Der Bundestag hat am Donnerstag, 22. März 2018, die weitere Beteiligung der Bundeswehr an der Nato-geführten Sicherheitsoperation „Sea Guardian“ im Mittelmeer beschlossen. Für einen entsprechenden Antrag der Bundesregierung (19/1097), in dem sie sich für die Fortsetzung des noch bis Ende März 2018 laufenden Mandats bis längstens 31. März 2019 ausspricht, stimmten die Abgeordneten in namentlicher Abstimmung mit 436 Stimmen, gegen 197 bei sechs Enthaltungen.
Dazu hat der Auswärtige Ausschuss eine Beschlussempfehlung (19/1302) vorgelegt und mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der AfD, der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen empfohlen, den Antrag anzunehmen. Der Haushaltsausschuss hat dazu gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages einen Bericht über die Auswirkungen auf den Bundeshaushalt (19/1336) vorgelegt.
SPD: Mandat steht auf „rechtlich sicheren Beinen“
Siemtje Möller (SPD) erläuterte, warum ihre Fraktion dem Mandat zustimme. Drei Punkte seien besonders überzeugend: der klare Auftrag, die Praktikabilität und die rechtliche Einordnung. Auftrag und Aufgabe von Sea Guardian orientierten sich an den Vorgaben der maritimen Strategie der Nato, sagte Möller. Die flexible Teilnahme am Mandat, durch das „Einklinken von durchfahrenden Schiffen in das Mandat“, die damit einen Beitrag zur Lagebilderstellung leisteten, sei ein moderner Ansatz, den es auch bei zukünftigen Einsätzen geben werde.
Außerdem stehe das Mandat auf „rechtlich sicheren Beinen“. Die Soldaten würden die Aufgaben erledigen, für die sie ausgebildet worden seien. Möller kritisiert abschließend den Entschließungsantrag der AfD-Fraktion. Dieser verfolge den Zweck „Angst zu schüren, statt sachlich zu diskutieren“.
AfD: So ein Einsatz ist nicht nötig
Das Mandat sei nicht vernünftig zu begründen, befand Ralf Nolte (AfD). Die Sicherheitslage im Mittelmeer erfordere den Einsatz, der auf den Austausch von Lagebildern und die Bekämpfung von Terrorismus und Waffenschmuggel abzielt, nicht. Im Mittelmeer sei ein ständiger maritimer Einsatzverband der Nato mit mehreren Fregatten präsent, der das Bündnis schütze und für ein Lagebild sorge, sagte Nolte. „Ein Sea-Guardian-Mandat wird dafür nicht benötigt.“ Den Feind, dem zu Leibe gerückt werden soll, gebe es nicht, so der AfD-Abgeordnete.
Nicht nachvollziehbar ist für ihn die Argumentation, wegen Sea Guardian gebe es keine Waffenschmuggler und Terroristen im Mittelmeer. Mit dieser Argumentation könne man auch ein Mandat gegen Dinosaurier beschließen und wenn dann keine auftauchen, das als Erfolg des Mandates verkaufen, sagte Nolte. Der AfD-Abgeordnete warb für den Entschließungsantrag seiner Fraktion. Eine direkte Rückführung in Seenot geratener Flüchtlinge trockne den Schleppermarkt aus und verhindere lebensgefährliche Überfahrten für die Zukunft.
CDU/CSU: Deutsche Interessen sind berührt
Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) lobte Sea Guardian als „gelungenes Beispiel beharrlicher deutscher Diplomatie“. Es sei die Bundesrepublik gewesen, die dafür gesorgt habe, dass aus der Artikel-5-Mission „Active Endeavour“ „eine Unterstützungsmission für die Nachbarn im südlichen und östlichen Mittelmeerraum geworden ist“. Der Mittelmeerraum, so der Unionsabgeordnete, berühre deutsche Interessen unmittelbar. Er stelle nicht nur eine Grenze dar, sondern auch eine Brücke nach Afrika.
Es gehe darum, diese Brücke zu schützen und zu helfen, damit über diese Brücke „Wissen, Können und vor allem auch menschliches Know-how geht“. Die Chance der Operation bestehe darin, gemeinsam den Mittelmeerraum zu gestalten, gemeinsam mit Staaten wie Jordanien, Israel, aber auch Tunesien und Ägypten, die alle ein Interesse an der Mitarbeit bei Sea Guardian angemeldet hätten, sagte Kiesewetter.
FDP hebt Vernetzung verschiedener Einsätze hervor
Sea Guardian sei als Unterstützung weiterer Missionen im Mittelmeer gedacht, sagte Christian Sauter (FDP). Die Mission beinhalte auch die Ausbildung von Streitkräften verschiedener Mittelmeeranrainer. All das verberge sich hinter dem weit gefassten Entwurf der Bundesregierung.
Das Mandat sei in der Formulierung recht unbestimmt, bemängelte Sauter. Entscheidender Punkt sei jedoch der Hauptzweck des Mandates, die Erstellung von Lagebildern. Das sei für die Nato von großer Bedeutung. Nicht zuletzt die politische Lage des Nahen Ostens und Afrikas machten eine umfassende Seeraumüberwachung zu einem Gebot. Eine große Stärke, so der FDP-Abgeordnete, sei die Vernetzung der verschiedenen Einsätze im Mittelmeerraum.
Linke kritisiert die Abschottung Europas
Aus Sicht von Michel Brandt (Die Linke) gefährdet Sea Guardian das Leben von Flüchtlingen und zivilen Helfern auf dem Mittelmeer. „Das ist für Die Linke nicht hinnehmbar“, betonte er. Das wahre Ziel der Nato-Politik im Mittelmeer sei die Abschottung Europas und die Abwehr von Flüchtlingen mit Hilfe von Kriegsschiffen.
Zudem werde die Ausbildung der „sogenannten“ libyschen Küstenwache unterstützt. Von Sea Guardian gesammelte Informationen würden der Küstenwache zur Verfügung gestellt, die diese dann gezielt gegen Flüchtlinge einsetze, kritisierte Brandt. Das alles geschehe mit dem Wissen der Bundesregierung.
Grüne: Der Einsatz ist nicht kontrollierbar
Mit dem Antrag fordere die Bundesregierung einen Blankoscheck, den seine Fraktion nicht erteilen werde, sagte Dr. Tobias Lindner (Bündnis 90/Die Grünen).
Das Aufgabenspektrum sei unklar, was dazu führe, dass der Einsatz für das Parlament „nicht kontrollierbar“ sei. Daher könne seine Fraktion nicht zustimmen, sagte der Grünen-Abgeordnete.
Terrorismus und Waffenschmuggel bekämpfen
Die maritime Sicherheitsoperation war von den Nato-Mitgliedstaaten im Juli 2016 beschlossen worden, um den Seeraum im Mittelmeer zu überwachen, Lagebilder auszutauschen und den Terrorismus sowie den Waffenschmuggel zu bekämpfen. Sie löste die vorherige Operation „Active Endeavour“ ab. Die Bundeswehr sammelt mit bis zu 650 Soldatinnen und Soldaten Informationen und patrouilliert auf hoher See, um Bedrohungen aufzudecken. Die Kosten für das erste Quartal 2018 werden auf rund 1,8 Millionen Euro beziffert, die einsatzbedingten Zusatzkosten für das weitere Jahr vom 1. April 2018 bis 31. März 2019 auf voraussichtlich rund 6,3 Millionen Euro.
Das Einsatzgebiet von „Sea Guardian“ umfasst das gesamte Mittelmeer und den darüber liegenden Luftraum. Mit Zustimmung des Flaggenstaats können Schiffe, die im Verdacht stehen, eine Verbindung zu terroristischen Organisationen zu haben, kontrolliert und durchsucht werden. Schiffe, die verdächtigt werden, gegen das Waffenembargo der Vereinten Nationen gegenüber Libyen zu verstoßen, können ebenfalls kontrolliert werden. Die Zusammenarbeit mit den Anrainerstaaten soll sich auch auf den Ausbau der dort vorhandenen maritimen Sicherheitskapazitäten erstrecken, und zwar durch Ausbildung und gemeinsame Übungen.
Entschließungsantrag der AfD abgelehnt
Mit breiter Mehrheit wurde ein Entschließungsantrag der AfD-Fraktion (19/1196) zum Antrag der Bundesregierung abgelehnt. Danach sollte die Bundeswehr nur noch Migranten an Bord nehmen, die sich in Seenot befinden. Die Bundesregierung sollte sich auf allen Ebenen dafür einsetzen, dass es der Bundeswehr ermöglicht wird, Migranten, die sie im Mittelmeer aufgegriffen hat, nach Afrika zurückzubringen. Zudem sollten die Fähigkeiten der libyschen Küstenschutzkräfte verbessert werden, um irreguläre Migration zu verhindern.
Der Auswärtige Ausschuss hatte zuvor bereits mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen empfohlen, den Entschließungsantrag der AfD abzulehnen (19/1305). (hau/sas/22.03.2018)