Schwabe: Blockade zwischen Europarat und Russland überwinden
Der SPD-Abgeordnete Frank Schwabe plädiert dafür, „die Blockade zwischen dem Europarat und Russland zu überwinden“. Wegen der Krim-Annexion hat die Parlamentarische Versammlung des Europarates 2014 der Duma-Delegation das Stimmrecht entzogen, weswegen Moskau seither das Straßburger Parlament boykottiert und die Beitragszahlungen an den Europarat gekürzt hat. Gespräche über ein Ende der Sanktionen dürften aber nicht den Eindruck erwecken, so Schwabe im Interview, das russische Vorgehen auf der Krim werde „nachträglich belohnt“. Die kriegerische Verschiebung von Grenzen sei vielmehr „entschieden zu verurteilen“. Schwabe ist stellvertretender Leiter der deutschen Delegation bei der Sitzung des Europaratsparlaments vom 22. bis 26. Januar 2018 in Straßburg. Der neue Leiter der deutschen Delegation Dr. Andreas Nick (CDU/CSU) wurde am 22. Januar zum Vizepräsidenten der Parlamentarischen Versammlung gewählt, Schwabe selbst zum Vorsitzenden des Ausschusses für Recht und Menschenrechte. Das Interview im Wortlaut:
Herr Schwabe, mit der Wintersession der Parlamentarischen Versammlung schickt der Bundestag eine neue Delegation zum Europarat. Welche Aufgaben stellen sich den 18 Abgeordneten?
Der Europarat steht vor grundlegenden Herausforderungen. Dies gilt für alle internationalen Institutionen, zumal dann, wenn sie sich den Menschenrechten verpflichtet sehen. Der Europarat wird wichtiger als ein Ort, an dem wir die Mitgliedsländer an ihre freiwillig eingegangenen Verpflichtungen zur Wahrung der Freiheitsrechte erinnern können und müssen. Das gilt etwa für Russland und die Türkei. Der deutschen Delegation gehören Abgeordnete unterschiedlicher Richtungen und Denkweisen an. Die Durchsetzung von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit sollte aber für alle die oberste Maxime sein.
Müssten sich die deutschen Abgeordneten stärker ins Europaratsparlament einbringen? Kümmert sich der Bundestag genügend um die Politik des Staatenbundes?
Auch die alte Delegation war bei der Übernahme von Berichterstattungen recht aktiv. Die Bedeutung der Parlamentarischen Versammlung für den Bundestag wird leider unterschätzt. Dies gilt auch für den Europarat insgesamt. Ich wünsche mir, dass regelmäßig und dabei auch mündlich in den Ausschüssen des Bundestages berichtet wird und dass Plenardebatten über den Staatenbund stattfinden.
In Straßburg wird ein neuer Menschenrechtskommissar gewählt. Auf welche Probleme sollte der Nachfolger von Nils Muižnieks in erster Linie sein Augenmerk richten?
Aufgrund der Problemlage müsste es eigentlich mehrere Kommissare geben. Länder, die besonders auffällig sind, sollten intensiv beobachtet werden. Aber es geht auch grundsätzlich darum, gegen die fortschreitende Einengung der Spielräume von Verteidigern der Menschenrechte vorzugehen. Mir scheint es eine zentrale Aufgabe des neuen Kommissars zu sein, auf nationaler Ebene Strukturen zu ermitteln und zu kritisieren, von denen eine Gefahr für Grundrechte ausgeht.
Das Prozedere bei der Wahl des Kommissars verläuft intransparent. Aus einer größeren Zahl von Bewerbungen hat das Ministerkomitee des Europarates drei Kandidaten herausgefiltert, die nun bei der Tagung des Parlaments zur Abstimmung stehen. Indes verlief diese Selektion geheim. Man weiß nicht, wie viele Interessenten aus welchen Ländern sich gemeldet hatten und nach welchen Kriterien das Ministerkomitee die drei Bewerber auserkoren hat.
Transparenz ist immer gut, gerade der Europarat sollte dies beachten. Bei den Modalitäten von Kandidaturen kann sicher einiges verbessert werden. Jetzt aber haben wir mit dem französischen Ex-Abgeordneten Pierre-Yves le Borgn', mit der Bosnierin Dunja Mijatović als früherer OSZE-Beauftragten für Medienfreiheit und mit dem slowenischen Justizminister Goran Klemenčič drei hoch respektable Persönlichkeiten, die entschieden für Menschenrechte eintreten und für das Amt des Kommissars bestens geeignet sind. Das ist angesichts der zurückliegenden Turbulenzen in unserer Versammlung nicht selbstverständlich.
Moskau setzt den Boykott des Europaratsparlaments auch bei der Wintersession fort, weil der gegen die Duma-Delegation wegen der russischen Krim-Annexion verhängte Stimmrechtsentzug weiterhin in Kraft ist. Inzwischen hat Moskau sogar seine Beitragszahlungen an den Staatenbund gekürzt. Soll dieser Konflikt ewig fortdauern?
Ich unterstütze Versuche, die Blockade zwischen dem Europarat und Russland zu überwinden. Bei solchen Bemühungen müssen aber die politischen Prinzipien klar sein, die für den Staatenbund gelten. Die Werte des Europarats dürfen bei Gesprächen nicht zur Disposition gestellt werden.
Mittlerweile verhandeln beide Seiten über Auswege aus der Sackgasse. Wie könnte eine Lösung aussehen?
Es war ein Fehler, Abgeordnete für die Politik ihrer Regierung zu bestrafen. Wobei natürlich die kriegerische Verschiebung von Grenzen durch Russland entschieden zu verurteilen ist. Wenn wir das konsequent fortsetzen, bleiben nicht mehr viele Parlamentarier in Straßburg übrig. Wir sollten dies korrigieren, wobei nicht der Eindruck entstehen darf, das Vorgehen Moskaus auf der Krim werde nachträglich belohnt. Würden die Sanktionen gegen die Duma aufgehoben, müsste Russland im Gegenzug zum Beispiel uneingeschränkt mit den Institutionen des Europarates kooperieren, etwa dem Menschenrechtskommissar. Zudem müssen Berichterstatter unserer Versammlung wieder nach Russland reisen können. Dieses Problem betrifft mich als Berichterstatter für den Nordkaukasus persönlich.
(kos/22.01.2017)