Geschichte

20. Oktober 1918: OHL lehnt Ver­zicht auf U-Boot-Krieg ab

Sepiafarbene Fotografie von mehreren Männern in Uniform in einem Wintergarten. Im Bildvordergrund stehen vier Herren und beraten sich

Generalfeldmarschall und Chef der Obersten Heeresleitung Paul von Hindenburg (Zweiter von rechts) während der Feier des 30-jährigen Regierungsjubiläums von Kaiser Wilhelm II. (links) im Großen Hauptquartier in Spa am 15. Juni 1918. (picture-alliance/akg-images)

Sonntag, 20. Oktober 1918

Die Oberste Heeresleitung (OHL) lehnt in einem Telegramm an Reichskanzler Max von Baden den deutschen Verzicht auf den U-Boot-Krieg als Vorleistung für Waffenstillstandsverhandlungen, wie in der zweiten Wilson-Note gefordert, ab. Die Militärführung betont erneut, dass sich an der Westfront ein „nachhaltiger Widerstand“ organisieren lasse, der den Kampf in die Länge ziehen und die Nation vor dem Äußersten bewahren werde. 

Selbst im Fall einer endgültigen Niederlage werde Deutschland „nicht wesentlich schlechter“ dastehen als bei einer sofortigen Unterwerfung unter die Forderungen des Gegners. Deshalb stehe Deutschland vor der Wahl, entweder „bis zum letzten Mann [zu] kämpfen und sich damit die Möglichkeit des Wiedererstehens [zu] sichern“ oder sich „zur Kapitulation und damit zum Untergang vor der äußersten Kraftanstrengung drängen [zu] lassen.“ Mit dem vorgesehenen Verzicht auf den U-Boot-Krieg ohne Gegenleistung beschreite Deutschland diesen Weg der Kapitulation.

Antwort auf die zweite Wilson-Note

Nachdem die Oberste Heeresleitung auf Intervention des Kaisers der Reichsregierung ihre Loyalität zugesichert hat (ohne ihre ablehnende Haltung zu revidieren), geht in der Nacht vom 20. zum 21. Oktober die deutsche Antwortnote auf die zweite Wilson-Note ab. Die Note entspricht in weiten Teilen dem Entwurf, der am 19. Oktober dem Kriegskabinett vorgelegt und zunächst abgelehnt worden war. 

Die deutsche Regierung appelliert an Präsident Wilson, nur Forderungen zuzustimmen, die die deutsche Ehre nicht verletzen und mit einem gerechten Frieden vereinbar sind. Der gegen die deutschen Streitkräfte gerichtete Vorwurf völkerrechtswidriger Kriegshandlungen wird zurückgewiesen. 

Einstellung des U-Boot-Handelskriegs

Die in der Note enthaltene Formulierung zur umstrittenen Forderung nach sofortiger Einstellung des U-Boot-Kriegs bedeutet de facto – wie am Vortag vom Kriegskabinett beschlossen – die Einstellung des gesamten U-Boot-Handelskriegs: „Um alles zu verhüten, was das Friedenswerk erschweren könnte, sind auf Veranlassung der deutschen Regierung an sämtliche Unterseebootkommandanten Befehle ergangen, die eine Torpedierung von Passagierschiffen ausschließen, wobei jedoch aus technischen Gründen eine Gewähr nicht dafür übernommen werden kann, dass dieser Befehl jedes auf See befindliche Unterseeboot vor seiner Rückkehr erreicht.“ 

Zur Verfassungsfrage erklärte die Note, dass die neue Regierung in Übereinstimmung mit der aus demokratischen Wahlen hervorgegangenen Volksvertretung gebildet worden sei. Auch jede künftige Regierung werde des Vertrauens der Volksvertretung bedürfen. Die Verantwortlichkeit des Reichskanzlers werde verfassungsrechtlich weiter ausgebaut. Zur Entscheidung über Krieg und Frieden werde hinfort die Zustimmung der Volksvertretung erforderlich sein. 

„Große Mehrheit steht hinter diesen Reformen“

Die stärkste Gewähr für die Dauer des veränderten Systems ruhe in dem unerschütterlichen Willen des deutschen Volkes, das in seiner großen Mehrheit hinter diesen Reformen stehe. Das Waffenstillstands- und Friedensangebot gehe somit von einer Regierung aus, „die, frei von jedem willkürlichen und unverantwortlichen Einfluss, getragen wird von der Zustimmung der überwältigenden Mehrheit des deutschen Volkes“.

„Versorgung mit Reichsmarmelade gesichert“

Wilson erklärt die Anerkennung der Selbstständigkeitswünsche der der Habsburgermonarchie angehörenden Völker zu einer unabdingbaren Voraussetzung für Friedensverhandlungen mit Österreich-Ungarn.

Die Reichsstelle für Gemüse und Obst in Berlin teilt mit, dass die Versorgung der Bevölkerung mit „Reichsmarmelade“ gesichert sei. Die Marmelade wird um etwa 50 Prozent mit Mohrrüben gestreckt. (ww/20.10.2018)

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