4. Untersuchungsausschuss

Cum/Ex-Ausschuss: Fraktionen ziehen unterschiedliche Schlüsse

Vier Fotos von vier Männern in Anzügen nebeneinander

Obleute Richard Pitterle (Die Linke), Gerhard Schick (Bündnis 90/Die Grünen), Christian Hirte (CDU/CSU), Andreas Schwarz (SPD) (DBT/Melde)

Nach knapp anderthalb Jahren hat der sogenannte Cum/Ex-Untersuchungsausschuss kurz vor dem Ende der 18. Legislaturperiode seinen Abschlussbericht vorgelegt (18/12700). Koalitions- und Oppositionsfraktionen kommen darin erwartungsgemäß zu unterschiedlichen Ergebnissen. Während es zwischen der konstituierenden Sitzung Ende Februar 2016 und der abschließenden Sitzung im Juni 2017 relativ wenig Reibungspunkte gab, traten die Gegensätze spätestens bei der Übergabe des Berichts an Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert deutlich zutage. Während die Koalitionsfraktionen meinten, der Ausschuss wäre nicht nötig gewesen, sprach die Opposition in zwei Sondervoten vom größten Steuerskandal in der Geschichte der Bundesrepublik, für den sowohl Finanzminister der SPD als auch der CDU Verantwortung trügen.

Auftrag des von Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD) geleiteten 4. Untersuchungsausschusses, der 46 Sitzungen absolvierte, 70 Zeugen vernahm und fünf Sachverständige hörte, war die Untersuchung steuerlicher Gestaltungsmodelle bei Aktienleerverkäufen rund um den Dividendenstichtag, die unter dem Namen Cum/Ex-Geschäfte bekannt wurden und bis 2011 möglich waren. Finanzmarktakteure ließen sich dabei eine einmal einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer mindestens zweimal bescheinigen und dann mindestens zweimal anrechnen beziehungsweise erstatten.

Drahtzieher sollen zur Verantwortung gezogen werden

Besonderes Augenmerk sollte der auf Antrag der Oppositionsparteien Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen eingesetzte Ausschuss darauf legen, ob geeignete Gegenmaßnahmen von Stellen des Bundes ergriffen wurden und wenn ja, ob diese ausreichten, und wer gegebenenfalls die Verantwortung in diesem Zusammenhang trug. Aus Sicht der Bundesregierung waren diese Geschäfte nie legal, es sei nur schwierig gewesen, sie zu unterbinden.

Mit den Nachwirkungen dieser Dividendenstripping-Geschäfte wird der Finanzmarkt noch über Jahre hinaus zu tun haben. Bei den Staatsanwaltschaften in mehreren Bundesländern sind Medienberichten zufolge rund 30 Ermittlungsverfahren anhängig. Angesichts der im Ausschuss genannten Milliardensummen ist das Interesse der Öffentlichkeit groß, dass die Drahtzieher und alle anderen Beteiligten, also Banken, Fonds und Börsenhändler, zur Verantwortung gezogen werden.

Denn der objektive Tatbestand der Steuerhinterziehung sei erfüllt, sagte der Ausschussvorsitzende Krüger. Nach Schätzungen von Experten, auf die sich die Opposition beruft, wurde der Staat um mehr als zehn Milliarden Euro betrogen. In dem mit Mehrheitsvotum beschlossenen 800 Seiten starken Abschlussbericht sind es dagegen nur rund eine Milliarde Euro, wobei die Größenordnung beim jetzigen Stand der Steuer- und Strafverfahren nicht seriös abschätzbar sei.

Schlagabtausch der Fraktionssprecher

Dementsprechend lieferten sich die Obleute der Koalitions- und der Oppositionsfraktionen in der Plenardebatte zum Bericht in der vorletzten Sitzungswoche vor der parlamentarischen Sommerpause einen heftigen Schlagabtausch und warfen sich Wahlkampftaktik beziehungsweise fehlenden Aufklärungswillen vor. Aus den Fehlern der Vergangenheit müsse jetzt gelernt werden, fasste Grünen-Obmann Dr. Gerhard Schick anschließend die Arbeit des Ausschusses zusammen. „Denn sonst besteht die Gefahr, dass erneut Milliarden an Steuergeldern verloren gehen“, sagte Schick. Jedenfalls sei der Versuch der Regierungsparteien, die Fehler der Finanzverwaltung kleinzureden, die über ein Jahrzehnt Cum/Ex nicht verhindert hatte, gescheitert.

Linken-Obmann Richard Pitterle betonte, dass der Ausschuss das Versagen staatlicher Stellen schonungslos offengelegt und einen großen Teil zur inzwischen auch bei den Ermittlungsbehörden laufenden Aufklärung der Cum/Ex-Geschäfte beigetragen habe. Das Fazit der Koalitionsparteien ist für ihn unverständlich.

Christian Hirte konstatierte für die CDU/CSU-Fraktion, dass bei aller Unterschiedlichkeit der Meinungen stets die Fakten für sich sprechen sollten. Der Versuch, „aus wahlkampftaktischen Gründen die Schuldigen dort zu suchen, wo es einem politisch besser in den Kram passt“, sollte unterbleiben.

Und auch SPD-Obmann Andreas Schwarz kritisierte „wahlkampfbedingte Misstöne der Opposition“. Trotzdem seien die Ermittlungen durch die konstruktive Zusammenarbeit aller Fraktionen geprägt gewesen. Eine „bittere Erfahrung“ sei für ihn indes das Verhalten der Banken gewesen. „Einen tatsächlichen ‚Kulturwandel‘ der Branche kann ich bis heute nicht erkennen.“

Rückzahlungen werden nicht genehmigt

Dass der Schaden so gering wie möglich bleibt, dafür sorgt unter anderem das Bundeszentralamt für Steuern. So scheiterte vor wenigen Wochen ein US-Pensionsfonds mit einer Musterklage gegen die Bonner Behörde beim Finanzgericht in Köln. Von den von diesem und anderen Fonds insgesamt geforderten Steuerrückzahlungen in Höhe von 450 Millionen Euro wurde bislang kein Cent ausbezahlt. Inzwischen gibt es auch mehrere Finanzgerichtsurteile, die der mehrfachen Erstattung nur einmal abgeführter Steuern einen Riegel vorschieben.

Ein Nebenschauplatz der Ausschussarbeit waren die Cum/Cum-Geschäfte, auch eine Art Dividendenstripping, die erst seit  2016 nicht mehr möglich sind. Die steuerlichen Verluste für den Staat aus diesen Geschäften sollen ebenfalls in die Milliarden gehen. Der Fiskus ist jetzt allerdings aktiv geworden und fordert Rückzahlungen. Und die Finanzmarktaufsichtsbehörde BaFin will von den Banken wissen, ob eventuelle Steuerrückzahlungen verkraftbar sind. Im Zuge der Cum/Ex-Ermittlungen war mit der Maple Bank ein Institut wegen drohenden Überschuldung geschlossen worden und musste Insolvenz anmelden. (mwo/07.08.2017)

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