschlecht verläuft dabei über unterschiedliche, individuelle Stadien, erklärte Karoline Haufe: Von einer sozialen Veränderung mit dem Wechsel der Geschlechterrolle und der Kleidung über eine mögliche medizinische Veränderung mit der Gabe von Hormonen bis hin zur Änderung des Personenstandes.

„Selbstzuschreibung von Kindern ernst nehmen“

„Das psychische Wohlbefinden von Kindern ist besser, wenn die empfundene Identität im Alltag gelebt werden kann“, sagte Haufe. Dabei müsse man die Selbstzuschreibung zu ihrem Geschlecht in jedem Alter ernst nehmen. Besonders in der Pubertät stünden Trans*Kinder jedoch unter einem großen Leidensdruck. Dies bestätigte auch Stephan Maria Bröpper vom Verein gleich & gleich: „Die Zahl der Suizide ist bei Trans* Kinder deutlich höher als bei anderen Jugendlichen.“ Jede alltägliche Situation halte ein hohe Schwelle bereit: In welche Toilette oder Umkleidekabine gehe ich? Wie erkläre ich den Unterschied zwischen meinem Äußeren und dem Namen auf meinem Personaldokument?

Im Alltag seien Trans*Kinder und Jugendliche dabei sehr stark vom Verhalten ihres Umfeldes abhängig – zum Beispiel bei der Verwendung eines neuen Namens. Aufklärung und Fortbildung für Familien, Lehrpersonal, aber auch Mediziner sei daher unbedingt vonnöten, so die Experten.

Änderung von Dokumenten erleichtern

„Viele Transkinder und Familien erfahren Diskriminierung“, sagte Karoline Haufe. Dazu gehörten physische und körperliche Angriffe ebenso wie fehlende Fachlichkeit von Lehrpersonal. Gerade im schulischen Kontext stellten sich viele Herausforderungen. Oftmals komme es zum Fremdouting oder Mobbing. Auch die Änderung von Namen auf Dokumenten sei schwierig.

„Amtliche Dokumente müssen on- und offline überprüft werden“, sagte auch Stephan Maria Bröpper. Oft müsse man auf Formularen ein definitives Geschlecht auswählen, um einen Vorgang abschließen zu können. Auch Schulen und Behörden müssten darin geschult werden, wie Unterlagen einfacher angepasst werden können.

„UN-Kinderrechtskonvention umsetzen“

„Wir müssen uns mit den Emotionen und dem Leidensdruck von Trans*Kindern und Jugendlichen auseinandersetzen“, so Bröpper. Viele Menschen seien unsicher im Umgang mit dem Thema und würden schließlich lieber nichts sagen, anstatt etwas falsch zu machen.

Neben Fortbildungen und der politischen Umsetzung von Rechten für Trans*Kinder durch die UN-Kinderrechtskonvention bedürfe es daher vor allem eines gesellschaftlichen Dialogs, so die Experten. (lau/29.06.2017)

Liste der geladene Sachverständige

  • Karoline Haufe, Trans-Kinder-Netz e.V.
  • Stephan Maria Pröpper, gleich & gleich e.V.

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