Kontroverse um die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung
Es sind unruhige Wochen, was Klima und Umwelt angeht: Nur kurze Zeit, nachdem der Hambacher Forst zum Mittelpunkt einer politischen Auseinandersetzung rund um den Braunkohleausstieg und einen Rodungsstopp wurde, veröffentlichte der Weltklimarat (IPCC) einen Sonderbericht über die Folgen einer globalen Erwärmung. Die Bilanz: Die internationalen Klimaziele können bei den momentanen Anstrengungen im Klimaschutz nicht erreicht werden. Die aktuelle globale Erwärmung liege bei etwa einem Grad Celsius und erreiche zwischen 2030 und 2052 bei aktueller Geschwindigkeit wahrscheinlich 1,5 Grad Celsius, so der Sonderbericht. Grund genug für eine auf Initiative der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einberufene Aktuelle Stunde zum Thema „Nach IPCC-Bericht und Gerichtsentscheidungen zum Hambacher Wald – Notwendige Klimaschutzmaßnahmen zur Einhaltung des 1,5-Grad-Klimaziels“.
Grüne: Klimaschutz ins Zentrum der Politik stellen
In der Debatte unterstrich Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen) am Mittwoch, 10. Oktober 2018, dass es rasche und beispiellose Veränderungen in der Gesellschaft brauche: „Der Bericht zeigt, dass es einen Unterschied macht, ob es eine Erhitzung des Weltklimas um 1,5 Grad, zwei Grad oder drei Grad gibt.“
Die Bundesregierung müsse den Klimaschutz ins Zentrum ihrer Politik stellen, denn in der Bevölkerung habe sich herumgesprochen, dass die Regierung nicht handele, sagte Krischer mit Blick auf die Demonstrationen der vergangenen Wochen im Hambacher Wald: „Der Wald ist ein Symbol dafür geworden, dass die Politik alles aussitzt und am Ende die Gerichte eine Entscheidung treffen. Das ist eine Bankrotterklärung von Politik“, kritisierte er.
CDU/CSU: Müssen gesellschaftlichen Konsens erarbeiten
Marie-Luise Dött (CDU/CSU) hielt dagegen. Es brauche vor allem eine weltweite Handlungsgemeinschaft: „Hören Sie auf, so zu tun, als würde der globale Klimaschutz allein von Deutschland abhängen“, sagte sie. Nötig sei nicht etwa ein „klimapolitischer Tunnelblick“, sondern dass Deutschland als Industrienation wettbewerbsfähig bleibe und das Erreichen der Klimaschutzziele sozial gerecht ablaufe und die Menschen nicht überfordere.
„Es braucht einen breiten gesellschaftlichen Konsens, den müssen wir erarbeiten“, betonte sie und mahnte, die Vorschläge der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung abzuwarten.
AfD: Schädliches Sendungsbewusstsein
Dem Bericht kritisch gegenüber äußerte sich Karsten Hilse (AfD): Deutschland zeige einen besonderen Eifer, ein Sendungsbewusstsein, das schädlich sei für das Land: „Das Thema beherrscht die Politik, beeinflusst die Wirtschaft, die Automobilindustrie und die Verbraucher“, sagte er.
Ein solcher „blinder Eifer“ sei in anderen Ländern nicht bekannt und grenze an Selbstzerstörung und „das Zu-Grabe-tragen der Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Unternehmen“, sagte er. Dass die Mitarbeiter der Kohlekraftwerke im Zuge des Kohleausstiegs ihre Arbeitsplätze verlieren, nannte er einen „Verrat“.
Ministerin: Klimaschutzpolitik schafft Arbeitsplätze
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sah in dem Bericht einen erneuten Weckruf: „Bereits bei einer Erwärmung des Klimas von 1,5 Grad Celsius bestehen sehr große Risiken für Umweltschäden“, sagte sie. Der Bericht zeige aber auch, dass eine Begrenzung des Anstiegs auf 1,5 Grad Celsius mit großen Anstrengungen noch geschafft werden könne. „Viele der Technologien, mit denen wir den Klimawandel begrenzen können, tragen das Label ,Made in Germany'. Eine ökologische Industriepolitik birgt Chancen, und Klimaschutzpolitik schafft Arbeitsplätze“, sagte sie an die AfD gewandt.
Im Hambacher Forst brauche es das Gespräch und den positiven Willen, den Weg so zu gestalten, „dass auch unsere Kinder und Enkel dort eine Heimat und eine Arbeit finden können“, sagte die Ministerin. Die Strukturwandelkommission habe die große Chance, vor Ort einen sozial gerechten Übergang zu gestalten. Der Konflikt jetzt könne als Ansporn für ein ambitioniertes Klimaschutzgesetz gesehen werden, sagte sie.
SPD: Bürokratische Hemmnisse reduzieren
Das sah auch Klaus Mindrup (SPD) so: „Deutschland kann und muss beim Klimaschutz besser werden, und auch die Energiewende müssen wir besser managen“, betonte er.
Dazu müssten vor allem bürokratische Hemmnisse reduziert werden.
FDP: Historisch einmalige Situation
Scharfe Kritik kam vonseiten der FDP-Fraktion: Lukas Köhler betonte, dass es kein gemeinsames Vorgehen gebe. „Das ist eine historisch einmalige Situation. Wir haben eine menschengemachte Krise, die wir auch durch Menschen wieder lösen können“ sagte er. Der Hambacher Forst sei allerdings ein Symbol für eine überhitzte Debatte um den Kohleausstieg, die nicht zielführend sei.
„Der Erfolg von Klimapolitik zeigt sich darin, wie ein Wirtschaftswachstum mit einer Reduktion von CO2-Ausstößen zu kombinieren ist“, sagte er. Eine Chance könne es sein, das bestehende System des Emissionshandels der EU auf die globale Ebene auszuweiten – so könnten die Ziele des Berichts eingehalten werden.
Linke für solidarische Form des Wirtschaftens
Lorenz Gösta Beutin (Die Linke) lenkte den Blick auf globale Ungleichgewichte: Die Menschen, die am wenigsten zum Klimawandel beitragen, würden am stärksten leiden. Ursächlich dafür sei die bestehende Wirtschaftsordnung: „Wir brauchen eine solidarische, gerechte Form des Wirtschaftens, Konsumierens und Produzierens“, plädierte er.
Er fügte hinzu, nur mit einer solchen Wirtschaftsordnung könne der Klimawandel wirksam bekämpft werden. Denn der Anstieg des Meeresspiegels, Überschwemmungen und andere Naturkatastrophen würden auch unsere Lebensgrundlagen, etwa an Nord- und Ostsee, bedrohen. „Die kommenden Jahre sind die wichtigsten in der Menschheitsgeschichte“, lautete sein Appell.
Bericht des Weltklimarates
Der Weltklimarat IPCC hatte am Montag, 8. Oktober, seinen Sonderbericht über die Folgen einer globalen Erwärmung um 1,5 Grad Celsius vorgestellt. Am Freitag, 5. Oktober, hatte das Oberverwaltungsgericht Münster einen vorläufigen Rodungsstopp im Hambacher Forst verfügt.
Der Hambacher Forst ist ein Wald in Nordrhein-Westfalen zwischen Köln und Aachen. Die Freigabe der Fläche für den Tagebau ist zwischen Umweltschützern und dem Energiekonzern RWE umstritten. (lbr/10.10.2018)