André Berghegger: Haben bei vielen Projekten zu lange Planungszeiten
Der Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Haushaltsausschuss, André Berghegger, hat ungeachtet der soliden Wirtschaftslage Investitionen mit Augenmaß angemahnt. Bei jeder Entscheidung müssten auch die Umsetzung und deren Zeitspanne mitgedacht werden, sagt der CDU-Abgeordnete in einem am Montag, 9. Juli 2018, erschienenen Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“. „Ich glaube, dass kein Projekt im Moment an dem zur Verfügung gestellten Geld scheitert. Es hakt vielmehr an der Abwicklung.“ Zugleich regt er mehr Flexibilität bei Genehmigungen und Mittelvergabe an: Wenn absehbar sei, dass sich Zeiten verzögern, müsse man pragmatische Lösungen finden und Preissteigerungen bezuschussen. „Es gilt, Probleme aus der Praxis zu berücksichtigen und etwa Zeiträume unkompliziert über ein Haushaltsjahr hinaus zu verlängern.“ Das Interview im Wortlaut:
Herr Berghegger, der Haushalt ist beschlossen. Der Bund kann gegenüber dem Entwurf nochmals 2,6 Milliarden Euro mehr ausgeben. Wo hat die Koalition die richtigen Schwerpunkte gesetzt?
Wir hatten einen guten Regierungsentwurf und haben versucht, den noch weiter zu entwickeln. Einen Schwerpunkt haben wir diesmal im Personellen gesetzt, also im Sicherheitsbereich. Die Bürgerinnen und Bürger wollen, dass wir das Recht durchsetzen, dass wir die Sicherheit in unserem Land objektiv wie subjektiv stärken. Dafür braucht es mehr Stellen, um qualitativ hochwertige Arbeit zu leisten. Deswegen haben wir bei den verschiedenen Sicherheitsbehörden, aber auch etwa dem Zoll, aufgesattelt. Im Verkehrsetat haben wir außerdem kreative Projekte auf den Weg gebracht.
Zum Beispiel?
Ich finde die 5x5G-Strategie gut, um Modellregionen für den neuen Mobilfunkstandard auszuwählen. Auch den Schwerpunkt auf ländliche Räume finde ich gut – etwa beim Breitband, im Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft und beim Baukindergeld.
Wo hätten Sie Schwerpunkte gesetzt und mussten Kompromisse schließen?
Aus konservativer Sicht ist es sinnvoll, dass wir seit 2014 einen ausgeglichenen Haushalt haben, weil das nicht nur eine Zahl ist, sondern Glaubwürdigkeit und Vertrauen bringt sowie eine Entlastung für die Zukunft. Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass wir in die Schuldentilgung intensiver einsteigen. Aber ein Koalitionsvertrag ist immer ein Kompromiss. Es war relativ schnell klar, dass wir keine Einigung zu einer aktiven Schuldentilgung hinbekommen. Ich als Haushälter bin eben sehr daran interessiert, dass Plan und Ausgabe im Haushalt sehr eng beieinander liegen.
Die Opposition kritisiert, dass im Gegenteil nicht mehr investiert wird.
Das hört sich immer gut an, mehr zu investieren. Ich glaube aber, dass kein Projekt im Moment an dem zur Verfügung gestellten Geld scheitert. Es hakt vielmehr an der Abwicklung, an der Umsetzung. Wir haben das Problem, dass wir bei vielen Projekten zu lange Planungszeiten haben. Das Planungsrecht ist kompliziert. Deswegen bin ich immer der Meinung, dass ein Ansatz nicht per se besser ist, weil er höher ist. Sondern dass man schauen muss, was ist realistisch – kann ich Mittel in diesem Jahr auch abrufen? Außerdem läuft im Übrigen die Binnennachfrage, die Wirtschaft ist leistungsfähig. Das durch staatliche Maßnahmen noch mehr anzukurbeln, halte ich für wenig sinnvoll.
Es hapert auch beim Mittelabruf, zum Beispiel beim Kommunalinvestitionsförderungsfonds. Als ehemaliger Bürgermeister kennen Sie die Lage vor Ort: Woran liegt es?
Es gibt keine pauschale Antwort. Wenn man Zuschüsse beantragt, muss man eine Planung zugrunde legen und kalkulieren. Dann wird bewilligt, dann kann man in die Umsetzung eintreten. Die Kehrseite der boomenden Wirtschaft ist: In vielen Bereichen bekommt man kaum noch Handwerker oder Unternehmer, die zu akzeptablen Preisen Aufträge ausführen. Wir müssen Projekte dosierter auf den Markt bringen.
Wie ausgeprägt ist Ihre Sorge, dass Mittel ungenutzt liegen bleiben in diesem Jahr?
Meine Sorge ist da nicht groß. Wir müssen vielleicht flexibler werden: Wenn nachvollziehbar ist, dass sich Zeiten verzögern, müssen wir pragmatische Lösungen finden. Beispiel Breitbandversorgung: Die Gelder für Planung und Beratung sind ausgegeben, aber die Mittel für die Umsetzung sind noch nicht viel abgeflossen. Das liegt an der Länge der Bauphase. Wenn ich längere Zeiten verstreichen lasse, steigen die Kosten. Also muss das Ministerium berücksichtigen, im Zweifel Preissteigerungen zu bezuschussen. Es gilt, Probleme aus der Praxis zu berücksichtigen und etwa Zeiträume unkompliziert über ein Haushaltsjahr hinaus zu verlängern.
Wie bewerten Sie vor dem Hintergrund ihrer kommunalen Erfahrung das geplante Baukindergeld?
Man kann das eine machen, ohne das andere zu lassen. Es wird kein Patentrezept geben, um die Wohnungsnot in Stadt und Land mit einem einzigen Mittel zu lösen. Ich glaube, dass das Baukindergeld einen elementar wichtigen Anreiz ausübt, gerade im ländlichen Raum, zur Schaffung von Eigentum. Wenn wir einen Baustein haben, um Familien über die Schwelle zu heben, sich etwas Eigenes leisten zu können, dann haben wir ein wichtiges Element. Das schließt nicht aus, dass wir uns in Ballungszentren um andere Sachen kümmern müssen – Stichwort Mietpreisbremse, sozialer Wohnungsbau. Aber jetzt pauschal zu sagen, das ist gut oder schlecht bei einer Maßnahme, finde ich schwierig. Dafür sind die Voraussetzungen vor Ort zu unterschiedlich in Deutschland.
Was halten Sie von Vorschlägen, in ländlichen Gegenden mit nachgewiesenem Leerstand Baukindergeld auf den Kauf von Bestandsbauten auszurichten?
Das ist eine theoretische Diskussion. In der Praxis herrschen unterschiedlichste Situationen vor. Das Planungsrecht liegt bei den Kommunen, und jede Kommune ist gut beraten, vorsichtig mit dem Flächenverbrauch umzugehen und sinnvolle Dorf- und Ortsentwicklung zu betreiben. Die Tendenz, nicht ungehemmt zu expandieren, ist ja da. Das Baukindergeld ist ohne jede planerische Vorgabe vorgesehen.
Nach dem Haushalt ist vor dem Haushalt: Worauf werden Sie in den Beratungen für den Etat 2019 Wert legen?
Jeder nimmt sein Buch in die Sommerpause mit und beschäftigt sich damit. Ende des Herbstes werden wir den Haushalt für 2019 beschließen. Ich glaube, man sollte seriöserweise auf diesem Haushalt aufsatteln. Wir sehen einen ausgeglichenen Haushalt vor. Wir werden das nächste entscheidende Maastricht-Kriterium einhalten, das heißt, dass wir eine staatliche Gesamtschuld von weniger als 60 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt erreichen. Wenn wir das haben, dann haben wir diese finanziellen Kriterien erfüllt, das sichert Unabhängigkeit: Dann kann keiner mehr von außen hereinreden. Das ist seriös und nachhaltig. Wir müssen uns jetzt organisch weiterentwickeln. Hohe Priorität hat nach wie vor der Bereich Innere Sicherheit; da müssen wir mit den Sicherheitsbehörden zusammen Kapazitäten und Finanzierungsmöglichkeiten ausloten.
Stichwort Äußere Unsicherheit – wie krisenfest kann so ein Haushalt angesichts der weltpolitischen Konflikte gestaltet werden?
Ein Haushalt ist in Zahlen gegossene Politik. Wir sind klug beraten, die Wirtschaftsentwicklung konservativ zu planen. Wir haben Rücklagen gebildet. Wir können natürlich nicht Unvorhergesehenes komplett neu abbilden, deswegen ist es ja unvorhergesehen. Ich kann nur hoffen, dass die Weltwirtschaft sich ruhig weiterentwickelt.
Wie sehr sehen Sie das Vertrauen von Bürgern in die Politik durch die jüngsten innenpolitischen Turbulenzen gefährdet?
Es ist gut, dass sich die Koalition geeinigt hat. Ich persönlich hätte mir das früher gewünscht. Jetzt müssen wir sehen, dass wir die Ergebnisse umgesetzt kriegen. Die Bürger erwarten zu Recht, dass Ruhe herrscht und dass wir verantwortungsvoll diese Pakete in Taten münzen. Denn das Interesse an Politik ist sehr stark. Unglücklich ist in der Wahrnehmung, wenn man sich öffentlich streitet. Das möchten die Bürger nicht. Unsere Aufgabe ist es, an der Basis immer wieder den Kompromiss als besten Weg zu erklären. Wir müssen jetzt entschlossen untergehakt das Ergebnis nach außen vertreten – in Deutschland und Europa.
(pez/08.07.2018)