Geschichte

22. Oktober 1918: Marine plant eine letzte Ent­schei­dungs­schlacht

Schwarzweiße Luftaufnahme von mehreren Kriegsschiffen auf See bei trüber Wetterlage

Die deutsche Hochseeflotte wurde angewiesen, den Angriff gegen die britische Grand Fleet einzuleiten (hier eine Aufnahme vom 21. April 1918). (Bundesarchiv)

Dienstag, 22. Oktober 1918

In einer Rede vor dem Reichstag kündigt Reichskanzler Max von Baden weitere Reformschritte zur Parlamentarisierung des Reichs an. Unter anderem sollen Reichstagsabgeordnete bei einem Eintritt in die Regierung ihr Reichstagsmandat beibehalten können. 

Die Stellung der parlamentarischen Regierungsmitglieder soll gestärkt, die politische Verantwortlichkeit des Reichskanzlers durch Einrichtung eines Staatsgerichtshofs gesichert werden. Der Reichstag soll bei den „wichtigsten Lebensfragen der ganzen Nation, bei den Fragen von Krieg und Frieden, ein volles Mitbestimmungsrecht“ haben.

„Rechtsfriede oder Gewaltfriede?“

Zugleich stellt der Reichstag klar, dass kriegsbedingte Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten nur noch im Einverständnis mit dem Reichskanzler möglich sind und nach Ende des Krieges wieder vollständig aufgehoben werden. Zum Notenwechsel mit dem amerikanischen Präsidenten führt er aus, dass es nun in allen Ländern um die Frage „Rechtsfriede oder Gewaltfriede?“ gehe.

Für den Fall, dass die feindlichen Regierungen beabsichtigen, den Krieg fortsetzen, werde die Reichsregierung zur „nationalen Verteidigung“ aufrufen. Die Regierung sei nicht bereit, sich kampflos einem „Gewaltfrieden“ zu beugen.

Aber auch ein Frieden auf der Basis der 14 Punkte von US-Präsident Woodrow Wilson werde von Deutschland schwere Opfer fordern. Denn ein „Rechtsfrieden“ werde nicht auf der eigenen Auffassung von Recht gegründet sein, sondern auf das, „was in freier Aussprache mit unsern Gegnern“ als Recht erkannt wird. Daher müsse Deutschland auch im Falle eines Rechtsfriedens mit Gebietsverlusten rechnen. Nach der Rede des Reichskanzlers folgt eine fünftägige, teilweise äußerst kontrovers geführte Debatte, in der die Parteien ihre jeweiligen Standpunkte zur aktuellen Lage und zu den vorgeschlagenen Reformen vortragen.

„Die Ehre der kaiserlichen Marine wahren“

Schwarzweiße Porträtfotografie eines Mannes mit strengem Seitenscheitel in einem Holzstuhl sitzend

Admiral Reinhard Scheer (1863-1928), Stabschef der Seekriegsleitung, in einer Aufnahme vom 14. Juli 1918. (Bundesarchiv/Oscar Tellgmann)

Kapitän zur See Magnus von Levetzow übergibt in Wilhelmshaven dem Chef der Hochseeflotte, Admiral Franz Ritter von Hipper, den geheimen Befehl des Stabschefs der Seekriegsleitung, Admiral Reinhard Scheer, mit der Anweisung, den Angriff der deutschen Hochseeflotte gegen die britische Grand Fleet im Ärmelkanal einzuleiten. Das Unternehmen soll am 29. Oktober beginnen. 

Die Marineführung hatte die Pläne für eine letzte große Entscheidungsschlacht (der sie selbst nur geringe Erfolgsaussichten beimaß) nach Beginn des Notenwechsels über die Einleitung von Friedensverhandlungen und ohne Wissen der Reichsregierung ausgearbeitet. Schon kurze Zeit nach Bekanntwerden der Angriffspläne wird darüber spekuliert, ob es der Marineführung mit diesen Vorgaben tatsächlich darum gegangen sei, in einem letzten Kampf ehrenvoll unterzugehen, statt die am Kriegsgeschehen kaum beteiligte deutsche Flotte kampflos dem Feind zu übergeben. (ww/22.10.2018)

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