Aktuelle Stunde

Wie die Nitrat­belastung des Trink­wassers gesenkt wer­den kann

Was muss getan werden, um die Nitratbelastung des Trinkwassers in Deutschland zu senken? Darüber, dass gezielter gedüngt werden muss, sind sich die Fraktionen des Deutschen Bundestages einig. Dennoch gehen die Einschätzungen über die Brisanz des Problems auseinander. Das wurde deutlich in einer Aktuellen Stunde am Donnerstag, 28. Juni 2018, die auf Verlangen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stattgefunden hat.

Grüne: Jahrelanges „Nichtstun“ wurde bestraft

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21. Juni 2018 sei eine „heftige Quittung“ für das „jahrelange Nichtstun“ der Bundesregierung gewesen, sagte für Bündnis 90/Die Grünen Friedrich Ostendorff. Bei 28 Prozent der Messstellen seien Nitrabelastungen über dem Grenzwert festgestellt worden. Einer der Gründe für die hohe Belastung sei die massive Konzentration von Tierhaltung in einigen Regionen, deren „Gülleflut“ belaste die Gewässer.

In Deutschland seien jahrelang die Empfehlungen von Experten ignoriert worden, auch die 2017 in Kraft getretene Düngegesetzgebung erfordere „deutliche Nachbesserungen“. Der Wasserschutz habe „oberste Priorität“.

CDU/CSU: Messwerte in richtige Relation setzen

Die Unionsabgeordnete Astrid Damerow sagte, man müsse die Daten der EU in die „richtige Relation“ stellen, in Deutschland seien anders als in anderen Staaten alle Messstationen „landwirtschaftlich beeinflusst“ gewesen. Tatsächlich seien aber 82 Prozent der Messwerte „in Ordnung gewesen“. 

Mit der neuen Düngemittelverordnung seien die richtigen Maßnahmen ergriffen worden. Gleichzeitig würden viele Landwirte durch die neuen Vorschriften seit dem 1. Januar 2018 belastet.

SPD: Neue Düngemittelverordnung reicht vielleicht nicht

Für die SPD betonte Michael Thews, das Problem sei „real“: Schon jetzt seien teure Maßnahmen erforderlich, um das deutsche Trinkwasser in seiner hohen Qualität zu halten. Müssten die Versorger zu teureren technischen Maßnahmen und mehr Aufwand greifen, werde sich das in den Preisen niederschlagen. 

Man werde über die Wirkung der novellierten Düngemittelverordnung erst in einiger Zeit befinden können, aber es gebe schon jetzt Stimmen, die sie für nicht ausreichend hielten – diese müsse man ernst nehmen.

Agrarministerium: Situation hat sich nicht verschlechtert

Der Parlamentarische Staatssekretär für  Ernährung und Landwirtschaft Michael Stübgen (CDU) sagte zwar, die Tatsache, dass der Europäische Gerichtshof allen sechs Klagegründen gegen Deutschland stattgegeben habe, sei „eindeutig“. Aber das Urteil habe sich auf die alte Düngemittelverordnung bezogen, die inzwischen novelliert worden sei. Zudem habe es aufgrund der intensiven Tierhaltung in vielen europäischen Staaten Probleme bei der Umsetzung der Düngemittelrichtlinie gegeben.

Man wolle zwar die Nitrateinbringung beschränken, gleichzeitig aber auch „Strukturbrüche“ in der Landwirtschaft verhindern. Die aktuelle Düngemittelverordnung führe in vielen landwirtschaftlichen Betrieben zu Belastungen. Man müsse auch zur Kenntnis nehmen, so Stübgen, dass sich die Situation trotz einer deutlichen Produktionserhöhung „nicht verschlechtert habe“.

Umweltministerium: Alles tun, was nötig ist

Sein Kollege Florian Pronold (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, verwies dagegen auf die Situation vieler Wasserzweckverbände, die große Anstrengungen unternehmen müssten, um der Nitratbelastung Herr zu werden. 

Man müsse „alles dafür tun“, um die Nitrateinbringung deutlich zu verringern. Die Länder könnten mehr als das Vorgeschriebene tun, allerdings sei auffällig, dass von dort nur „relativ zurückhaltende Stimmen“ kämen.

AfD will nationale Agrarpoltik

Für die AfD-Fraktion sagte Wilhelm von Gottberg, für die neue Düngemittelverordnung sei für den Bund mit Mehrbelastungen von 111 Millionen Euro pro Jahr, für die Länder von 81 Millionen pro Jahr zu rechnen. Dabei würden die Verursacher der Belastung nicht korrekt benannt – neben der Landwirtschaft gebe es weitere Verantwortliche. 

Weil der Zustand seit der Klage durch die neue Verordnung ein anderer sei, sei diese nur eine „formaljuristische Fingerübung“. Man müsse hin zu einer „Renationalisierung der Agrarpolitik“, wie sie viele Länder bereits verfolgten.

FDP: Gegen eine „Regelungswut“

Für die FDP betonte Carina Konrad, man sehe an den Äußerungen der beiden Staatssekretäre die große Uneinigkeit innerhalb der Regierung, sie wünsche sich für die Zukunft eine „bessere Abstimmung“. Die neue Düngemittelverordnung sei „eine Belastung für die, die sie umsetzen müssen“; dies sei „falsch und unethisch“.

Düngemittel seien wichtig für die Ernährung der Pflanze und damit die Versorgung mit Lebensmitteln. Die aktuelle „starre Regulation“ hindere die Landwirte zum Teil an einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung der Flächen. Eine solche „praxisferne Regelungswut“ schaffe Frust.

Linke: Autohersteller zur Verantwortung ziehen

Für die Linksfraktion verwies Ralph Lenkert darauf, dass 50 Prozent des Stickstoffüberschusses aus der Landwirtschaft komme, ein großer Teil aber aus der Luft. Dies werde durch Industrie und Verkehr, unter anderem durch Dieselfahrzeuge, verursacht – und es sei nicht einzusehen, dass die Verbraucher durch hohe Abwassergebühren bestraft würden, die Automobilkonzerne aber nicht zum Nachrüsten der nötigen Technik verpflichtet würden. 

Die Regierung müsse sich daher gegenüber der Automobilindustrie „durchsetzen“. (suk/28.06.2018)

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