Gesetzlicher Anspruch auf Brückenteilzeit soll eingeführt werden
Der Bundestag hat am Freitag, 28. September 2018, in erster Lesung über den Gesetzentwurf (19/3452) der Bundesregierung für eine Einführung der Brückenteilzeit debattiert. Der Entwurf sieht vor, im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) einen allgemeinen gesetzlichen Anspruch auf zeitlich begrenzte Teilzeit (Brückenteilzeit) neu einzuführen. In Betrieben mit mehr als 45 Beschäftigten, sollen Arbeitnehmer demnach, wenn sie bereits mehr als sechs Monate dort beschäftigt sind, künftig eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit verlangen können. Dies soll für einen im Voraus zu bestimmenden Zeitpunkt von einem Jahr bis zu fünf Jahren möglich sein.
Der neue Anspruch ist nicht an bestimmte Gründe gebunden. Nach Ablauf der Brückenteilzeit sollen die Beschäftigten auf ihre ursprünglich vereinbarte Arbeitszeit zurückkehren können. Für Betriebe von 46 bis 200 Beschäftigten soll eine Zumutbarkeitsgrenze eingeführt werden: Diese Arbeitgeber sollen nur einem von 15 Arbeitnehmern den Anspruch auf Brückenteilzeit gewähren müssen. Beraten wurde auch über einen Antrag der Linken (19/4525), der sich für ein Recht auf Rückkehr in eine Vollzeitbeschäftigung einsetzt. Beide Vorlagen wurden im Anschluss zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales übernimmt die Federführung.
Minister: Aus der Teilzeitfalle herauskommen
Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, zeigt sich überzeugt: „Dieses Gesetz hilft, damit Arbeit zum Leben passt und nicht umgekehrt.“ Millionen von Menschen wünschten sich aus unterschiedlichsten Gründen mehr berufliche Flexibilität. Dem werde das seit 2001 geltende Recht auf Teilzeit nicht ausreichend gerecht, da es für viele eine Sackgasse sei.
„Wir stärken das Recht der Beschäftigten, aus dieser Teilzeitfalle herauszukommen.“ Außerdem sei es ein Instrument, um Altersarmut zu verhindern, denn wer sein Leben lang Teilzeit arbeite, dessen Rentenansprüche seien sehr gering, führte Heil aus.
AfD sieht keine Vorteile für die Mütter
Jürgen Pohl (AfD) sagt, er habe im Gesetzentwurf vergeblich nach Vorteilen für die Mütter gesucht. Es sei vielmehr eine Spielwiese für Arbeitsrechtler und Gewerkschaften und schließe zwei Drittel der teilzeitbeschäftigten Mütter aus, denn diese arbeiteten in Betrieben mit weniger als 45 Mitarbeitern.
„Echte Sozialpolitik geht anders, aber diesen Anspruch haben Sie seit den Hartz-IV-Gesetzen aufgegeben“, kritisierte er Union und SPD. Außerdem beschneide das Gesetz die unternehmerische Entscheidungsfreiheit dramatisch, so Pohl.
CDU/CSU: Eine Herausforderung für die Arbeitgeber
Wilfried Oellers (CDU/CSU) begrüßte zwar den Gesetzentwurf. Zugleich verwies er darauf, dass durch ihn aus einem unbefristeten Vollzeit-Vertrag zwei befristete Teilzeitverträge werden würden und ja gerade die Opposition seit Jahren die Zahl befristeter Beschäftigungsverhältnisse kritisiere.
Auch werde es eine Herausforderung für die Arbeitgeber sein, die Lücken zu schließen und jemanden zu bekommen, der befristet eine halbe Stelle übernimmt, warnte er.
FDP sagt Anstieg der Teilzeit-Arbeit voraus
Till Mansmann (FDP) warf der Bundesregierung vor, kein Verständnis für die Realität in den Betrieben zu haben, denn diese seien keine homogenen Einheiten, wo jeder jeden ersetzen könne. Der Entwurf atme vielmehr den „Geist, der alles verspricht“, die Probleme von Morgen aber erst schaffe.
Er sagte den Sozialdemokraten voraus: „In zwei Jahren werden Sie hier stehen und den Anstieg von Teilzeit-Arbeit beklagen.“ Der Entwurf sei eine klassische Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Betriebsjuristen und Arbeitsgerichte, so der Liberale.
Linke: Viele haben keinen Anspruch auf Brückenteilzeit
Susanne Ferschl (Die Linke) kritisierte, die Brückenteilzeit ändere am Zugriffsrecht der Arbeitgeber auf die Lebenszeit der Arbeitnehmer nichts. Mehr als 14 Millionen Menschen hätten keinen Anspruch auf Brückenteilzeit, weil sie in Betrieben mit weniger als 45 Beschäftigten arbeiten. „Sie schließen außerdem ganze Branchen, wie das Hotel- und Gaststättengewerbe damit aus“, denn dies seien oft Kleinstbestriebe.
Außerdem fragte sie: „Wer kontrolliert eigentlich die Durchsetzung der Brückenteilzeit, zumal in Betrieben, wo oft kein Betriebsrat existiert? So verkommt die Brückenteilzeit zur Lotterie.“
Grüne: Teilzeitfalle hat für Frauen gravierende Folgen
Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete den Entwurf als einen ersten Schritt, der viel verspreche aber wenig halte. Die Teilzeitfalle habe vor allem für Frauen gravierende Folgen. Sie bedeute weniger Lohn und Weiterbildungs- und damit auch Aufstiegschancen und letztlich eine geringe Rente.
„Aber für die Frauen, die heute schon in Teilzeit sind, wird sich nichts ändern“, warf sie der Bundesregierung vor. Mit dem Gesetz seien die Arbeitgeber in Watte gepackt und wieder einmal eine Chance verpasst worden, sagte Müller-Gemmeke.
SPD: Dieses Gesetz ist ein Meilenstein
Gabriele Hiller-Ohm (SPD) präsentierte sich in ihrer Rede dagegen geradezu euphorisch: „Dieses Gesetz ist ein Meilenstein.“ Denn die verbaute Rückkehr auf Vollzeit sei mit ein Grund, warum Frauen so wenig verdienen, mit katastrophalen Folgen für die Rente.
Die Brückenteilzeit werde aber nun vielen Frauen und übrigens auch Männern helfen, aus der Teilzeitfalle herauszukommen, so ihre optimistische Prognose. (che/29.09.2018)