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Hans Michelbach: Kein Ja des Bundestages zur Bankenunion

Porträtaufnahme eines Mannes in einem schwarzen Anzug mit blau-roter Krawatte mit grau-rotem Haar und einer Brille

Hans Michelbach, CDU/CSU (Hans Michelbach/Tobias Koch)

Eine EU-Bankenunion mit einer europäischen Einlagensicherung, wie sie der französische Präsident Emmanuel Macron vorgeschlagen hat, hält der CSU-Finanzpolitiker Dr. h. c. Hans Michelbach derzeit nicht für realistisch. Voraussetzung müsse sein, dass in den teilnehmenden Staaten „die notleidenden Kredite weitestgehend abgebaut werden und die Banken Staatsanleihen mit Eigenkapital unterlegen“, sagt Michelbach in einem am Montag, 3. September 2018, erschienenen Interview der Wochenzeitung „Das Parlament“. Da dies nicht zu erwarten sei, „ist nach meiner Meinung eine Zustimmung des deutschen Parlaments zu einer solchen EU-weiten Regelung im Moment nicht möglich“. Das Interview im Wortlaut: 


Herr Dr. Michelbach, ehemalige Krisenländer wie Irland und Portugal stehen wieder gut da, selbst Griechenland bekommt wieder Geld am Kapitalmarkt. Ist die Krise ausgestanden?

Wir haben vor zehn Jahren alle in den Abgrund gesehen. Aber wir haben gehandelt, national und europäisch. National hat der Gesetzgeber rund 40 Regulierungsgesetze erlassen. Das Prinzip war, Transparenz zu schaffen, nachhaltige Wachstumsstrategien zu erhalten und gleichzeitig die Krisenfestigkeit des Finanzmarkts und seiner Akteure zu stärken. Kein Finanzmarktakteur, kein Finanzprodukt und kein Markt darf ohne Regulierung bleiben. Für Deutschland sind wir sehr weit vorangekommen. Auf europäischer Ebene besteht nach wie vor die Herausforderung, die Wirtschafts- und Währungsunion weiterzuentwickeln. Es gibt immer noch große Probleme bei einzelnen europäischen Staaten. Die Regulierung des Bankenwesens, der Stabilität des Finanzmarkts, die Frage der Staatsanleihen, alles das sind offene Punkte.

Das klingt nicht so, als sei die Gefahr gebannt.

Zweifellos. Wir haben ja die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion nicht umsonst angestoßen. Wir glauben, dass der europäische Währungsraum nur durch eine stärkere Konvergenz in der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und der Haushaltsdisziplin bestehen kann. Da gibt es in verschiedenen Ländern, die die Maastricht-Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspaktes weit überschreiten, noch viel zu tun.

Im Ausland wurde die deutsche Haltung während der Finanzkrise teilweise als rücksichtslos dargestellt, auch im Inland gab es solche Stimmen. Wird das der deutschen Rolle gerecht?

Nein. Wir haben immer darauf bestanden, dass Haftung und Risiko beieinander bleiben. Das ist natürlich nicht so gut angekommen. Aber der Versuch einer Schuldenvergemeinschaftung würde zu einer Spaltung Europas führen. Man braucht die Akzeptanz für Europa, und es wäre absolut kontraproduktiv, wenn wir unsere Stabilitätskriterien über Bord werfen würden.

Darüber, was jetzt zu tun ist, gehen besonders zwischen der französischen und der deutschen Seite die Meinungen ziemlich auseinander. Halten Sie diese Unterschiede für überbrückbar?

Zunächst einmal haben sowohl EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker als auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit seiner Sorbonne-Rede eine Intention vorgelegt. Die Kanzlerin hat darauf geantwortet. Wir als Parlament haben unsere eigene Meinung zu bilden, und wir finden, dass es hier erhebliche Korrekturen geben muss. Wir sind nicht der Auffassung, dass die Unionsrechte erweitert werden sollen. Es braucht ein Vetorecht der nationalen Parlamente, wenn es darum geht, den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) auszuweiten. Wir müssen uns natürlich auch mit einem Eurozonen-Haushalt befassen: Was bedeutet das für den nationalen Haushalt? Was bedeutet der Vorschlag zur Bankenunion mit der europäischen Einlagensicherung? All das muss sehr wohl bedacht werden, um Europa letzten Endes nicht zu beschädigen.

Für wie realistisch halten Sie die Bankenunion? Wird sie kommen?

Die Bankenunion ist nur realistisch, wenn die notleidenden Kredite weitestgehend abgebaut werden und wenn die Banken Staatsanleihen mit Eigenkapital unterlegen müssen. Das ist im Moment nicht der Fall. Deswegen sehe ich keine Grundlage für eine europäische Einlagensicherung in Verbindung mit der Bankenunion. Man muss erst mal ein System für Staatsinsolvenzen schaffen und muss vor allem die Risiken, die in vielen Ländern zweifellos vorhanden sind, zurückführen.

Spanien, Italien oder Frankreich sind doch wohl kaum in der Lage, ihre faulen Kredite zurückzuführen und die Staatsanleihen in den Banken zu unterlegen.

Deswegen ist nach meiner Meinung eine Zustimmung des deutschen Parlaments zu einer solchen EU-weiten Regelung im Moment nicht möglich.

Was sollte stattdessen geschehen?

Was die Reform des Euroraumes wesentlich voranbringen kann, ist die stärkere Überwachung der öffentlichen Haushalte in den einzelnen EU-Ländern, die Finanzmarktregulierung für alle Marktteilnehmer in Europa und natürlich die Auffanglösung mit dem Europäischen Stabilisierungsmechanismus ESM. Das sind die Kernaufgaben, die wir in der Zukunft sehen.

Denken Sie, dass auch ein Konsens möglich wäre, besonders mit Frankreich?

Das ist sicherlich ein schwieriger politischer Weg, das muss man sehen.

Es gibt Stimmen, die sagen, man muss aus übergeordneten europäischen Interessen auch Bedenken zurückstellen und Macron entgegenkommen.

Es ist nicht nur der ein guter Europäer, der eine möglichst schnelle Vergemeinschaftung herbeiführen will, sondern es ist auch der ein guter Europäer, der die Risiken und die Haftungen im Blick hat, die sich aus der Vergemeinschaftung ergeben. Nach dem Prinzip: Bedenke das Ende!

Zurück zur nationalen Regulierung. Beratungstelefonate werden aufgezeichnet, es gibt Berge von Formularen. Hat die Koalition mit der Regulierung übertrieben?

Eine berechtigte Frage, mit der wir uns befassen müssen. Wir haben vor, eine Evaluation der gesamten Regulierungsgesetzgebung vorzunehmen, weil man immer wieder überprüfen muss: Was war sinnvoll, was war erfolgreich, und was ist über das Ziel hinausgeschossen. Insbesondere beim Thema Verbraucherschutz sind manche Dinge doch sehr stark zu einem bürokratischen Hemmnis geworden. Hier gilt es zu prüfen und nachzujustieren.

Wie stabil sind eigentlich die deutschen Banken?

Da hat sich sehr viel durch die Regulierungen getan. Wir haben zwar auch noch Hausaufgaben, aber im Großen und Ganzen doch eine erheblich verbesserte Situation. Allerdings ist für die Zukunft bei Fortführung der Niedrigzinsphase durchaus mit Negativ-Entwicklungen zu rechnen.

Und was ist mit Lebensversicherungen und Betriebsrenten?

Es gibt durch die Niedrigzinsphase natürlich gerade in diesem Bereich, wo Renditen versprochen wurden, die nicht mehr am Markt zu erzielen sind, zweifellos Gefährdungen. Wir müssen als Gesetzgeber alles dafür tun, dass hier Stabilität erhalten wird. Wir sind in laufendem Austausch mit den Anbietern von Altersvorsorgeprodukten, um auch hier die Kapitalunterlegungen und die Möglichkeiten der Stabilitätsentwicklung zu forcieren. Wir sind hier auch schon gesetzgeberisch tätig geworden, und wir werden die Entwicklung am Versicherungsmarkt weiter aufmerksam begleiten.

Immerhin kann Deutschland durch die Null-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) seine Staatsschulden viel günstiger finanzieren. War die Krise insofern ein gutes Geschäft für uns?

Nein, sicher nicht. Denn wir müssen sehen, dass die Zinsen auch die Risiken abbilden müssen. Die EZB hat sich Zeit gekauft durch die Aufkauf-Programme. Doch sie muss irgendwann handeln, und Präsident Mario Draghi hat kein Konzept des Ausstiegs. Man sieht auch, dass trotz dieser Flutung des Kapitalmarktes die Inflation nur sehr bescheiden ansteigt. Von der Warte aus sehe ich schon sehr große Gefahren, wenn die Zinswende kommt. Aber sie muss kommen, weil die Risiken nicht auf Dauer zugedeckt werden können.

(pst/03.09.2018)

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