Grüne wollen das Erneuerbare-Energien-Gesetz novellieren
Der Bundestag hat am Freitag, 8. Juni 2018, eine Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (19/1320, 19/2581) beschlossen, mit dem sie sich ein paar Jahre Luft für das Erarbeiten hieb- und stichfester Richtlinien für Bürgerenergiegesellschaften verschaffen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen enthielt sich bei der Abstimmung. Sie hat einen eigenen Entwurf zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (19/2108) eingebracht, der am gleichen Tag in einer späteren Debatte erstmals beraten und zusammen mit einem eigenen Antrag mit dem Titel „Stromstau auflösen statt erneuerbare Energien zu bremsen“ (19/2109) und einem Antrag der Linken mit dem Titel „Bürgerenergie retten“ (19/1006) zur federführenden Beratung an den Wirtschaftsausschuss überwiesen wurde.
„Es wird keinen Fadenriss geben“
Für die Unionsfraktion umriss der Abgeordnete Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU) die Problemlage bei den Regelungen für Bürgerenergiegesellschaften, die ursprünglich mit Blick auf eine bessere Teilhabe der Bevölkerung an der Energiewende geschaffen worden waren: Es habe Zuschläge für Bürgerenergiegesellschaften gegeben, die gar keine waren; und es hätten Projekte Zuschläge erhalten, die später nie gebaut wurden. Für die besondere Gesellschaftsform galt bis vor einiger Zeit, dass sie sich ohne Immissionsschutzgenehmigung bewerben konnten – in manchen Fällen erhielten sie diese Genehmigung hernach nicht. „Es wird keinen Fadenriss geben“, versprach Lenz. Man habe Zeit, um sich zu überlegen, wie Bürgerenergiegesellschaften innerhalb des Wettbewerbs zielgerichtet gefördert werden könnten.
Der SPD-Abgeordnete Johann Saathoff bezeichnete Bürger als die eigentlichen Vordenker der Energiewende. Um so bedauerlicher sei es, dass die Gesellschaftsform trotz der eingebauten Sicherheiten ausgenutzt worden sei. In einer dauerhaften Neuregelung solle stärker berücksichtigt werden, wie sich Kommunen an Erneuerbare-Energien-Projekten beteiligen können.
Auch koalitionsintern teilweise Uneinigkeit
Bei der zweiten Debatte am Mittag wurde indes deutlich, wie sehr die Koalitionspartner bei weitergehenden Energiethemen um eine gemeinsame Linie ringen. Während Abgeordnete von CDU und CSU einen „Ausbau mit Augenmaß“ forderten, mahnten Vertreter der SPD vor allem mit Blick auf Bayern Treue zum Koalitionsvertrag an.
Es geht dabei um Sonderausschreibungen für Wind- und Sonnenergieprojekte, mit denen das Erreichen der Klimaziele unterstützt werden soll. Der Koalitionspartner bremse, hielt Timon Gremmels (SPD) fest.
Die AfD-Fraktion untermauerte in ihren Redebeiträgen die ablehnende Haltung zum Erneuerbare-Energien-Gesetz. Es gehöre abgeschafft. Änderungen daran bedeuteten lediglich ein Herumdoktern innerhalb eines Systems, das falsch laufe, sagte Leif-Erik Holm.
FDP kritisiert Umgang mit dem Parlament
Für die FDP-Fraktion bestätigte die Abgeordnete Sandra Weeser zwar die Zustimmung ihrer Fraktion zu dem Bürgerenergie-Gesetz, kritisierte jedoch den Umgang mit dem Parlament. Obwohl die Missstände lange bekannt gewesen seien, prügele man das Gesetz erst jetzt im Hauruck-Verfahren durch.
Im Übrigen belege der Änderungsantrag gegenüber der Bundesratsfassung die Uneinigkeit zwischen den Koalitionspartnern in der Frage des Ausbaupfads. Die Koalition hatte zusätzliche Ausbaumengen streichen lassen, weil über Sonderausschreibungen noch keine Einigkeit herrscht.
Linke fordert Sonderausschreibungen
Vor diesem Hintergrund stellte Lorenz Gösta Beutin (Die Linke) die Frage, wie denn dann die Klimaziele für 2030 erreicht werden sollten. Auch seine Fraktion fordert Sonderausschreibungen. Außerdem sollten kleine Projekte bis 18 Megawatt ohne Ausschreibung vergeben werden können; es gehe auch um Demokratie bei der Energiewende.
Das, was die Koalition vorgelegt habe, sei nicht genug, bilanzierte Ingrid Nestle (Bündnis 90/Die Grünen). Ihre Fraktion fordert in dem Gesetzentwurf Sonderausschreibungen für das laufende Jahr und die Folgejahre. Bestehende Stromnetze müssten zudem optimaler genutzt werden. Der Klimawandel sei für Millionen Menschen bittere Realität, betonte dazu Nestles Fraktionskollegin Julia Verlinden. Zögern sei eine Insolvenzverschleppung auf Kosten künftiger Generationen.
„Ideologie und Weltfremdheit“
Während SPD-Mann Saathoff in den Anträgen ein gemeinsames Verständnis für die Notwendigkeit zu handeln erkannte, lehnte der Koalitionspartner die Inhalte ab. Der CDU-Abgeordnete Jens Koeppen sprach mit Blick auf die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen von Ideologie und Weltfremdheit.
Mario Mieruch (fraktionslos) schließlich forderte eine offene Diskussion: Gegen die Energiewende an sich könne schließlich keiner etwas haben. pez
Ausbaumengen sollen erhöht werden
Um die Ausbaumengen für Windenergie an Land und für Solarenergie zu erhöhen, sieht der Gesetzentwurf der Grünen-Fraktion noch für 2018 eine Sonderausschreibung für 1.500 Megawatt Windenergieleistung an Land und 800 Megawatt Solarstromleistung vor. Vom kommenden Jahr an sollen die jährlichen Ausschreibungsmengen bei 5.000 Megawatt (Wind) beziehungsweise 3.000 Megawatt (Solar) liegen.
Die Ergebnisse bisheriger Ausschreibungen, die auf einer Gesetzesänderung aus dem Jahr 2016 fußten, seien verheerend, heißt es zur Begründung: „Der Windenergie-Ausbau an Land droht in den nächsten beiden Jahren zusammenzubrechen.“ Für die Branche und für den Klimaschutz wäre dies eine Katastrophe, so die Abgeordneten.
Linke: Bürgerenergieprojekte auf neue Grundlage stellen
Im Antrag der Fraktion Die Linke wird die Bundesregierung aufgefordert, Bürgerenergieprojekte auf eine neue rechtliche Grundlage zu stellen. Dies setze eine Neudefinition des Begriffs Bürgerenergie voraus. Bis zu einer Größe von 18 Megawatt sollten Bürgerenergieprojekte von Ausschreibungen befreit werden und stattdessen eine staatlich festgelegte Einspeiseprämie erhalten, heißt es in dem Antrag weiter. Zudem plädieren die Abgeordneten für ein Konzept, das kommunalen und privaten Akteuren die Teilhabe an Erneuerbare-Energie-Projekten in nennenswerter Höhe ermöglicht.
Bislang sei die Regierung damit gescheitert, Bürgern vor Ort realistische Chancen bei Energieprojekten einzuräumen, begründet die Fraktion ihren Vorstoß. Vergangene Ausschreibungsrunden hätten die Schwächen des Systems gezeigt und Möglichkeiten des Missbrauchs offengelegt. Die Fraktion belegt dies mit dem Beispiel eines Projektentwicklers, der bis zu 60 sogenannte Bürgerenergiegesellschaften gegründet habe, um die vorteilhaften Bedingungen spekulativ auszunutzen.
Grüne: Stromnetze optimaler nutzen
Die Grünen fordern die Bundesregierung in ihrem Antrag auf, die bestehenden Stromnetze optimaler als bisher zu nutzen und so den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen. „So werden die Kosten für Netzstabilisierungsmaßnahmen begrenzt“, schreiben die Abgeordneten. Neben technischen Verbesserungen plädieren sie für Marktmodelle, die vor Ort Stromnutzung attraktiv machen, der wegen Netzengpässen nicht transportiert werden kann.
Darüber hinaus müsse strenger kontrolliert werden, ob Strom aus erneuerbaren Energien tatsächlich Vorrang vor fossilem und importiertem Strom im Netz erhält. Im Vorwort zu dem Antrag erklären die Abgeordneten, der Ausbau erneuerbarer Energien und Probleme beim Ausbau der Stromnetze stünden nicht im Widerspruch und dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. (pez/nal/08.06.2018)