Parlament

Bundestag präsentierte sich am Tag der Deut­schen Einheit in Mainz

Publikum im Forum Plenarsaal des Bundestages beim Bürgerfest zum Tag der Deutschen Einheit in Mainz am 2. Oktober 2017

Bundestagspräsident Norbert Lammert (vorne in der Mitte) mit Publikum im Forum Plenarsaal des Bundestages (DBT/S. Bohn)

Unruhe im Bundestag, die Opposition applaudiert, die eigene Fraktion schweigt. „Das geht ja gar nicht, wenn der Bundeskanzler hier spricht“, murrt der Bundeskanzler – irgendwo klingelt ein Handy. Die Fraktionsvorsitzende der Koalitionspartner verlässt einfach den Saal – mitten in der Debatte. „Das kostet Sie das Sitzungsgeld!“, ruft ihr der Bundestagspräsident hinterher. Es läuft noch nicht rund im Deutschen Bundestag, und das trotz einer wichtigen Debatte: Es geht um den Antrag „Fastnacht für alle“, der Rosenmontag soll endlich bundesweiter Feiertag werden.

Können auch Männer Bundeskanzler werden?

„Nach Artikel 76 des Grundgesetzes ist es möglich, dass die Bundesregierung oder der Bundesrat einen Gesetzentwurf einbringt, oder aus der Mitte dieses Hauses“, erklärt der Bundestagspräsident, „es folgt jetzt eine Regierungserklärung des Bundeskanzlers.“ Im Saal kommt erneut Unruhe auf. „Jawohl, Herr Höltkemeier ist Bundeskanzler, oder wen haben Sie erwartet?“, fragte der Bundestagspräsident: „Jüngere pflegen uns zu fragen, ob auch Männer Bundeskanzler werden können, die Antwort lautet: Jawohl, Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“

Die rund 150 Besucher sitzen natürlich nicht im echten Deutschen Bundestag, das Zelt mit der Kulisse steht auf der Mainzer Kaiserstraße und ist Teil des Auftritts des Deutschen Bundestages im Rahmen des Bürgerfestes zum Tag der Deutschen Einheit. Die Feierlichkeiten finden in diesem Jahr in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz statt, denn Rheinland-Pfalz hat zurzeit den Vorsitz im Bundesrat, der Kammer der Bundesländer.

„Der Aufschwung ist da“

„Wir wollen in Mainz Vorbild sein“, sagt denn auch „Bundesratspräsident Dreyer“: „Wer kann denn Fastnacht besser feiern als wir Mainzer? Das können nicht die Kölner, schon gar nicht die Düsseldorfer, die haben's doch nun wirklich nicht drauf.“ Zustimmendes Murmeln im Plenum. „Wir machen das jetzt seit 2006“, erzählt „Bundestagspräsident“ Richard Wagner. Das Planspiel Deutscher Bundestag wurde zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 erfunden.

Das Spiel lässt Besucher eine Sitzung im Bundestag nachempfinden, stilecht ertönt zu Beginn der Sitzung der Gong. Betritt der Bundestagspräsident den Raum, werden die „Parlamentarier“ gebeten, sich von den Plätzen zu erheben. Die Besucher sitzen unterteilt in Fraktionen, höflich und mit viel Humor werden sie von den Spielleitern in ihre Rollen gewiesen. Auch mit Seitenhieben wird nicht gespart: „Der Aufschwung ist da“, tönt der Bundeskanzler vom Rednerpult, „meine Regierung hat Wort gehalten!“

„Mainz halte ich für ein gutes Vorbild“

„Wir wussten bei dem Entwurf erst mal nicht, ob wir lachen oder weinen sollten“, kontert die Oppositionsführerin von der Linken: „Herr Bundeskanzler, haben Sie eigentlich nichts Besseres zu tun in Ihrer Fürsorgepflicht, als sich so zu verzetteln?“– „Es ist dringend an der Zeit, dass wir in Deutschland mal lernen zu feiern, nicht nur zu arbeiten“, verteidigt der Kanzler seinen Gesetzentwurf, „Mainz halte ich für ein gutes Vorbild.“

„Das Planspiel war ursprünglich nur als Eintagsfliege gedacht, aber es kam so gut an, dass wir das für den Tag der Deutschen Einheit installiert haben“, berichtet Wagner. Der „Präsident“ ist eigentlich Mitarbeiter des Besucherdienstes des Deutschen Bundestages, das Planspiel ist für ihn beinahe schon zum Fulltime-Job geworden. „Das erste Drehbuch habe ich selbst geschrieben“, erinnert er sich, „inzwischen spielen wir das durchgängig in jeder Stadt.“ Zehn Runden pro Tag werden es in Mainz sein.

„Hinreichend legitimiert, in den Ruhestand zu wechseln“ 

Draußen in der Lobby können sich die Besucher über die Arbeit des Deutschen Bundestages informieren. Drinnen begrüßt gerade „Präsident Wagner“ einen Neuankömmling: „Herr Kollege Lammert – Sie haben das Wort!“ Er ist es tatsächlich: Der echte Bundestagspräsident Norbert Lammert beantwortet gut gelaunt Fragen aus dem Plenum.

Warum er nicht weitermache, wollen die Besucher wissen, was er von der anstehenden erheblichen Vergrößerung des neuen Bundestages halte – und was vom Einzug der rechtsnationalen AfD. „Ich bin jetzt 37 Jahre Mitglied des Parlaments“, sagt der 67-Jährige, „ich fühle mich hinreichend legitimiert, in den Ruhestand zu wechseln.“ Das habe für ihn auch etwas mit dem Respekt vor dem Amt zu tun: „Mir ist ehrlich gesagt nichts mehr eingefallen, was ich noch Neues machen könnte.“

Lammert: Parlamentsvergrößerung „ärgerlich“

Bundestagspräsident Norbert Lammert verlässt das Rednerpult im Forum Plenarsaal beim Bürgerfest in Mainz am 2. Oktober 2017

Donnernden Applaus erntete Norbert Lammert nach seinem Abgang vom Rednerpult. (DBT/S. Bohn)

Die Vergrößerung des Parlaments auf mehr als 700 Abgeordnete finde er „ärgerlich“ und „unnötig“, betont Lammert, „ich habe mit Nachdruck im Vorfeld für eine Reform geworben“. Gleichwohl habe im Parlament eben auch der Präsident nur eine Stimme, das sei „das Ärgerliche“, sagt Lammert – und kassiert prompt einen Ordnungsruf des „Präsidenten“.

Vor allem aber wirbt der scheidende Präsident für die Prinzipien der Demokratie: „Wahlen finden nicht statt, um die etablierten Parteien ihrer unangefochtenen Bedeutung zu bestätigen“, sagt Lammert ernst, „sie finden statt, damit die Wähler entscheiden, vom wem sie sich vertreten lassen wollen.“ Und damit sei der Einzug der AfD in den Bundestag eben legitim, „diffuse Ränder gehören nun einmal zu der Bandbreite der Auffassungen in einer Gesellschaft dazu“. Und dann sagt er noch mit leichtem Zucken der Mundwinkel: „Mir fehlt in meiner Biografie ein Parlament mit 700 Leuten und mehr als 90 AfDlern nicht.“

„Ich habe es bedauert, dass er aufhört“

Donnernder Applaus verabschiedet den scheidenden Präsidenten. „Er war hochintelligent, spontan, humorvoll“, sagt eine Besucherin, „ich habe es bedauert, dass er aufhört.“ Zwei junge Besucherinnen sind zudem sichtlich angetan von dem Planspiel an sich: „Es war lustig gemacht, und es wurden Sachen gut erklärt, die man nicht so weiß“, sagt eine junge Koblenzerin. Der Antrag, den Rosenmontag zum bundesweiten Feiertag zu machen, wurde übrigens mit überwältigender Mehrheit angenommen.

Wer das selbst einmal erleben will: Das Planspiel des Deutschen Bundestages wird in Sitzungswochen des Parlaments an Donnerstagen im Deutschen Dom in Berlin gespielt, und zwar zwischen 9 Uhr und 18 Uhr zu jeder vollen Stunde. Anmelden kann man sich beim Besucherdienst des Deutschen Bundestages (https://www.bundestag.de/planspiel_anmeldung). 

Fraktionen informierten über ihre Arbeit

Höhepunkte im „Forum Plenarsaal“ waren am 3. Oktober Informationsveranstaltungen der vier Bundestagsfraktionen der zurückliegenden Wahlperiode. 

Im Kommunikationsforum standen den Besuchern eine große Auswahl an Büchern, Filmen und Informationsmaterialien zum Deutschen Bundestag und seinen Abgeordneten zur Verfügung. Mitarbeiter des Deutschen Bundestages beantworteten Fragen zum parlamentarischen Geschehen. Wer beim Bundestagsquiz nach „Dalli-Klick“-Art sein Wissen darüber unter Beweis stellen konnte, durfte auf einen attraktiven Preis hoffen. (gik/vom/04.10.2017)

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