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Erwa­rtungen an den deutschen Sitz im UN-Sicher­heitsrat

Nach dem Willen der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD soll sich Deutschland für eine verbesserte Zusammenarbeit des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (VN) mit der Peacebuilding-Kommission sowie dem Menschenrechtsrat und seinen Mechanismen einsetzen, um Prävention, Konfliktbewältigung und Friedenskonsolidierung im VN-System zu befördern. Ein entsprechender Antrag (19/2984) wurde am Freitag, 29. Juni 2018, mit den Stimmen der Koalition und der FDP-Fraktion, gegen die Stimmen der Fraktionen von Linken und Grünen bei Enthaltung der AfD-Fraktion angenommen. 

Koalitionsantrag angenommen

Union und SPD fordern die Bundesregierung unter anderem auf, den deutschen Sitz im VN-Sicherheitsrat 2019 und 2020 als nichtständiges Mitglied zu nutzen, um „frühzeitig und regelmäßig bestehende und entstehende Krisen sowie die Entwicklungen im Nahen Osten, in Afrika, Südamerika und in Asien zu diskutieren, sich dazu eng mit den ständigen Sicherheitsratsmitgliedern (P5) und der Gruppe der gewählten Mitglieder (E10) abzustimmen“. Es müsse außerdem darum gehen, dazu beizutragen, die aktuelle Blockade im Sicherheitsrat zum Konflikt in Syrien zu durchbrechen und sich für eine VN-Blauhelmmission für den Konflikt in der Ukraine einzusetzen.

Keine Mehrheit fanden zwei Anträge der Opposition. Die Linke (19/2980) setzte sich dafür ein, die Ausgaben der VN für Hungerbekämpfung, friedliche Konfliktbearbeitung und zivile Krisenprävention deutlich aufzustocken. Bei Enthaltung der Grünen lehnten alle anderen Fraktionen ihren Antrag ab.

Die Grünen (19/2975) forderten die Bundesregierung unter anderem auf „die Umsetzung aller Rahmenabkommen und Konventionen der Vereinten Nationen, zu denen sich Deutschland verpflichtet hat, insbesondere der 2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung und das Pariser Klimaschutzabkommen, voranzutreiben“. Den Antrag lehnten alle anderen Fraktionen ab.

Regierung: Stimme der Vernunft in radikalisierter Welt

Für Außenminister Heiko Maas (SPD) war die Wahl Deutschlands mit 184 Stimmen der 192 VN-Mitglieder „keineswegs selbstverständlich“ und „Ausdruck der großen Anerkennung für das weltweite Engagement unseres Landes“. Die Wahl sei verbunden mit der hohen Erwartung, dass Deutschland eine Kraft des Ausgleichs sein könne, ein Fürsprecher der regelbasierten multilateralen Weltordnung und „eine Stimme der Vernunft in einer zunehmend radikalisierten Welt“.

 Maas kündigte angesichts der Zusammensetzung des Sicherheitsrates 2019 und 2020 an, ein „europäisches Moment“ zu nutzen und Themen wie Krisenprävention, Menschenrechtsverletzungen, globale Gesundheit, Abrüstung und Begrenzung des Handels mit Kleinwaffen auf die Tagesordnung zu setzen. Ein wichtiges Augenmerk sei zudem die UN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“. Der Außenminister unterstrich, dass der Sicherheitsrat, um effektiv zu bleiben und Legitimität zu behalten, inklusiver werden müsse und „endlich an die Realität des 21. Jahrhunderts“ angepasst werden sollte.

AfD gegen Feindstaatenklausel in der VN-Charta 

Armin-Paulus Hampel (AfD) bezweifelte, dass Deutschland angesichts der Verfassung der Bundeswehr die Qualitäten für einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat mitbringen würde. Zu bezweifeln sei ebenfalls, dass Frankreich oder Großbritannien auf ihren Sitz in dem einflussreichen Gremium zugunsten eines gemeinsamen europäischen Sitzes verzichten würden, weil es ihnen weiterhin auch um nationale Interessenpolitik gehe. 

Hampel wandte sich zudem gegen die Feindstaatenklausel  in der VN-Charta, nach der gegen Deutschland und Japan als Folge des Zweiten Weltkrieges Zwangsmaßnahmen ohne besondere Ermächtigung durch den Sicherheitsrat verhängt werden können, falls die Feindstaaten erneut eine „aggressive Politik“ verfolgen sollten. „Diese anachronistische Formel gehört in die Mülleimer der UN-Büros“, sagte Hampel.

CDU/CSU: Ausdruck des Vertrauens in unser Land

Dr. Andreas Nick (CDU/CSU) bezeichnete das „hervorragende Wahlergebnis“ im VN-Rahmen als „Ausdruck des Vertrauens in unser Land“. Die internationale Zusammenarbeit sei kein Nullsummenspiel, Deutschland profitiere erheblich von einer offenen und regelbasierten Weltordnung. Wenn diese nun von verschiedener Seite infrage gestellt werde, gebe es nur eine klare Konsequenz: „Wir müssen selbst einen Beitrag zu Stabilität und Sicherheit leisten, in der europäischen Nachbarschaft und weltweit.“ 

Langfristiges Ziel sei ein ständiger Sitz Deutschlands im Sicherheitsrat, für die Jahre 2019 und 2020 gelte es, die Mitgliedschaft von dann fünf europäischen Staaten im Gremium zu nutzen und mit einer gemeinsamen Stimme zu agieren. Nick machte sich zudem dafür stark, das Prinzip der Schutzverantwortung im VN-Rahmen verbindlich zu etablieren. 

FDP: Völkerrecht wird häufig nicht gewahrt

Diese Forderung machte sich auch Bijan Djir-Sarai (FDP) mit Blick auf eine französische Initiative zu eigen. Die Vetomächte USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich sollen demnach bei Konflikten mit klarem Bruch des Völkerrechts und Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf ihr Veto verzichten. „Wir erleben immer häufiger, dass die Wahrung des Völkerrechts als Hauptaufgabe nicht erfüllt wird.“ So seien unzählige Resolutionen im Sicherheitsrat zu einer Feuerpause in Syrien von Russland blockiert worden. 

Djir-Sarai kritisierte zudem, dass der Rat die Machtverhältnisse von 1945 und nicht mehr die heutigen Realitäten spiegle. Das Gremium benötige einen europäischen Sitz, zudem müsse Afrika viel stärker repräsentiert sei. Das gelte auch für Deutschland als viertgrößter Beitragszahler mit Blick auf Führungspositionen im VN-Rahmen.

Linke wirft Regierung Doppelstandards vor  

Heike Hänsel (Die Linke) warf der Bundesregierung Doppelstandards vor: Solange sie Russland wegen des Völkerrechtsbruchs der Krim-Annexion kritisiere, zu den Völkerrechtsbrüchen der Türkei und der Nato-Partner USA, Großbritannien und Frankreich in Syrien aber schweige, solange sei sie unglaubwürdig im Sicherheitsrat. 

„Boykott und Blockade“ zeigten sich auch darin, dass die Bundesregierung sich gegen den sogenannten UN-Treaty-Prozess für ein internationales Unternehmensstrafrecht wende und den Atomwaffenverbotsvertrag, auf den sich 122 UN-Mitglieder geeinigt haben, nicht ratifizieren wolle.

Grüne: Gegen Marginalisierung der VN kämpfen

Dr. Frithjof Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen) sprach von einer „dramatischen Krise der multilateralen Weltordnung, die immer ein zentraler Bezugspunkt deutscher Außenpolitik war“. In diesem Umfeld sei es „eine gute Fügung“, in den Sicherheitsrat einzuziehen und diesen Sitz, wie es die Bundesregierung beabsichtige, als europäischen Sitz wahrzunehmen. 

Der Kampf gegen Marginalisierung der Vereinten Nationen sei zentrale Aufgabe. Es gelte unter anderem die Lücken zu füllen, die andere, namentlich die USA, mit ihren Rückzügen aus den VN reißen würden – etwa mit Blick auf die Ausstattung von Blauhelmmissionen und die Hilfe für die weltweit 68 Millionen Flüchtlinge. (ahe/29.06.2018)

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