Lage der Menschenrechte in Russland zur Fußball-WM kritisch beleuchtet
Der Bundestag hat am Donnerstag, 14. Juni 2018, zeitgleich mit dem Anpfiff zum Eröffnungsspiel der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland, über die dort stattfindenden Verletzungen der Menschenrechte diskutiert. Grundlage dafür waren Anträge der Fraktion der FDP (19/2672) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/2667), die im Anschluss an die Debatte bei der Abstimmung keine Mehrheit fanden. Der Antrag der Grünen mit dem Titel “Fußball-WM 2018 – Menschenrechtsverletzer ins Abseits„ (19/2667) wurde von den anderen Fraktionen bei Enthaltung der FDP abgelehnt. Der Antrag der FDP mit dem Titel “Menschenrechtsschutz während und nach der Fußball-WM 2018 in Russland„ (19/2672) fand bei Enthaltung der Grünen keine Mehrheit.
“Boykott wäre der falsche Weg„
Während der Debatte waren sich Redner von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen einig, dass ein Boykott der WM seitens der Vertreter der Bundesregierung der falsche Weg wäre. Bei Zusammentreffen mit den Vertretern der russischen Regierung, aber auch des Weltfußballverbandes Fifa müssten jedoch immer wieder die Versäumnisse angesprochen und auf Verbesserungen gedrungen werden, forderten die Abgeordneten.
Von Seiten der Linksfraktion gab es Kritik daran, dass Verfehlungen Russlands zwar zu Recht kritisiert würden, es bei Verstößen gegen die Menschenrechte im Vorfeld anderer Events aber keine derartigen Anträge gegeben habe. Die AfD-Fraktion bezeichnete die Anträge und den für ihre Vorlage gewählten Zeitpunkt als populistisch.
Grüne: Probleme klar ansprechen
In Russland gebe es derzeit 158 politische Gefangene, sagte Manuel Sarrazin (Bündnis 90/Die Grünen). Laut einer Erhebung der internationalen Nichtregierungsorganisation “Reporter ohne Grenzen„ befindet sich das Land im Ranking der Pressefreiheit auf Platz 148 von 180. Dazu kämen die Unterdrückung von Minderheiten und der Interventionskrieg in der Ukraine. “Das ist doch kein Fußballfest„, befand Sarrazin.
Die Bundesregierung dürfe vor diesem Hintergrund nicht einfach “Business as usual“ machen. Statt mit Russlands Präsident Putin oder Fifa-Chef Infantino „auf der VIP-Tribüne zu kuscheln und Sekt zu trinken“ müsse sie sich für politische Gefangen einsetzen und die vorhandenen Probleme klar ansprechen, forderte Sarrazin.
CDU/CSU: Interesse an gutem Verhältnis mit Russland
Aus Sicht von Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) bietet die WM in Russland die Chance, der russischen Bevölkerung zu sagen: „Wir haben ein Interesse an einem guten Verhältnis mit euch.“ Die WM könne Brücken bauen über Abgründe, die die russische Führung in den letzten Jahren verursacht habe. Wie sein Vorredner nannte es auch Kiesewetter völlig inakzeptabel, dass man einem „neutralen und herausragenden Journalisten“ wie Hajo Seppelt raten müsse, vor dem Hintergrund der Gefahr von Repressionen nicht nach Russland zu reisen.
Kiesewetter schlug mit Blick auf die ablehnende Haltung der russischen Führung zu Angeboten für eine Modernisierungspartnerschaft vor, Angebote zu machen, „die der russischen Führung unangenehm sind“. Das könnten etwa Visa-Erleichterungen sein für junge Familien, für Studenten oder die mittelständische Wirtschaft. So könnten die jungen, aktiven Menschen erkennen, wie unsere Gesellschaft funktioniert, sagte Kiesewetter.
SPD: Auf Mängel an Rechtsstaatlichkeit hinweisen
Sport finde nicht im luftleeren Raum statt, sagte Frank Schwabe (SPD). Er habe eine politische Dimension, deshalb müsse über das Thema geredet werden. Schwabe teilte die Kritik seiner Vorredner an den Einschränkungen der Menschenrechte, der Rechte von Minderheiten und der Pressefreiheit durch die russische Regierung. Niemand fordere einen Boykott des Turniers, betonte er. Vielmehr müsse auch im Rahmen der WM der Dialog mit Russland gesucht, aber deutlich auf die Mängel an Rechtsstaatlichkeit hingewiesen werden.
Kritik übte der SPD-Abgeordnete an der Fifa. Deren neue Regularien seien unglaubwürdig, wenn nicht verhindert werde, dass der Präsident Tschetscheniens, Ramsan Kadyrow, die Möglichkeit einer Propaganda-Show mit dem Team Ägyptens erhalte, das sein WM-Quartier ausgerechnet in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny aufgeschlagen habe.
FDP: Schattenseiten ans Licht bringen
Wenn Präsident Putin versuche, mit der WM von seiner schlechten Menschenrechtsbilanz abzulenken, sollte der Spieß umgedreht werden, befand Britta Dassler (FDP). „Wir sollten die Schattenseiten der russischen Regierung ans Licht bringen“, sagte sie.
Dassler verwies auch auf jüngsten Demonstrationen der Bevölkerung in Russland. Dies zeige, wie stark der Wunsch nach Rechtsstaatlichkeit in der Bevölkerung sei.
Linke: Es wird mit zweierlei Maß gemessen
Die Kritik an der Situation in Russland sei berechtigt, stellte Dr. André Hahn (Die Linke) klar. Es sei aber befremdlich, dass derartige Anträge immer dann in den Bundestag eingebracht würden, wenn es gegen Russland gehe. Bei anderen Staaten sei die Sensibilität offenbar deutlich weniger ausgeprägt. Hahn verwies auf aus den Wohnungen gedrängte Menschen vor den Olympischen Sommerspielen im südkoreanischen Seoul 1988 und auf die Situation in Atlanta, wo vor den Sommerspielen 1996 9.000 obdachlose Afroamerikaner festgesetzt worden seien.
Als 2002 die Olympischen Winterspiele in Salt Lake City stattgefunden haben, sei zum gleichen Zeitpunkt das Gefangenenlager Guantanamo eingerichtet worden, „wo bis heute Menschen ohne Prozess und Urteil festgehalten werden“. Zu allen diesen Dingen habe es keinen Antrag im Bundestag gegeben, sagte der Linken-Abgeordnete. Hier werde mit zweierlei Maß gemessen, betonte er.
AfD: Deutsches Team steht für billige Moralparolen
In den Anträgen fänden sich viele Binsenweisheiten, bemängelte Jürgen Braun (AfD). Er vermisse „das ganz große deutsche Thema“, das sich in beiden Anträgen nicht finde. „Das deutsche Team steht gar nicht mehr für Freude am Sport“, urteilte er. Es stehe für kommerzielle Inszenierung und „allzu billige Moralparolen“.
Braun kritisierte die Spieler Özil und Gündoğan, die sich dem türkischen „Gewaltherrscher Erdoğan an den Hals geworfen“ hätten. Anders als Nationalspieler Emre Can, der sich dem Treffen mit Erdoğan verweigert habe, seien die beiden sogar noch vom Bundespräsidenten empfangen worden, kritisierte Braun.
Antrag der Grünen
Die Grünen wollten in ihrem Antrag die Bundesregierung unter anderem auffordern, Spiele der deutschen Nationalmannschaft nur dann zu besuchen, wenn dies eingebettet in einem politischen Rahmenprogramm stattfindet, das auch die Situation der Menschenrechte, Freiheit der Medien und die internationale Politik adressiert.
Dem Kreml gegenüber sollte sie die uneingeschränkte Gültigkeit der Vereinbarungen aus der Schlussakte von Helsinki und der Charta von Paris ausdrücken und jedwede Verletzung der Prinzipien der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zurückweisen.
Antrag der FDP
Die FDP forderte in ihrem Antrag, dass die Bundesregierung im konstruktiv-kritischen Dialog mit der russischen Regierung bleibt und sich dafür einsetzt, dass Russland seine Verpflichtungen aus internationalen Menschenrechtsverträgen und Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) einhält.
Sie sollte ferner ihre Besorgnis über die Menschenrechtsverletzungen ausdrücken, in Russland begangen wurden und weiter begangen werden. Auch sollte die russische Regierung auf eine freie Berichterstattung während der WM 2018 verpflichtet werden. Die Bundesregierung sollte sich ebenso für die uneingeschränkte Möglichkeit zu friedlichen Demonstrationen während und nach der WM einsetzen. (hau/14.06.2018)