Geschichte

Vor 20 Jahren: Breite Mehrheit für die Einführung des Euro

Euro-Symbol vor der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main
Ein Mann im Anzug und mit hellem Pullover steht am Renderpult.
Ein Mann steht am Rednerpult des Bundestages.
Abgeordnete auf Stühlen halten Plakate „Euro – so nicht!“ vor sich.
Ein Mann im Anzug steht am Rednerpult des Buindestages.

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Die Zustimmung war groß, als der Bundestag am 23. April 1998 in namentlicher Abstimmung über die Einführung des Euro als neue europäische Gemeinschaftswährung entschied. Nur 35 Abgeordnete votierten mit Nein. (picture-alliance)

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Der ehemalige BundesaußenministerHans-Dietrich Genscher sprach von einer Entscheidung, die in die historische Dimension der europäischen Einigung gehört. (Bundesregierung / Schambeck, Arne)

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Die Ängste der Menschen vor einer neuen Währung verstehe er, so Bundeskanzler Helmut Kohl, doch der Euro sei „kein Husarenstück“. (Bundesregierung / Schambeck, Arne)

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Zu Tumulten kam es im Plenum, als Bundeskanzler Helmut Kohl an das Rednerpult trat: Die PDS-Abgeordneten stellten Schilder mit der Aufschrift „Euro – so nicht!“ vor sich auf die Tische, die von Saaldienern entfernt werden mussten. (Bundespresseamt)

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Daran jedoch zweifelte Gerhard Schröder (SPD): Der Euro habe ein „Legitimationsproblem“. (Bundesregierung / Schambeck, Arne)

Die Zustimmung war groß, als der Bundestag vor 20 Jahren, am Donnerstag, 23. April 1998, in namentlicher Abstimmung über die Einführung des Euro als neue europäische Gemeinschaftswährung entschied (13/10250, 13/10251, 13/10458): 575 Abgeordnete stimmten dafür, nur 35 Abgeordnete votierten mit Nein, und zwar 27 Angehörige der PDS-Gruppe, drei Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion (Manfred Kolbe, Heinrich Lummer, Professor Wolfgang Schulhoff), vier der SPD-Fraktion (Brigitte Adler, Dr. Liesel Hartenstein, Robert Leidinger, Dr. Bodo Teichmann) sowie ein Mitglied der FDP (Roland Kohn). Außerdem gab es fünf Enthaltungen (CDU/CSU: Prof. Dr. Egon Jüttner, Bündnis 90/Die Grünen: Irmingard Schewe-Gerigk, Ursula Schönberger, FDP: Dr. Burkhard Hisch, Dr. Otto Graf Lambsdorff).

Umstrittene Gemeinschaftswährung

Dieses Ergebnis überrascht in seiner Klarheit angesichts der jahrelangen, kontroversen Diskussion, die in der Öffentlichkeit und in der Politik über den Euro geführt wurden. In keinem anderen Land war die Einführung der neuen Währung so umstritten wie in der Bundesrepublik.

Zahlreiche Ökonomen hatten davor gewarnt, weite Teile der Bevölkerung lehnten den Euro ab und wollten lieber die D-Mark behalten, die als „Stabilitätsgarant“ gegen höhere Inflationsraten gesehen wurde. Viele kritisierten den Euro als „Weichwährung“ und fürchteten, die Beitrittskriterien für die Mitgliedstaaten der Währungsunion seien nicht streng genug.

Am Tag der Abstimmung prallten auch im Bundestag die Meinungen von Koalition und Opposition über die Ausgestaltung einer europäischen Wirtschafts- und Währungsunion noch einmal sehr heftig aufeinander. Als sich als erster Redner in der Debatte der damalige Bundesfinanzminister Dr. Theo Waigel (CSU) vom Rednerpult an die Abgeordneten wandte, war das der Auftakt zu einem rund siebenstündigen Wortgefecht.

Siebenstündiger Schlagabtausch

Waigel, der heute in den Medien noch oft als „Vater des Euro“ bezeichnet wird, verteidigte die Entscheidung über die Einführung der Gemeinschaftswährung als „zweifellos die wichtigste in dieser Legislaturperiode“. Diese sei eine „Notwendigkeit im Zeichen der Globalisierung und zunehmender Standortkonkurrenz“, so der Politiker.

Den Kritikern der Konvergenzkriterien, zum Beispiel die der Preisniveaustabilität und einer auf Dauer tragbaren Finanzlage der öffentlichen Hand, hielt er entgegen: „Der Eintritt in die Währungsunion mit den vorgeschlagenen elf Mitgliedstaaten ist stabilitätspolitisch vertretbar. Mehr noch: Es ist der richtige Schritt zum richtigen Zeitpunkt.“

Der ehemalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) hob einen anderen Aspekt hervor: Es handele sich hierbei „nicht nur um eine währungspolitische Entscheidung“, sondern um eine, die in die „historische Dimension der europäischen Einigung“ gehöre. Deshalb dürfe sich der Bundestag, so der Liberale, bei der Entscheidung kein ausweichendes „Nicht jetzt“ und „Nicht so“ erlauben. Jetzt gelte es, klar Ja oder Nein zu sagen, betonte Genscher.

Die PDS lehnt ab

Ein deutliches „Nein“ kam von Dr. Gregor Gysi: Die Voraussetzungen für eine Wirtschafts- und Währungsunion seien „falsch“, erklärte der damalige Vorsitzende der PDS-Gruppe im Bundestag. Die Integration Europas lasse sich nicht über gemeinsame Banken schaffen, die EU würde so ein „Europa für Rüstungs- und Exportkonzerne“, aber keines für kleine und mittelständische Unternehmen, Arbeitnehmer und Gewerkschaften.

Um eine wirkliche Integration zu schaffen, müssten auch die Steuern harmonisiert, Löhne und Preise sowie auch soziale, ökologische und juristische Standards angeglichen werden, argumentierte Gysi.

Kohl lobt „Jahrhundertereignis“

Zu Tumult kam es im Plenum, als Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl (CDU) an das Rednerpult trat: Die PDS-Abgeordneten stellten Schilder mit der Aufschrift „Euro - nein danke!“ vor sich auf die Tische, die von Saaldienern entfernt werden mussten.

Kohl zeigte sich von diesem Protest unbeeindruckt: Die Euroeinführung sei ein „Jahrhundertereignis“, hob der Regierungschef hervor. Die Ängste der Menschen vor einer neuen Währung verstehe er, doch sei der Euro „ein Husarenstück“. Kaum eine Entscheidung sei so intensiv diskutiert worden wie die über die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion, so der CDU-Politiker. Es habe einen fast siebenjährigen Vorbereitungsprozess gegeben. Dem Volk werde nichts übergestülpt, was es nicht wolle, unterstrich Kohl.

Chancen besser vermitteln

Daran jedoch zweifelte Dr. Gerhard Schröder (SPD): Der Euro habe ein „Legitimationsproblem“, sagte der damalige niedersächsische Ministerpräsident und amtierende Bundesratspräsident. Die Gründe, die für die Einführung des Euro sprächen, würden von der schwarz-gelben Regierungskoalition schlecht vermittelt.

Um dem Euro zum Erfolg zu verhelfen, reiche es allein nicht aus, die Geldpolitik in Europa zu koordinieren. Damit die EU „mehr Einfluss auf die Spielregeln der Weltwirtschaft“ nehmen könne, müssten die Chancen der gemeinschaftlichen Währung konsequent genutzt werden. Vor allem die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gehöre „in den Mittelpunkt europäischer Politik“, verlangte Schröder.

Ein politisches Projekt

Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete es als einen „Ausdruck von Reife“, wenn die Mehrheit der Deutschen reserviert bliebe „gegenüber einer ökonomischen Souveränitätsübertragung auf die europäische Ebene, ohne dass zuvor eine Demokratisierung stattgefunden“ habe.

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen erinnerte jedoch auch daran, dass die Einbindung Deutschlands in die „Interessen der Europäischen Union in Zukunft die Voraussetzung des Erfolges jeder demokratischer Politik in Deutschland“ sei. Der Euro sei vor diesem Hintergrund vor allem ein „politisches Projekt“.

Offizielle Währung in 25 Staaten

Mit der Zustimmung Deutschlands und anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union löste der Euro bald die nationalen Währungen als Zahlungsmittel ab. Am 1. Januar 1999 wurde er als Buchungswährung und drei Jahre später, am 1. Januar 2002, als Bargeld nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich, Italien, Frankreich, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Spanien, Portugal, Griechenland, Irland und Finnland eingeführt.

Heute ist der Euro in 22 Staaten offizielle Währung. 16 dieser Staaten sind Mitglieder der Europäischen Union. Zuletzt führte am 1. Januar 2009 die Slowakei den Euro als Währung ein. (sas/14.08.2017)

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